Die wichtigsten Fragen & Fakten zum Winterraum:
Was ist ein Winterraum? Beim Winterraum handelt es sich um einen in aller Regel vom Rest der Berghütte abgetrennten Raum, der außerhalb der Saison Schutz und Schlafgelegenheiten bietet. Seine Größe variiert mit der des Hauses, meistens gibt es zehn bis zwanzig Schlafplätze.
Welche Hütten besitzen einen Winterraum? Ob eine Hütte einen Winterraum besitzt, steht auf ihrer Website. Eine Liste für die DAV-Hütten in den Alpen findet sich nebst anderen nützlichen Informationen auch online unter alpenverein.de/winterraeume. Wer ganz sichergehen will, kontaktiert die hüttenbesitzende Alpenvereinssektion. Schon alleine auch wegen der sich ständig ändernden Corona-Lage:
Fast alle Winterräume stehen aufgrund der Covid-19 Pandemie in der Wintersaison 2020/2021 ausschließlich für Notfälle zur Verfügung.
Muss man sich Schlafplätze reservieren? Nein – mehr noch, man kann es auch gar nicht. Schließlich sind Winterräume auch als Lager bei spontanem Bedarf gedacht. Trotzdem empfiehlt es sich vor allem bei einem Erstbesuch, mit den Hüttenwirten oder der DAV-Sektion zu telefonieren oder zu e-mailen, um Besonderheiten wie zum Beispiel die Lage des Raumes zu erfahren. Manchmal befindet er sich in einem Nebengebäude oder unterhalb des Hauptgebäudes und ist bei starkem Schneefall oder Dunkelheit schwer zu entdecken.

Stehen Winterräume grundsätzlich offen? Manche Winterräume sind offen, andere mit einem Alpenvereins-Schloss abgesperrt. Den Einheitsschlüssel für verschlossene Räume bekommt man bei jeder Alpenvereins-Sektion. Der Winterraum darf allerdings nur genutzt werden, während die zugehörige Hütte gerade nicht bewirtschaftet wird.
Wie ist die Verpflegung? In Winterräumen herrscht Selbstversorgungspflicht – also gehört ausreichend Proviant in den Rucksack. Meistens gibt es eine Kochgelegenheit, aber das Holz dafür kann verbraucht sein. Für alle Fälle nimmt man am besten einen Kocher mit.
Was umfasst die Ausstattung des Winterraumes? Der »Behaglichkeitsfaktor« und die Ausstattung variieren von Hütte zu Hütte. Grundsätzlich können Besucher erwarten: Bettenlager, Kochmöglichkeit, Brennholz, Töpfe und Geschirr, Stühle und einen Tisch. Außerdem gibt es eine Komposttoilette oder ein Plumpsklo.
Was bringt man mit? Neben Essen, je nach Wunsch auch Tee und Kaffee, ist eine Stirnlampe ein Muss. Zwar gibt es häufig Decken, aber vor allem bei kalten Temperaturen empfiehlt sich ein warmer Schlafsack anstelle des Hüttenschlafsacks. Auf manchen Hütten mangelt es an Geschirr: Mit Teller, Becher und Besteck im Gepäck geht man auf Nummer sicher. Bei abgesperrten Hütten an den AV-Schlüssel denken!
Wo steht der Mülleimer? Nirgendwo – Müll lockt Mäuse an. Deshalb sollten Besucher ihren Müll wieder mit ins Tal nehmen und dort entsorgen.
Was kostet eine Nacht im Winterraum? Maximal 13 Euro für AV-Mitglieder, Nichtmitglieder zahlen zehn Euro mehr (also höchstens 23 Euro). In den meisten Hütten befindet sich eine Kasse, in die man das Geld passend einwirft. Alternativ lässt sich die Gebühr überweisen.
Wie verhalte ich mich im Winterraum korrekt? Ein Winterraum ist kein Partyschuppen, oft steht am nächsten Tag eine lange Tour an – also sollte ab 22 Uhr Ruhe herrschen. Neben der Bezahlung und der Müllmitnahme gehört zu einem Winterraumaufenthalt, dass man lüftet, Geschirr spült, Tisch und Herd säubert und die Schlaflager ordnet, bevor man geht. Wichtig: Sicherstellen, dass das Feuer im Ofen aus ist! Und der Eintrag ins Hüttenbuch dient auch der eigenen Sicherheit.
Erfahrungsbericht "Winterraum" unserer Autorin Lena Jauernig:
Alles ist grau. Das Wetter. Der Himmel. Die Stadt. So grau, dass ich anfange, graue Gedanken zu denken. Höchste Zeit für einen Farbwechsel. »Tausche Grau gegen Weiß: Wer kommt mit in die Berge zum Winterwandern?«, schreibe ich an meine Clique. »Ich!«, antwortet Tobias umgehend. »Ich auch!«, schließt sich Robert an. Also nichts wie auf in den Schnee, in die Natur, denn nur abseits der Zivilisation ist die Landschaft so waschpulverweiß, dass nach 24 Stunden auch der allergraueste Gedanke weggewaschen ist. »24 Stunden abseits der Zivilisation? Klingt gut, aber wo übernachten wir?«, fragt Tobias. »In einem Winterraum«, antworte ich, bestens auf diese Frage vorbereitet. Winterräume sind rustikale, einfach ausgestattete Selbstversorgerquartiere in Alpenhütten. Man kann dort gegen eine geringe Gebühr übernachten, während die bewirtschafteten Hütten Winterpause machen.
Ich recherchiere – und finde auf der Website des Deutschen Alpenvereins rund 270 Einträge in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Allein in den bayrischen Alpen, die für uns am nächsten liegen, gibt es 17 Winterräume. Eigentlich hätten wir also die Qual der Wahl. Allerdings hat es in den bayerischen Alpen in den letzten Tagen kräftig geschneit, nun setzt Tauwetter ein, und es besteht erhöhte Lawinengefahr. Alle Hütten, zu denen man durch steiles, exponiertes Gelände aufsteigt, kommen momentan nicht in Frage. Im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet entdecke ich trotzdem ein vielversprechendes Wanderziel: Die Webcam der Gufferthütte im Rofangebirge zeigt eine märchenhaft verschneite Almlandschaft. Der zweieinhalbstündige Aufstieg zur Hütte, die auf nur 1475 Metern Höhe liegt, führt ungefährlich durch Wald und über breite Forstwege. Wir fahren mit dem Auto zum Wanderparkplatz Köglboden nördlich des Achensees. Gut gelaunt schultern wir unsere Rucksäcke und marschieren auf dem Geo-Lehrpfad, einem erdgeschichtlichen Erlebnisweg, ins Filsmoostal.

Der Himmel zeigt sich strahlend blau, der Wald weiß überzuckert, und die Wintersonne zaubert jede Menge Lichterketten in die Landschaft: An den Ästen der Tannen funkeln Schneekristalle, im Unterholz glitzert Raureif, und auf dem Ampelsbach, der parallel zum Wanderweg fließt, leuchten vom Wildwasser bizarr geformte Eisblasen. Der Weg steigt an. Zwar nur moderat, doch der schwere Rucksack bringt mich trotz- dem ein wenig ins Schwitzen. Jeder von uns trägt Proviant für sämtliche Mahlzeiten, dazu warme Wechselkleidung und einen dicken Schlafsack. Deutlich mehr Gepäck als auf einer Sommertour also. »Wehe, ihr esst nicht jede einzelne Nudel auf, die ich hier hochschleppe«, sage ich zu meinen beiden Begleitern. Weiter oben wird uns dann so richtig warm. Denn während nur eine dünne Puderzuckerschicht die Waldwege im Tal überzieht, glitzert auf dem Almgelände in Höhen über 1000 Meter jede Menge Schnee. Hier wird jeder Schritt zum Kraftakt, und es zeigt sich: Distanzen, Höhenmeter und Zeit für eine Bergtour darf man im Winter keinesfalls wie im Sommer planen – zumal auch die Tage kürzer sind.

Kein Schneekristall gleicht dem anderen Wir machen heute aber nur eine kurze Genießertour und dürfen daher trödeln. Zum Beispiel, um den Blick über die umliegenden Gipfel schweifen zu lassen, den Abendstein (1581 m) und das Schneidjoch (1810 m). Oder um den Schnee zu unseren Füßen unter die Lupe zu nehmen.Tatsächlich: Jede Flocke sieht anders aus. Schneeforscher haben es geschafft, acht Schneekristall- Stammformen mit insgesamt 121 Untertypen zu katalogisieren. Die Form eines Schneekristalls bildet sich erst während des Falls zur Erde aus: Wenn in den Wolken Wassertröpfchen zu Eis gefrieren, verbinden sich die Wassermoleküle zu einem symmetrischen Sechseck, aus dem kleine Zweige sprießen. Auf ihrem Weg zur Erde wachsen diese Zweige durch Anlagerung weiterer Moleküle heran. Temperatur, Feuchtigkeit, Wind und sogar die Beschaffenheit elektrischer Felder beeinflussen, was für Verästelungen während des Falls entstehen.

Trotz Bummelei erreichen wir am frühen Nachmittag die Gufferthütte, benannt nach dem Berg Guffert (2195 m). Sie liegt am Rande der Moorgebiete Bayerische Wildalm und Wildalmfilz, Wanderer und Mountainbiker schätzen sie im Sommer als Anlaufpunkt. Auch Kletterer übernachten in der Saison gerne, denn sie finden am Abendstein über 30 Sportkletterrouten.
Im Winter bietet sich die Hütte als Basislager für Schneeschuhwanderer an, die von hier aus eine Rundtour über Schneidjoch und Abendstein unternehmen können – sichere Wetterverhältnisse und null Lawinengefahr vorausgesetzt. Mindestens vier Stunden sollte man für die Tour einplanen, je nach Schneelage eventuell auch noch etwas mehr. Bewirtschaftet ist die Gufferthütte von Mai bis Oktober. Jetzt liegt sie verlassen vor uns, Fenster und Türen fest verrammelt.
»Zugang zum Winterraum« steht auf einem verbeulten Schild an einer Tür
Ob man einen Schlüssel für den Winterraum bei der örtlichen Alpenvereins-Sektion abholen muss, sollte man unbedingt vor der Wanderung klären. Ich habe vor ein paar Tagen mit der Hüttenwirtin telefoniert und erfahren, dass der Winterraum der Gufferthütte heute ausnahmsweise offen steht. »Stimmt«, stellt der lange Robert fest, faltet sich zusammen und tritt durch die niedrige Holztür. Tobias zieht den Kopf ein und folgt ihm. Ich mit meinen 1,50 Meter passe so durch. Hinter einer zweiten Tür verbirgt sich das Lager.

Ein kleiner Kellerraum, einfach, aber zweckmäßig eingerichtet. Den meisten Platz beansprucht das Stockbett für sechs Personen, doch wir sind heute wohl die einzigen Gäste. Neben dem Bett stehen ein Tisch, eine Eckbank sowie ein Regal mit Ge- schirr und Töpfen. Das wich- tigste Möbelstück befindet sich in der Ecke hinter der Tür: ein Holzofen, der als Heizung und zugleich als Kochgelegenheit dient. Draußen, an der Hüttenwand, stapelt sich jede Menge Brennholz. Beil und Hackklotz stehen bereit, und wir legen los: Als gegen fünf Uhr die Dämmerung einbricht und die Kälte auf den Berg kriecht, lodert im Ofen ein Feuer. Einen Wasserhahn hingegen gibt es im Winterraum nicht, also schnappen wir uns für das Spaghetti-Dinner einen großen Topf und füllen ihn randvoll mit Schnee. Ganz unten in den Topf kommt etwas Wasser, das verbessert die Wärmeübertragung und der Schnee schmilzt schneller. Wir setzen den Topf auf den Ofen und tun – nichts.
Entschleunigen. Kein Strom, kein Handyempfang, kein Internet. Der Alltag hat hier im Winterraum Pause. Als ich nach dem Essen zum Zähneputzen hinaus in die Nacht gehe, liegt unwirkliche Stille über dem Rofangebirge. Schwarz ruhen die Gipfel, die schwarzen Tannen schweigen dazu, der Schnee und die Sterne leuchten. Ich komme mir vor, als sei ich in einem Scherenschnitt oder einem alten Stummfilm gelandet. Nur die Holztür zum Plumpsklo neben der Hütte knarrt unüberhörbar. Obwohl im Winterraum keine offizielle Hüttenruhe gilt, liegen wir um zehn Uhr im Bett. In den Schlafsack gekuschelt und mit Stirnlampe ausgerüstet lese ich noch ein paar Seiten, aber mir fallen schnell die Augen zu. Muss an der woh- Brennholz zu sparen, haben wir das Feuer ausgehen lassen, doch in dieser kleinen »Höhle« mit ihrer niedrigen Decke hält sich die Wärme gut.

Um sieben Uhr morgens stehen wir wieder auf, ziehen uns alle mitgebrachten Klamotten an und steigen im Dunkeln auf eine Anhöhe hinter der Hütte. Dort schauen wir in Richtung Osten und bestaunen die Farben des anbrechenden Tags: Aus Schwarz wird Dunkelblau, in das Blau mischt sich Rot, das Rot verwischt zu Lila und Rosa. Zum krönenden Abschluss steigt schließlich die Sonne hinter den Bergen hervor und gießt pures Gold über das Bild. »Manchmal tut Kitsch einfach gut«, sage ich zufrieden und ernte zustimmendes Nicken. Nach einem sonnigen Frühstück im Freien packen wir unsere Rucksäcke, schmelzen nochmals Schnee, um das Geschirr zu spülen, räumen die Hütte auf, schmeißen jeder zehn Euro in die Kasse und wandern hinaus in die weiße Weite. Auf dem Weg zurück in die Zivilisation geht mir die Frage durch den Kopf, warum ausgerechnet Schnee die Eigenschaft besitzt, Menschen glücklich zu machen. Vielleicht einfach, weil er weiß ist – und weil Weiß nichts anderes ist als die Summe aller Farben.