Bella Vista Hütte im Südtiroler Schnalstal

Bella Vista Hütte im Schnalstal
Die höchstgelegene Sauna der Alpen

Zuletzt aktualisiert am 04.12.2024

Am Freitagmorgen fahre ich mit Hanna los. Bei Bozen rechts ab, Meran passieren und etwas später rechts ins Schnalstal, vorbei am Schloss Juval, Sommersitz der Bergsteiger-Legende Reinhold Messner. Nach der 25 Kilometer langen Passstraße bei der Talstation angekommen, verstauen wir unser Gepäck in der Materialseilbahn. Dann nehmen wir den Lift, es muss schnell gehen, schließlich wird es früh dunkel. Oben angekommen, ist Hanna baff. Hochalpines Ambiente, unfassbar schroff und malerisch zugleich. Damit wir noch vor dem Dunkelwerden ankommen, donnern wir erst die Gletschersee-Piste runter, dann den Hintereislift hoch. Allein schon die wenigen Meter Skiabfahrt zur Bella Vista sind spektakulär. Dieses Gefühl, diese Weite, diese Schönheit habe ich bis dato nirgendwo erlebt. Weder in amerikanischen noch in japanischen Skigebieten. Unser Blick erfasst stolze 126 Dreitausender, die sich beim Sonnenuntergang von ihrer schönsten Seite zeigen. Warm fällt das Licht auf die weißen Berge. Und das im Frühherbst – für das Schnalstal normal. Dort beginnt die Wintersaison am 20. September.

Nur ein uriges Schutzhaus ...

Im letzten Licht erreichen wir die Hütte. Wir sehen die erleuchteten Fenster der Saunen, der Hot Tub dampft, Hütten-Gäste stehen mit einer Heißen Zitrone in der Hand vor der Schönen Aussicht und bestaunen die Reste des Alpenglühens. "Griaß enk, i bin der Paul", sagt plötzlich ein Zwei-Meter-Riese – der Eigentümer. Die Presse schreibt, dass er der wohl umtriebigste Hüttenwirt im Alpenraum sei, die Zeitungen sind von seinem Haus begeistert. Die Süddeutsche Zeitung war der Meinung, dass sich die Hütte schon längst vom "alpinen Notunterstand zur Wellness-Unterkunft" gewandelt habe. "So ein Blödsinn!", sagt Paul. Ein uriges und gastfreundliches Schutzhaus sei seine Hütte. Sonst nix!

Bella Vista Südtirol Schnalstal
Stefan Schütz

Paul zeigt den Skiraum, die Gaststube, unser Zimmer. Und erzählt, wer zu ihm kommt. Wanderer und Mountainbiker im Sommer. Schließlich geht der Fernwanderweg E5, der Oberstdorf mit Meran verbindet, direkt an seiner Hütte vorbei. Im Winter kehren dann Skifahrer, Schneeschuhwanderer, Yogafans, Leseratten und Skitourengeher ein. Von der Bella Vista startet die Venter Skirunde, die vom hinteren Ötztal aus in fünf Tagen zu den höchsten Gipfeln der Region führt. Hanna und ich sind uns sicher. Hier sind wir richtig.

Wir ziehen uns um, setzen uns mit Paul zu einem Vortrag über sein Lieblingsthema zusammen, den Knödel. Er stifte für ihn Heimat und Identität, sagt er. Wie bitte? "Ihr wisst bestimmt nicht, dass die früheste Abbildung von Knödeln aus dem 13. Jahrhundert stammt und in Südtirol gefunden wurde", sagt der Knödel-Forscher. Aha. Ein Jahrhundert altes Fresko in der Burgkapelle Hocheppan zeigt eine kniende Frau, die gerade Knödel für die Mutter Gottes zubereitet. Für Paul der Beweis, dass der Knödel eine göttliche Speise sei.

Morgen Nachmittag, so sein Versprechen, würde er uns eine köstliche Auswahl zubereiten. Nun essen wir aber erst mal. Besonders beliebt bei den Gästen sind die Orzotto-Pasta mit Wurzelgemüse, Latschenkiefer und Bergkäse und der Lammbraten. Und die "Schnalser Schneemilch", ein Dessert aus Brotkrümeln, Rosinen, Zucker, Zimt und Sahne. Soul Food nennt Paul das. Danach sind wir reif fürs Bett.

Beim morgendlichen Zähneputzen gibt der Blick aus der Panoramadusche die Sicht auf Gletscher und Gipfel frei – ein Spektakel. Nach dem Frühstück entscheiden wir uns für eine Skitour zur Finailspitze. Eine "Fantastico Tour" auf der Nordseite des noch stark vergletscherten Bergs, verspricht uns Paul. Allerdings, so sagt er, könne sie in den Brüchen östlich des Hochjoch-Gletschers Gefahren bergen. Wir weichen den Spalten aus und marschieren schnurstracks hinauf zum Gipfel.

Proviant, bis die Bergrettung kommt

Sollten Hanna und ich in eine Spalte fallen, würden wir mindestens noch weitere vier Winter überleben. So viel Proviant hat uns Paul mitgegeben. Denn: Er ist auch Chef einer Catering-Firma, kocht für die Filmcrew "Die Bergretter" und Hollywood-Stars wie Jake Gyllenhaal, der im Himalaya-Drama "Everest" mitspielte. Das Catering in eisigen Höhen sei eine Herausforderung, sagt er. Am ersten Tag der Dreharbeiten für den Hollywood-Streifen waren es minus 22 Grad. Hinzu kamen Windböen mit bis zu 140 Sachen. Die Spaghetti mit Wildschwein-Ragout in diesen Bedingungen al dente zu servieren, sei eine echte Challenge. Erst recht, wenn man diese mit Pistenraupen und Motorschlitten umherfahren muss.

Und dann plaudert er aus dem Nähkästchen. Für einen anderen Schauspieler musste er einmal ins Tal fahren, um eine vegane Auberginen-Creme zu holen. "Sonst würde er nix essen, hat er gesagt", erzählt Paul. Als es zwei Stunden später Tagliatelle mit Hirschragout gab, bekam seine vegane Fassade Risse. Erst recht, als er Pauls Speckknödel probierte. Wir sind ebenfalls begeistert, als ich am Gipfel Brot, Käse und Wurst aus dem Rucksack packe. Aber nicht von irgendwo. Alles regional, alles aus dem Schnalstal. Dann flitzen wir wieder runter. Den Knödeln entgegen. Aufmerksam hören wir Paul bei einem weiteren Vortrag zu. Er berichtet, dass der Knödel einst ein Arme-Leute-Essen war. Heute könne der Knödel alles. Die Traditionalisten – und Fleischesser – futtern mit Spinat, Speck und Käse, die Vegetarier Lauchknödel, Spargelknödel, Pfifferling-Knödel. Und dann gibt es noch die Vollprofis. Sie genießen Scampi- oder Trüffelknödel, als Dessert Schoko- und Marillenknödel. Es gibt Gäste, so Paul, die nur wegen der Weihnachtsknödel zur Schutzhütte Schöne Aussicht kämen. Diese bestehen aus Zimt, Quark, karamellisierten Orangen und Äpfeln.

Bella Vista Südtirol Schnalstal
Stefan Schütz

Wir sind pappsatt und ruhen uns erst mal aus. Am Nachmittag steht Entspannung an. Wir gehen in den AWE-Raum, der aussieht wie eine Kapelle. AWE steht für Aussicht, Weitsicht und Einsicht. Wir halten dort zu zweit erst eine Yoga-Session ab, lesen dann ein Buch. Schließlich steht noch einiges heute an. Erst wollen wir noch in das höchstgelegene freistehende Saunahaus in den Alpen gehen, dann das Highlight des Abends: Übernachten im Iglu. "Schlafen und ruhen, umspielt von flackernden Blautönen, Schneezauber und Kerzenlicht", steht auf Pauls Homepage: "Romantik. Eiskalt und kuschelig". Zuvor trinken wir aber – so Pauls Rat – noch ein Glas Prosecco vor dem Schlafengehen.

Dann wird es wirklich romantisch – und überhaupt nicht kalt. Das liegt daran, dass die Unterlagen isoliert sind, die Hightech Expeditionsschlafsäcke mollig warm. Und dann gibt es ja noch Möglichkeiten, dass einem warm wird. Man kuschelt eben ein wenig. Ohnehin wird viel zu wenig geschmust, heißt es doch. Wer es jedoch noch romantischer und noch abgeschiedener haben möchte, der bucht das Zollhaus. Das ist ein klitzekleines Steinhäuschen, gut 800 Meter von der Bella Vista entfernt. Was einen hier erwartet? "Der Mensch, der Berg, die Stille", sagt Paul.

No Input, no Output

Am nächsten Tag stehen wir auf, machen uns für unsere Schneeschuhwanderung fertig. Wieder nehmen wir einen Rucksack voller Leckereien mit, dann geht es Richtung Weißkugel. Und so gehen die Tage ein und aus. Entweder haben wir unsere Schneeschuhe an, stapfen mal eine Stunde in diese, mal in die andere Richtung. Oder wir machen eine der vielen Skitouren. Wir gehen zum Similaun, zur Schwemser Spitze und zur Saldurspitze. Am Nachmittag, wenn wir zurückkommen, genießen wir den Apfelstrudel und den Kaiserschmarren, machen Yoga, gehen in den Hot Tub, in die Sauna. Und dann machen wir das, was wir verlernt haben. Einfach mal nix machen. No Input, no Output.

Für mich ist der Platz dort oben etwas wirklich ganz Besonderes – auch wenn es sich kitschig anhört: Die Schöne-Aussicht-Hütte ist für mich ein Kraftplatz. "Hier fallen viele Entscheidungen einfach weg", sagt Paul. Sein heißt hier, nicht "immer tun müssen", sondern "einfach sein dürfen". Genau in dieser Einfachheit liegt der Schlüssel zum Erfolg. Für Glück, Ruhe und Zufriedenheit. Das scheint auch dem Spiegel zu gefallen. Vor ein paar Tagen schrieb das Magazin: Paul Grüner zeige mit einem feinen Gespür für die "richtige Mischung aus Komfort und alpiner Einfachheit, wie Berghütte 3.0 geht".

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Die Bella Vista ist im Winter geöffnet von 5. Dezember bis Anfang Mai, Halbpension ab 95 Euro pro Nacht. Info: schoeneaussicht.it