Bouldern im Elsass: Vive le Bloc in Gueberschwihr

Bouldern im Elsass
Vive le Bloc: Bouldern in Gueberschwihr

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Zuletzt aktualisiert am 28.07.2020

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Info zum Bouldern im Elsaß

Bouldern im Osten Frankreichs: Die Sandsteinblöcke von Gueberschwihr liegen in den Wäldern am Osthang der Vogesen. Im Führer sind derzeit etwa 100 Blöcke oder Felsen mit über 400 Problemen in allen Graden gelistet. Das Gebiet teilt sich in zwei Untergebiete, Vieux und Nouveau Gueberschwihr. Im alten Gebiet (Vieux) sind die Boulder im Stil der Parcours von Fontainebleau mit Farben gekennzeichnet. In beiden Gebieten gibt es zudem noch jede Menge Stoff zum Klettern mit Seil: über 150 Routen in allen Graden mit bis zu 27 Metern Höhe. Rund die Hälfte davon in den Graden 3 bis 5 machen das Gebiet nicht nur für Boulderer einsteigertauglich.

Bouldern Elsaß
Yann Corby

Anreise

Von Straßburg oder Mulhouse auf der Autobahn A35 bis zur Ausfahrt 27 Sainte-Croix en Plaine. Auf der D1 nach Herrlisheim-près-Colmar und weiter Richtung Obermorschwihr. Kurz vor dem Ort links ab nach Hattstatt und weiter nach Gueberschwihr.

In Gueberschwihr Richtung Kloster Saint-Marc auf der D1.5. Geparkt wird entlang der Straße etwa 1,5 Kilometer nach dem Ortsende nach einer scharfen Rechtskurve.

Infos und Topos

Der Boulderführer "Sur les Blocs de Grès" ist im September 2019 erschienen. Weitere Infos zum Bouldern und Klettern im Elsass gibt es unter www.escalade-alsace.com. Die Sportkletterrouten finden sich im Führer "Est‘calades, Topo d‘Escalades dans les Vosges du Sud".

Bouldern im Elsass: Gueberschwihr
Magazin KLETTERN

Essen und Schlafen

Direkt neben den Blöcken bietet die Auberge Saint-Marc charmante, kleine "Wohnwagen" zum Übernachten an. Die Speisekarte des Restaurants ist gespickt mit Elsässer Spezialitäten (www.aubergesaintmarc.fr). Der nächste Campingplatz "Camping Trois Château" liegt knapp 10 Kilometer entfernt in Eguisheim.

Für Ruhetage

Die elsässische Küche hat mehr zu bieten als nur Flammkuchen, vom ausgezeichneten Wein ganz zu schweigen. Angefangen in Gueberschwihr sind die malerischen Weindörfer und Weinkellereien am Osthang der Vogesen einen Besuch wert. Bestens Bummeln lässt sich auch in Colmar. Das Kunstmuseum in Unterlinden ist eines der vielen Museen der Gegend. Und wer bei schlechtem Wetter unbedingt klettern will, lenkt seine Schritte ins Bloc’n Wall in Colmar.

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Yann Corby

Story: Bouldern in Nouveau und Vieux Gueberschwihr

Wenn das Wort Gueberschwihr fällt, geraten wir Locals gerne ins Schwärmen. Aus gutem Grund. Hier liegt eine der Geburtsstätten unseres Sports im Elsass. Seit über 40 Jahren wird hier gebouldert und geklettert. In den 1970er Jahren entdeckten Jean-Pierre Minazzi, Jean-François Hagenmuller und Serge Haffner die Wände von "Gueb". Ganz im Stil der damaligen Zeit erschlossen sie die ersten Trad-Routen nur mit Klemmkeilen als Absicherung. Wer sieht, wie viele Risse es hier gibt, versteht warum. Was bei all den historischen Routen aber gerne vergessen wird, ist, dass die Freikletterer von damals sich auch schon an den Blöcken im Wald rings um die Wände versuchten. Sie erschlossen dort ziemlich harte Passagen, die als Training für ihre zukünftigen Routen dienten und eine ähnlich Bedeutung hatten wie Fontainebleau für die Pariser Bergsteiger. Bevor wir weiter ins Detail gehen, noch der Hinweis, dass sich das Gebiet in zwei recht unterschiedliche Teile teilt. Im "alten" Vieux Gueberschwihr finden sich sehr viele leichte Boulder, was besonders Kinder und Einsteiger begeistert, im "neuen" Nouveau Gueberschwihr liegt die Meßlatte eine ganze Ecke höher.

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Yann Corby

Bouldern in Vieux Gueberschwihr

In Vieux braucht man sein Crashpad praktisch nur aus dem zu Auto werfen, denn man parkt direkt vor den ersten Blöcken. Der Fels von "Old Gueb" lockt mit sehr kompaktem Sandstein, hier und da gespickt mit Kieseln. Die Schwierigkeiten reichen von Hellblau bis hart Weiß. Ich sehe schon euer Stirnrunzeln. Pardon, ich hatte ganz vergessen zu sagen, dass es in "Old Gueb" keine explizite Bewertung der einzelnen Boulder in Graden gibt. Die Erschließer bevorzugten ein Farbsystem, das auf dem von Fontainebleau basiert. Und genau so wie dort können auch hier Parcours gebouldert werden, wenn man sich alle Probleme derselben Farbe vornimmt. Die Boulder rangieren zwischen sehr einfach (Fb 2 oder 3) bis schwierig (Fb 6 bis 7). Die Höhe der Blöcke reicht vom eineinhalb Meter hohen Zwerg bis zum ausgewachsenen Dinosaurier mit sieben Meter Höhe. Die Kletterei ist extrem abwechslungsreich und es gibt alle erdenklichen Linienführungen, bis hin zu kreisförmigen. Versucht euch mal in Tourne Couillon!

Inmitten dieses Chaos von Blöcken werdet ihr über einige markante Namen stolpern. Fangen wir beim Bloc à Scheppler an. Er den trägt den Namen zweier Brüder, die eigentlich nur hierher kamen, um genau auf diesen Block zu klettern. Ob sich ihre Kletterkarriere darauf beschränkt hat, weiß keiner. Unter anderem gibt es hier zwei fast identische Boulder, die sich nur darin unterscheiden, mit welcher Hand man das Fingerloch nimmt. Mit der linken Hand bist du in einer 6C, mit der rechten Hand greifst du eine 7B an. Merkt es euch.

Dann wäre da noch der Pilier Hagen, in Erinnerung an Jean-François Hagenmuller, den zu früh verstorbenen ENSA-Professor, talentierten Fotografen und elsässischen Bergsteiger. Der gleichnamige Boulder (6C) kann einem wegen der Ausgesetztheit schon einen Schauder über den Rücke jagen.

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Yann Corby

Zu dem ganzen Chaos gehört auch ein kleines, zerklüftetes Felsmassiv mit Rinnen und ästhetisch anmutenden Türmen. Viele davon bieten tolle, leichte Kletterei und können ohne Seil bestiegen werden. Auf einigen Gipfeln gibt es aber Umlenker, so dass Topropes eingerichtet werden können. So kann sich jeder stressfrei an den unterschiedlichsten Schwierigkeitsgraden versuchen.

Auf eurem Weg entlang der Felsen kommt ihr auch an Banzaï (7C) vorbei. Ein Boulder, der seinen Namen nicht umsonst trägt. Der Highball wurde von Pierre Bollinger im Jahr 2000 erstbegangen und von Alexandre Keiling 2019 zum ersten und bisher einzigen Mal wiederholt. Wenn euch die Schwierigkeit und die Höhe abschrecken (durchaus verständlich), dann versucht einfach mal den linken, deutlich niedrigeren Nachbarn Papy volant (6C).

Damit aber nicht genug. Auch im ganz rechten Teil von Vieux Gueb finden sich noch einige attraktive Blöcke mit abwechslungsreichen Boulderproblemen, bevor all diejenigen, die auch Klettergurt, Seil und Exen eingepackt haben und vom Bouldern noch nicht müde genug sind, sich im anschließenden Steinbruch an Routen mit bis zu 25 Metern Länge vollends austoben können.

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Bouldern in Nouveau Gueberschwihr

Das Bouldern in Gueberschwihr erlebte eine regelrechte Renaissance, als die Blöcke von Nouveau Gueberschwihr entdeckt wurden. Die Linien sind hier eindeutiger und das Absprungelände ist angenehmer als im nur wenige hundert Meter entfernten "alten" Teil. Der Sandstein ist auch hier eisenfest und rau. Die Boulder selbst sind sehr abwechslungsreich und mit vom Besten. Hier finden sich Platten, leichte Überhänge, Dächer, Quergänge, Löcher, Leisten, Dynamos und Mantle. Das komplette Bewegungsrepertoire modernen Boulderns wird abgefragt.

Am Pierre d‘Orthaz, nach dem berühmten Granitblock in Chamonix benannt, wird sofort klar, das der Ruf von Gueberschwihr nicht übertrieben ist. Mit seinen Mikro-Griffen braucht sich etwa Pole Position (7A, 7C Sitzstart) vor berühmten Bouldern in Bleau nicht zu verstecken. Am Bloc à traverser mit seiner schönen 6A-Querung geht es deutlich entspannter zu. Am Hip-Hop wartet ein veritabler Dynamo im Grad 6B+, und Feel the Bi (7A) lässt sich auch nicht so einfach abhaken.

Weiter geht es zum Plat de pâtes. Eine 6C-Querung sorgt dafür, dass der Laktatspiegel eurer Muskeln nicht zu weit absinkt, bevor ihr euch am Cimetìere mit seinen Leisten und Löchern und vier Problemen im siebten Grad den Rest geben könnt. Ok, jetzt muss ich mich ein zweites Mal entschuldigen. Hatte ich schon erwähnt, dass die Bewertungen in "New Gueb" ziemlich hart sind? Es hat ziemlich lange gedauert, bis der erste Boulder mit 8A bewertet wurde. Dementsprechend viele harte Brocken finden sich unter den Siebenern wieder. Zu verdanken haben wir diese kleine Misere dem starken Elsässer Kletterer Pierre Bollinger, der Nouveau Gueberschwihr mehr oder weniger im Alleingang erschlossen hat. Die Blöcke waren lange Zeit sein Garten, und wenig von seinem Treiben drang nach außen. Mit dem neuen Führer ist das jetzt anders, die Boulder sind nachvollziehbar und QR-Codes im Buch leiten auf eine Webseite, wo ihr euch die entsprechenden Boulder im Video oder anhand von Fotos anschauen könnt.

Bouldern Elsaß
Yann Corby

Ein hartes Stück zum Schluss

Das absolute Highlight von Gueberschwihr wartet aber etwas im Verborgenen. Am Fuße des Abhangs liegt der "geheime Garten", der Sektor Jardin secret. Der größte Block hier war so zwischen kleineren Felsbrocken angeklemmt, dass sein Sockel mit Gewalt (Dynamit) freigeräumt werden musste. Das Ergebnis ist majestätisch. Hier finden sich jetzt die höchsten Boulder im Elsass. Und just an diesem Block eröffnete Pierre im Oktober 2018 mit Hartmann die erste 8B im Elsass – eine Kombination aus La Griffe (8A/A+) gefolgt von Lévitation (7C+). Jetzt kommt vielleicht manch einer auf den Gedanken: In Nouveau Gueberschwihr gibt es für mich nichts zu holen. Weit gefehlt! Zwar gibt es hier nicht ganz so viele leichtere Boulder wie im alten Teil, die Auswahl von 4 bis 6A reicht aber dennoch für viele ausgefüllte Bouldertage.

Doch genug gebouldert jetzt. Lasst den Tag ausklingen im Straßencafé des malerischen Örtchens Gueberschwihr mit seiner gepflasterten Hauptstraße. Oder in einem der gemütlichen Weinlokale und Restaurants bei einem Flammkuchen und einem Glas Wein. Auch das gehört zum Bouldern im Elsass.

Topoführer Bouldern im Elsass

Bouldern Elsaß
Yann Corby

Das Autorentrio Didier Amet, Yann Corby und David Hollinger hatte einiges zu tun, bis die Infos zu insgesamt 15 Bouldergebieten und rund 1000 Boulderproblemen beisammen waren – ohne die Mithilfe zahlreicher Locals ein hoffnungsloses Unterfangen. Auch, weil die größten Gebiete, Nouveau und Vieux Gueberschwihr, noch nie in einem Führer erfasst wurden. Neben diesem Topgebiet im Süden umfasst der Führer die Bouldermöglichkeiten bei Saverne wie die Laurenzo Boulderfelsen oder Hultehouse sowie die Gebiete in den Nordvogesen bei Lembach nahe der deutschen Grenze. Zu allen Blöcken gibt es Fototopos, Lagepläne und Zugangsbeschreibungen auf Französisch und Englisch, dazu GPS-Koordinaten der Parkplätze und teilweise auch einzelner Blöcke.