Bouldertraining - die Tipps und Tricks der Profis

Besser Klettern durch Bouldern
Bouldertraining - die Tipps und Tricks der Profis

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Zuletzt aktualisiert am 16.01.2012

Abgefahrene Dynamos, kitzelige Platten oder brutale Mantles: Wer im Wettkampf bouldert, muss sehr viel draufhaben. Das geht natürlich nicht ohne ständiges Üben und Trainieren. Uns hat interessiert, wie die Trainingsgewohnheiten der besten deutschen Wettkampfboulderer und ihrer internationalen Kollegen aussehen. Auch weil wir wissen wollten, ob und was "Otto Normalboulderer" davon lernen kann.

Wer richtig gut bouldern und vorne mitspielen will, nutzt alle Trainingsmöglichkeiten. Auf den nächsten Seiten findet ihr die wichtigsten "Geräte" der Boulderer, wobei das eigentliche Bouldern im Boulderraum, in der Kletterhalle oder Boulderhalle bei fast allen Befragten an erster Stelle steht. Klar: Nichts trainiert das komplexe Zusammenspiel der Muskeln – und beim Bouldern sind sehr viele beteiligt –, die Auffassungsgabe und das Gefühl für schwere Züge so gut wie das Bouldern selbst. Dazu kommt, dass hartes Bouldern technisch äußerst anspruchsvoll sein kann und man die Techniken wie Hooks, Sprünge, Dynamik – am besten an der Boulderwand lernt. Aber auch Kraftausdauer trainieren die Profis bevorzugt an der Wand: 4 mal 4 Boulderzirkel, Kreiseln, Boulder spulen sind dabei die Mittel der Wahl.

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Frederik Fiedler / Aric Merz

Über das reine Bouldern hinaus machen viele noch ein isoliertes Krafttraining. Teilweise wird auch das an der Kletterwand absolviert, zum Beispiel durch Systemboulder oder Systemwand-Training. Daneben sind auch das Campusboard, Griffbrett und die Klimmzugstange sowie andere Fitnessgeräte im Einsatz. Offenbar gibt es hier keinen Königsweg: Die einen bouldern fast nur und machen kaum Zusatztraining. Der Boulder-Weltmeister Dmitry Sharafutdinov aus Russland trainiert dagegen fast nur am Griffbrett und der Stange. Auch wenn am liebsten alle bouldern: Man kann sich die nötige Kraft offenbar auch woanders holen.

Was ist wichtig beim Bouldertraining?

Einen wichtigen Aspekt beim Training betonen aber mehrere der Befragten: Abwechslung. Und das gilt nicht nur für die Übungen innerhalb einer Trainingseinheit. Auch draußen Bouldern für mehr Präzision oder mal die Trainingswand wechseln – all das bringt einen weiter.

Generell folgen alle Wettkämpf-Boulderer einer gewissen Periodisierung ihres Trainings (mindestens: Aufbauphase / Wettkampfphase / Ruhephase), die sich nach den wichtigsten Wettkämpfen eines Jahres, manchmal auch nach geplanten Bouldertrips richtet. Bei der Planung im Detail gibt es alles von ungeplant und dem Bauchgefühl gehorchend bis zu sauber durchgeplant und konsequent verfolgt wie beim russische Weltmeister.

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Archiv Retschy

Wettkampfkletterer sind erfahrene Sportler, viele stellen ihre Trainingspläne selbst auf. Trainer, die es auf diesem Level durchaus gibt, spielen eher eine beratende und korrigierende Rolle. Training unter direkter Aufsicht eines Trainers findet bei den meisten nur gelegentlich statt.

Generell herrscht die Meinung vor, dass es beim Training eher auf die richtigen Übungen als auf den Umfang ankommt. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass auf nationalem und internationalem Wettkampfniveau eh schon ein großer Trainingsaufand betrieben wird.

Die Weltcup-Boulderer trainieren mindestens fünf mal pro Woche und absolvieren dabei ein Pensum von rund 20 bis 30 Stunden. Die heimischen Wettkampfboulderer kommen – bis auf Juliane Wurm – im Durchschnitt auf etwas weniger. 12 bis 20 Stunden pro Woche in drei bis vier Einheiten sind die Regel. Dazu kommen bei fast allen noch andere Sportarten wie Laufen oder Schwimmen. Obwohl viel trainiert wird, glauben alle, dass sie sich noch verbessern können – nicht anders als "Otto Normalboulderer". Meist nennen die Profis eine bessere Trainerbetreuung als eine Möglichkeit dazu.

Neben der phyischen Seite – der konditionellen Fitness – wird vor allem die Motivation, der Spaß beim Bouldern und beim Training als wichtiger Erfolgsfaktor angesehen. Entsprechend ist das Bouldern mit anderen die beliebteste Trainingsform. Da dürfen dann gerne auch richtig starke Kollegen und Kolleginnen dabei sein, denn von anderen zu lernen uns sich gegenseitig zu Höchstleistungen zu pushen gilt als sehr wichtig. Ebenso wie das Arbeiten an den eigenen Schwächen.

Schließlich darf nicht vergessen werden, dass der Körper auch Zeit braucht, sich zu erholen und anzupassen, sonst drohen irgendwann Verletzungen. Deshalb gehört das Schlusswort Julia Winter: "Nach einem guten Training folgt eine große Pause."

Auf der nächsten Seite: Wissenswertes zum Training an der Klimmzugstange

Training an der Klimmzugstange

Training an der Klimmzugstange für Kletterer

Das Kleingedruckte zur Klimmzugstange: Übungen an der Stange möglichst kontrolliert ausführen, nicht mit Schwung arbeiten. Die Schultern sollten nicht komplett ausgehängt werden, man sollte darauf achten, dass sie nicht die Ohren berühren. Wer an Rückenproblemen leidet, sollte vor Trainingsbeginn einen Sportarzt oder Physiotherapeuten konsultieren.

Aufbau:
• runde Holz- oder Eisenstange
• Entlastung möglich durch Auflegen der Beine auf Stuhl oder ähnliches (oder durch Deuserband)

Besonders gut fürs Training der:
• Arm- und Schultermuskulatur
• Rumpfkraft (Körperspannung)

Mögliche Übungen:
• Klimmzüge beidarmig: mit Händen normal entfernt, weit auseinander oder nah beieinander; mit Zusatzgewicht; mit Entlastung; mit seitlicher Verschiebung (hoch, nach rechts, nach links, wieder runter und umgekehrt)
• Bauch-Aufzüge: Beidarmig hängend die Knie zur Brust holen und wieder absenken (möglichst kontrolliert)
• Klimmzüge einarmig: mit Entlastung; Vorstufe: langsames einarmiges Ablassen
• Blockieren: mit beiden Armen oder einarmig in unterschiedlichen Haltewinkeln; mit Entlastung; mit Zusatzgewicht
• Hangwaage: gestreckt; Vorstufe: mit einem oder beiden Beinen gebeugt; vorlings oder rücklings; mit Entlastung

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Ralph Stöhr

Training am Griffbrett

Übungen für Kletterer am Griffbrett, auch bekannt als Hangboard

Das Kleingedruckte zum Griffbrett: Übungen am Griffbrett gehen auf die Finger. Das Training am Griffbrett sollte man daher nicht betreiben, bevor man die Finger an regelmäßige Belastung gewöhnt hat. Intensität vorsichtig steigern. Auch hier sollten die Schultern nicht komplett ausgehängt werden. Aufgestellte Finger bergen ein Verletzungsrisiko – nur für Profis!

Aufbau:
• Holz- oder Kunstharzboard mit unterschiedlichen Griffformen und -größen
• Entlastung mit Tritten unterhalb möglich, oder aber (in Privaträumen meist über der Tür angebracht) mit Stuhl oder Deuserband;
• wird von vielen Herstellern angeboten

Besonders gut für Training der:
• Fingerkraft und Unterarmmuskulatur
• Arm- und Schultermuskulatur
• Rumpfkraft (Körperspannung)

Mögliche Übungen:
• Klimmzüge und Blockierübungen wie an der Stange, aber an Griffen (große Leiste, kleine Leiste, Sloper; Variation der eingesetzten Finger; Finger aufgestellt, Finger hängend)
• Hängeübungen: Hängen an verschiedenen Griffen, mit Zusatzgewicht, mit Entlastung
• Uneven pullups: Klimmzüge, bei denen die Hände in unterschiedlicher Höhe greifen

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Ralph Stöhr

Training am Campusboard

Training am Campusboard für Kletterer

Das Kleingedruckte zum Campusboard: Übungen am Campusboard ohne Entlastung bergen ein Verletzungsrisiko für Schultern, Ellbogen und Finger. Das Training am Campusboard sollte man daher nicht betreiben, bevor sich mit Klimmzügen und Hänge-Übungen an den größten verfügbaren Leisten an die Belastung gewöhnt hat. Intensität vorsichtig steigern. Aufpassen: Beim dynamischen Hangeln nicht "in die Schulter fallen"! Kreuzzüge und aufgestellte Finger am Campusboard bergen hohes Verletzungsrisiko – nur für trainingserfahrene Kletterer!

Aufbau:
• etwa 15 Grad überhängendes Brett mit horizontalen Hartholzleisten (verschiedener Breite und Rundung) in 15 Zentimeter Abstand
• Abstand der Brettunterkante zum Boden rund 1,5 Meter; ggf. mit Tritten zur Entlastung

Besonders gut für Training der:
• Fingermuskulatur
• Arm- und Schultermuskulatur
• Rumpfkraft (Körperspannung)
• Koordination

Mögliche Übungen:
• Klimmzüge, Hänge- und Blockierübungen wie am Griffbrett, mit versetzten Händen
• Hangeln: aufwärts, abwärts; mit Entlastung, mit Zusatzgewicht; an unterschiedlichen Leistenbreiten und -formen; mit unterschiedlichen Griffabständen; schräg hangeln; mit Kreuzzügen
• Dynamische Übungen: ein- und beidarmig dynamisch weitergreifen oder abwärts springen; aus Ausgangsstellung beidarmig umgreifen, eine Hand höher, eine tiefer

KL-Bouldertraining-Campusboard-Training-Kstermeyer171 (jpg) Klettertraining am Campusboard Sarah
Ralph Stöhr

Training an der Systemwand

Training an der Systemwand für Kletterer

Das Kleingedruckte zur Systemwand: Übungen an der Systemwand sollten kontrolliert ausgeführt werden, nicht mit Schwung.


Aufbau:

• In der Neigung verstellbare Wand mit Schraubraster für Griffe
• ausgestattet mit Systemwandgriffen: Leiste schmal und breit, Sloper klein und groß, Zangen- und Seitgriffe, Fingerlöcher
• Griffanordnung so, dass mehrere identische Griffe übereinander gezogen werden können
• Variation der Trainingsintensität durch Verstellen der Neigung

Besonders gut fürs Training der:
• Finger-, Arm- und Schultermuskulatur
• Rumpfkraft (Körperspannung)
• Zehenkraft

Mögliche Übungen:
• Halteübung: Halten von Griffen in angezogener Stellung für wenige Sekunden
• Zugübung: mehrmaliges Anziehen an einem Griff bis in die Endstellung
• H.I.T.-Training: klettern (auf und ab) von identischen Zügen, jeweils 20 Züge, dann Erhöhung der Intensität

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Ralph Stöhr

Training an der Boulderwand

Training an der Boulderwand für Kletterer

Das Kleingedruckte zur Boulderwand: Wer bouldert, nähert sich idealerweise den Grenzen seiner persönlichen Kletterfähigkeit, was Kraft, Koordination oder Psyche angeht. Deshalb trainiert das Bouldern ebenjene Faktoren und bringt in diesen Bereichen eine höhere Belastung für den Körper mit sich.//


Aufbau:

• Verschieden stark überhängende Wände bis maximal 4,5 Meter Höhe
• Idealerweise viele "Geländeübergänge": Dachkanten, senkrechte Kanten, seichte Verschneidungen, aber auch genug plane Flächen
• je nach Betreiber oder Besitzer farbcodierte Boulder oder unregelmäßig angebrachte Griffe und Tritte, an denen die Boulder selbst definiert werden können und müssen
• Absicherung mit Bouldermatten

Besonders gut für Training der:
• Fingermuskulatur
• Arm- und Schultermuskulatur
• Rumpfkraft (Körperspannung)
• Beinmuskulatur
• Koordination
• Technik

Mögliche Übungen:
• freies Bouldern: selbst- oder fremddefinierte Probleme lösen; Bouldern bis zur eigenen Leistungsgrenze
• Bouldern mit Zusatzaufgaben: Probleme ansagen; Technikübungen (zum Beispiel eingedreht, frontal, dynmisch); Körperspannungsübungen; Systemboulder mit definierten Griffarten (zum Beispiel Sloper-, Leisten-, Fingerloch-, Zangengriff-Boulder) und definierten Wiederholungszahlen
• Bouldern für die Kraftausdauer: 4 x 4 Boulderzirkel (4 Boulder, 4 Serien, dazwischen unvollständige Pause); Boulderkreisel (30 bis 50 Züge, leicht anstrengend); Boulder verbinden mit Erholen an gutem Ruhepunkt; Boulder spulen (6 bis 10 Boulder, schwer bis sehr schwer, unvollständige Pause zwischen den Bouldern)
• Bouldern unter Stress: Simulation von Wettkampfbedingungen (zum Beispiel durch Zeitdruck, Anzahl der Versuche begrenzen, Ablenkung durch Musik)

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Ralph Stöhr

Die verschiedenen Arten des Trainings

Fast egal, an welchem Trainingsgerät ihr unterwegs seid: Es gibt immer ganz unterschiedliche Methoden, dieses zu nutzen. Die Steuerung des Trainings geht dabei über die Intensität, die Zahl der Wiederholungen einzelner Übungen und wie viele Serien solcher Übungen ihr macht. Außerdem natürlich über die Dauer der Pausen zwischen den Wiederholungen und zwischen den Serien. Aufbau- und IK-Training dienen primär der Verbesserung der Maximal- und Schnellkraft.

Je intensiver das Training war, desto länger braucht der Körper zur Erholung (bis zu drei Tage bei sehr maximalkräftigem Training).

In der folgenden Tabelle gibt es den Überblick über die verschiedenen Trainings-Schwerpunkte (wie Ausdauer oder Maximalkraft) und die passenden Angaben, mit welchen Wiederholungs- und Pausenraten man welches Ziel optimal verfolgt.

KL Bouldertraining - Arten des Trainings
Redaktion klettern