Interview mit Fragen rund ums Kletter- und Boulder-Training. Die wichtigsten Tipps gibt's zusätzlich noch in der Fotostrecke
Fabian, wie gehe ich beim Erstellen eines Trainingsplans grundsätzlich vor?
Im Idealfall geht der Planung eine Leistungsanalyse voraus. Hier ist ein Trainer mit Erfahrung hilfreich. Oder ich muss mich selbst fragen, wo ich stehe und wo ich hin will. Grundsätzliche Überlegungen sollten aber folgende Faustregeln berücksichtigen:
- Bis zum siebten und achten Grad ist Klettern selbst das beste Training!
- Wer einfach nur Klettern geht, muss daran denken, seine Komfortzone zu verlassen. Nur wer schwere Touren versucht, kann auch schwerer klettern!
- Wer besser werden will, sollte zwei, besser drei Mal pro Woche trainieren.
- Technik vor Kraft; das gilt sowohl bei der Gewichtung der Trainingsinhalte, als auch in der Trainingssession selbst.
- Kraft vor Ausdauer: also erst einen Kraftblock absolvieren, dann Ausdauer trainieren.
- Ein Plan ist dafür da, um durchgezogen zu werden. Man sollte ihn also so gestalten, dass man ihn einhalten kann.

Klettertraining Grundlagen
Was sollte jeder machen?
Zuallererst vielseitig sein und bleiben, dann Beweglichkeits- und allgemeines Krafttraining und natürlich viel klettern. Beweglichkeit und Mobilität werden von den meisten Kletterern fatal vernachlässigt. Gerade im modernen Bouldern und in der Verletzungs-Prävention wird beides immer wichtiger. Stichwort Schultergesundheit: Fehlende Mobilität und Stabilität der Schultermuskulatur kann Überlastungsbeschwerden hervorrufen, beim Bouldern werden vermehrt Koordination und Beweglichkeit gefordert, wer körperlich beweglich ist, verfügt auch beim Klettern generell über Flexibilität, kann Boulderprobleme auf ganz unterschiedliche Methoden angehen und so schneller zum Ziel (dem Durchstieg) kommen. Und: Probieren und spielen! Beim spielerischen Bouldern in angenehmer Atmosphäre lernt man am besten. Auch ist Fehler machen ein entscheidender Teil des Lernprozesses.
Du sagst Kraft kommt vor Ausdauer. Gibt es da Ausnahmen?
Wenn wir von der klassischen Blockperiodisierung ausgehen, ist es sinnvoll, erst Muskeln aufzubauen, dann Maximalkraft und Intramuskuläre Koordination zu trainieren und erst dann zur Kraftausdauer zu kommen. Es gibt Fälle, in denen anders periodisiert wird: Wenn du zum Beispiel ein Kraftausdauerdefizit feststellst und nur wenig Zeit bis zum nächsten Trip hast, wirst du dich sicherlich nur auf die Verbesserung deiner Kraftausdauer konzentrieren und auf Aufbau- und Maximalkrafttraining verzichten.
Derzeitiger Stand ist ja, die Belastungsformen zu mischen. Wie gewichte ich die verschiedenen Schwerpunkte, wieviel sollte Ausgleich und aktive Regeneration ausmachen?
Der Trend geht weg von der klassischen Blockperiodisierung, das finde ich auch richtig. Es wird aber weiterhin meist ein Hauptfokus behalten, der mit anderen Belastungen aufgelockert wird. Man sollte mindestens 50 Prozent seiner Zeit einem Schwerpunkt widmen, um Fortschritte zu machen. Ich empfehle mindestens einmal pro Woche ein Kraft- und Mobilisationstrainig für den Ausgleich. Yoga ist hier keine schlechte Wahl, weil dabei vermehrt die Stützmuskulatur gefordert ist, besonders beim Ashtanga-Yoga.
Über welchen Zeitraum sollte ich mir den Plan erstellen?
Wer sich selber einen Trainingsplan erstellen mag sollte für mindestens vier Monate, besser für ein halbes Jahr planen. Sprich: Vier bis sechs Monate vor dem entscheidenden Klettertrip beginnen. Trainingseffekte kommen nicht über Nacht, es braucht Disziplin und Zeit. Für ein effektives Training müssen gewisse Zeitregime eingehalten werden. Es macht zum Beispiel keinen Sinn, fünf Einheiten Muskelaufbau zu trainieren, da ich auf diese Weise keinen kumulierten Trainingseffekt erhalte; dafür sind je nach Trainingsstand rund 12 bis 15 Sessions nötig.
Wie muss ein Trainingsplan aussehen, damit er gut einzuhalten ist?
Ich muss mir als erstes, neben der Frage nach meinem aktuellen Level und meinem Ziel, die Frage stellen, wie viel Zeit ich realistisch zum Trainieren habe. Am besten findet ihr einen oder gleich mehrere Trainingspartner. Im Idealfall solche, die ungefähr gleich stark sind und mit denen ihr Spaß am Training habt.
Spezifisches Klettertraining
Wie bearbeite ich eine bestimmte Schwäche wie zum Beispiel Fingerkraft, wieviel Aufwand sollte da rein gehen?
Wenn du für dich diagnostiziert hast, eine Schwäche zu haben, zum Beispiel Fingerkraft, ist es sicher sinnvoll an dieser zu arbeiten. Vorsicht aber vor Falschdiagnosen! Viele Kletterer meinen, zu wenig Kraft zu haben, oft liegt das Problem aber eher bei fehlender Technik oder mentalen Fähigkeiten. Je nach Art der Schwäche muss man mehr oder weniger Zeit aufwenden. Wenn du feststellst, unbeweglich zu sein, bedarf es viel Zeit und Arbeit, um daran etwas zu ändern. Ein Kraft- oder gar Ausdauerdefizit kann man viel schneller beheben. Wer an der Kraft arbeitet, merkt schon nach 4 bis 6 Wochen einen Unterschied. Wenn dein Problem aber ein anderes war, also etwa dein Kopf, dann bringt dir mehr Kraft aber nichts, hindert dich vielleicht sogar.

Was trainiere ich, wenn...
Beispiel 1: Ich klettere 7a und bouldere Fb 7a, was sollte ich dann am besten machen?
Das beschriebene Symptom kann viele Ursachen haben. Es kann ein Kopfproblem sein. Vielleicht hast du Angst vorm Stürzen? Oder Höhenangst? Auch taktisch kann hier ein Problem liegen. Vielleicht bist du ein reiner Boulderer und reißt einfach zu sehr an, kannst deine Klettergeschwindigkeit nicht richtig einteilen oder ähnliches. Als Boulderer könnte also ein erster Schritt sein, das sogenannte „weiche Greifen“ zu üben, also zu lernen, mit so wenig Kraft wie möglich zu klettern anstatt immer Vollgas zu geben.
Du könntest versuchen, Boulder oder Routen zu klettern und dabei so wenig Kraft wie möglich zu nutzen, du musst das Gefühl haben fast von der Wand zu fallen. Weiter kannst du üben nach jedem Zug in den langen Arm zu gehen. Boulderer machen das fast nie und ‚schnüren‘ sich durch zu viel Muskeltonus in der Schulter die so wichtige Versorgung des Unterarms ab.
Von der konditionellen Seite her betrachtet ist es am naheliegensten, dass dir schlicht die Kraftausdauer fehlt. Hier empfiehlt sich dann ein klassisches Kraftausdauertraining, beispielsweise Intervalltraining am Seil oder im Boulderraum.
Beispiel 2: Wenn ich 7c klettere und 7a bouldere, was mache ich dann?
Dann bist du wahrscheinlich ein Felskletterer, der über ein gute Technik verfügt und eher ein Kraftdefizit hat. Wahrscheinlich kletterst du schon recht lange und bist eher von "der alten Schule", das heißt du kletterst eher langsam und kontrolliert. Du könntest Sprünge, Hooks und generell dynamisches Klettern vermehrt üben. Hier empfiehlt sich Krafttraining, vor allem der Ganzkörperkraft und Oberarmkraft, da deine Unterarme wahrscheinlich doch recht fit sein dürften.
Klettertraining Hintergrundwissen
Wodurch wird Training erst richtig effizient?
Durch die richtige Intensität und Kontinuität, das ’Durchziehen’ eines Planes. Wenn ich nach der achten Session Muskelaufbau aufhöre, dann hätte ich mir das ganze Programm auch gleich sparen können. Weiter durch das Einhalten der Pausen, wenn ich am Pausentag dann doch schnell an den Fels fahre, mache ich mir den hart erarbeiteten Effekt zunichte.
Am effizientesten von Zeit versus Output ist sicher IK-Training, also intramuskuläre Koordination. Wenn ich nur wenig Zeit habe und kurzfristig viel weiter bringen will würde ich Maximalkraft und IK trainieren, da ich wenige Einheiten und viel Pause brauche und in Recht kurzer Zeit viel stärker werde, was dann auch die Ausdauerleistung positiv beeinflusst. Das ist aber nur Kletterern mit einem gewissen Niveau zu empfehlen, da die hohen Belastungen Verletzungsgefahr für einen noch nicht daran adaptierten Körper bedeuten, vor allem für die Finger.
Wie oft muss ich etwas trainieren, damit der Reiz anschlägt?
Diese Frage ist schwer zu beantworten, da es je nach Belastungsform andere Zeitregime gibt. Beim Muskelaufbau sollte ich mindestens 12 Einheiten circa zwei mal pro Woche absolvieren. Dabei muss der Reiz stetig so steigen, dass ich bei den letzten Wiederholungen meiner Serie stets ’verrecke’. Ansonsten wäre der Reiz zu niederschwellig und provoziert dann keine physiologische Adaption mehr.

Hättest du einen Beispiel-Trainingsplan für mittlere Grade?
Ein Standardplan ist schwer niederzuschreiben, da jeder Mensch anders ist. Kletterern im siebten und achten Grad würde ich aber folgende Vorgehensweise empfehlen:
- Trainiere mindestens drei mal die Woche.
- Geh bouldern! Versuche dabei schwere Boulder, Probleme, bei denen du an einem einzelnen Zug feilen musst. Das schult die Technik und trainiert ganz nebenbei die Maximalkraft.
- Versuche, ab und zu 10 Routen im gleichen Grad zu klettern. Starte mit einem niedrigen Grad und versuche das ganze bei den nächsten Malen zu steigern.
- Nur wer schwere Routen projektiert, wird schwerere Routen klettern. Probiere regelmäßig Routen, in denen du circa drei Hänger hast. Bei jeder Pause im Seil gilt es, sich gut zu erholen. Dann klettere weiter mit allem, was du hast!
- Doppellängen, also zwei Routen direkt nacheinander am Ende des Trainings, sind eine leicht umzusetzende Methode, um die Ausdauer zu verbessern. Auch gut eignet sich Intervalltraining.
(Mehr Tipps in den Fotostrecken unterhalb)
Beliebter Fehler beim Erstellen des Trainingsplans?
Irgendwelche Trainingspläne kopieren. Nur weil ein Jan Hojer 10 einarmige Klimmzüge macht, heißt das noch lange nicht, dass dies das Richtige für dich ist. Sei nicht übermotiviert, halte deine Pausen ein. Stärker wird man in den Pausen! Der beliebteste Fehler ist aber zu trainieren, was man sowieso schon gut kann.
Der Trainer

Fabian Hochheimer, 32, Sportkletterlehrer. Beim Climbletix-Training in Innsbruck und Telfs bietet er Athletik- und Beweglichkeitstraining an. Individuelle Trainingspläne gibt es auch, ebenso wie Trainingscamps am Fels, bei denen das Climbletix-Team persönliche Pläne ausarbeitet und vermittelt, wie man alleine am besten weiterkommt.