Estergebirge: So kommt ihr hin
Fast stündlich verkehren Züge von München nach Mittenwald, je nach gewünschtem Startpunkt in Eschenlohe, Farchant oder Garmisch-Partenkirchen aussteigen. Für Bequem-Starter gibt’s die Wankbahn (Mai bis Okt., 8.45 bis 16.30 Uhr/letzte Bergfahrt 17 Uhr, zugspitze.de). Wer in Krün startet (Busverbindung/RVO- Linie 9608 vom Bahnhof Mittenwald), kann sich einen Batzen Höhenmeter durch den »Almbus« sparen. Fahrplan und Anmeldung: Tel. 08823/1201, kriner.info
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Alpenvereinskarte 1:25 000, Blatt BY-9, »Estergebirge, Herzogstand, Wank«. Preis: 9,80 Euro
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Die offiziellen Websites sind zugspitz-region.de und zugspitzland.de
Beste Reisezeit
Frühjahr bis Herbst. Die schönste Blütezeit erlebt man im Juni, bevor das Vieh auf die Hochweiden getrieben wird.
Drei einsame Wanderungen im Estergebirge

1. Wank – Weilheimer Hütte – Krün
23 Kilometer, 9 Stunden; 782 Höhenmeter (hinauf) 1680 hm (hinab), mittel
Von der Bergstation der Wankbahn (1774 m) östlich über den Rücken und links eine Skipistentrasse hinab zur Esterbergalm (1264 m) oder vom Aussichtspunkt am Roßwank auf Weg Nr. 412 durch Wald zum Kaltwassergraben, der zur Esterbergalm leitet. Von dort an der Farchanter Alm vorbei bis links der Weg Nr. 464 abgabelt. In steilen Serpentinen zur Weilheimer Hütte am Krottenkopfsattel (4 Stunden) Alternative: Wer nicht weiter nach Krün will, nimmt als Rückweg die aussichtsreiche Kammroute über den Bischofsattel. Weniger ermüdend und abwechslungsreicher gibt sich der Hüttlsteig zur Mittelstation. Von der Weilheimer Hütte (eventuell Übernachtung) dem Hangpfad unterm Kamm entlang bis zur Hohen Kisten, (1922 m). Vom Gipfel auf den Hangpfad, ostwärts zu einem Jagdhaus und westwärts zum Oberen Michelfeld queren. Südlich über das Karstplateau zum Angerlboden, weiter auf dem Krüner Steig zur Lochtalalm und in einer Querung durch den waldigen Hang des Klaffen zur Krüner Alm (1621 m). Nach einem kurzen Steilstück beginnt ein Fahrweg, von dem, bevor er zum Wildbädermoos ansteigt, rechts der Wanderweg abgeht. Auf der Forststraße im Finztal talaus nach Krün, aber den Abzweig rechts in die sehenswerte Finzbachklamm nicht verpassen.
2. Auf die Hohe Kisten
16 Kilometer, 7 Stunden, 1250 hm, mittel
Vom Parkplatz am Waldrand oberhalb von Eschenlohe dem Wegweiser Krottenkopf zunächst auf einer Forststraße, dann auf dem Hahnbichlsteig. Der Pfad verlangt Trittsicherheit. In Kehren zur Pustertal-Jagdhütte. Von dort durch Schrofen auf den Kamm und den Wallgauer Steig. Auf diesem rechts durch die Südseite der Hohen Kiste, bis der steile Gipfelpfad abzweigt. Auf gleicher Route zurück zur Wegverzweigung unterhalb des Brünnl und rechts über die bequemere Forstpiste nach Eschenlohe. Zuletzt ein Abstecher in die Asamklamm!
3. Kuhfluchtfälle
5 Kilometer, 2 Stunden, 270 hm, leicht
In Farchant in die Bahnhofstrasse einbiegen. Nach Überquerung der Loisach gibt es drei Möglichkeiten: links zum Parkplatz am Sportzentrum, geradeaus zum Parkplatz Mühldörfl, rechts zum Parkplatz am Warmfreibad. Die beiden letzteren Wege führen über einen breiten Walderlebnispfad in den Kuhfluchtgraben zu den unteren Wasserfällen (30 Min.). Dort über die Brücke und auf steilem Steig bergwärts. Bei einer Linkskurve folgt man nicht dem roten Pfeil, sondern immer dem Pfad am Schluchtrand entlang zu einem Aussichtspunkt mit Blick auf die wasserspeiende Felswand, bis dorthin 40 Minuten.
Unterkünfte, Hütten & Restaurants im Estergebirge
- Preisgekrönt: Bereits in 7. Generation wird der Gasthof »Zur Brücke« in Eschenlohe geführt. Lokale Produkte kommen auf den Teller. Mit Liebe zubereitet, was dem Traditionshaus an der Loisachbrücke regelmäßig Gastronomiepreise einbringt. Praktisch, dass auch übernachtet werden kann, DZ ab 30 Euro/Person, Dienstag Ruhetag, zur-bruecke-eschenlohe.de
- Alm-Idyll: Bekannt ist die Esterbergalm für ihren Kaiserschmarrn und die Fleischgerichte aus eigener Schlachtung. Aber Achtung: Dienstag und Mittwoch herrscht Ruhetag. almgasthof-esterberg.de
- Kuchenstation: Mit frisch gebackenen Kuchen verwöhnt die Krüner Alm, die allerdings nur von Mitte Juli bis Ende August bewirtschaftet wird. Weitere Infos unter alpenwelt-karwendel. de/kruener-alm-1
- Mit Zugspitzblick: Der Berggasthof Panorama liegt aussichtsreich nahe der Kirche St. Anton. Zufahrt über die Talstation Wank oder zu Fuß von Partenkirchen. Rechtzeitig buchen! DZ ab 46 Euro/p.P., berggasthof-panorama.de
- Hüttenloge: Die Weilheimer Hütte ist der einzige Stützpunkt im Estergebirge und bietet nur 50 Plätze, deshalb kann sie in der Hochsaison auch mal ausgebucht sein. Bewirtschaftet von Mitte Mai bis Mitte Okt., Tel. 08825/ 2023, Tel. Hütte 0170/2708052, dav-weilheim.de
- Camping: Der einzige Campingplatz am Fuße des Estergebirges befindet sich am Tennsee (Biotop, kein Badesee) bei Krün. Es werden auch Apartments und E-Bikes vermietet, camping-tennsee.de
Weitere Outdoor-Tipps in der Region
- Badespaß: Schwer zu sagen, welcher von den drei Bilderbuch-Moorseen am Südosteck des Estergebirges schöner zum Baden ist: Grubsee, Barmsee oder Geroldsee. Der Grubsee bietet ein Strandbad mit sanitären Einrichtungen, die beiden letzteren Natur pur mit Karwendelblick. Vielleicht am malerischsten und ruhigsten gibt sich der Geroldsee, dessen Besitzer gegen ein kleines Entgelt eine Liegewiese zur Verfügung stellen. Angenehm, dass die Seen nur zu Fuß oder mit dem Rad zugänglich sind. Da es in Gerold kaum Parkmöglichkeiten gibt, nimmt man am besten den Parkplatz am Hotel Barmsee an der B2 zwischen Klais und Krün.
- Bikerbahnhof: Leihfahrräder vom E-Mountainbike bis zum Tourenrad gibt es direkt am Bahnhof von Mittenwald. Michael Lochner und sein Team geben auch Ausflugstipps. bikerbahnhof.com
- Kulturgut: Die Ludwigstraße in Partenkirchen mit ihren lüftlbemalten Häusern strahlt viel Atmosphäre aus und bietet den schönsten Start für den Wank. Über den Pilgerweg zur aussichtsreichen Wallfahrtskirche St. Anton. Von dort dann entweder zur Talstation der Seilbahn oder über die Gamshütte auf den Gipfel.
- Auf jeden Fall: Für mich sind die Kuhflucht fälle Bayerns schönster Wasserfall. Erstaunlich, dass dort selten viel Betrieb herrscht. Je nach Witterung schießen bis zu 1500 Liter Wasser pro Sekunde aus einer Felswand unter dem Hohen Fricken und bieten mit drei Fallstufen ein eindrück liches Schauspiel. In Verbindung mit dem Walderlebnispfad eine abwechslungsreiche Unternehmung auch für Kinder.
- Seenblick: Der Herzogstand muss zwar mit vielen geteilt werden, die Ausschau ist aber unschlagbar: auf den Walchensee und seine magische Karibikfarbe, auf den Kochelsee, den gerne Morgennebel umgarnen, auf den Staffelsee mit seinen Inseln. Wer oben übernachtet, kann auch einsame Stunden am Gipfel erleben.
Estergebirge & Krottenkopf: Reisebericht unserer Autorin Iris Kürschner
"Gut, dass Dieter Hunger bekam!" ... so bogen wir von der A95, die von München nach Garmisch führt, bei Eschenlohe ab. Ein Dorf, in dem mehr Kühe als Autos auf den Straßen zu sehen sind, zumindest abends, wenn das Vieh von der Weide in den Heimatstall getrieben wird. Und das nur 15 Kilometer von Garmisch-Partenkirchen entfernt. Manchmal ist es eben der Zufall, der einen in abgeschiedene Winkel führt. Beim »Brückenwirt« ließen wir uns nieder, weil der Biergarten so charmant direkt an der Loisach liegt. Ein Volltreffer.
Dank der hauseigenen Metzgerei finden sich Traditionsgerichte auf der Speisekarte, die vielerorts schon verschwunden sind. Dieter strahlt, und auch ich bin von meinem fangfrischen Bachsaibling und dem Ziegenkäse auf Salat angetan. Wir »verhocken«, nicht zuletzt wegen der gesprächigen Brückenwirtin. Waltraud Reiter sprüht vor Energie, erzählt und erzählt. Vom Murnau-Werdenfelser Rind, einer autochthonen, also hier entstandenen Urrasse, von der es bayernweit nur mehr an die 3000 Exemplare gebe.
Das Murnau-Werdenfelser Rind sei ein echter Berggänger: robust, genügsam und trittsicher. Auch ihr Lammbraten käme von da oben. Sie meint natürlich die Schafe und zeigt zu den schroffen Flanken hinauf, die vor unserer Nase gerade golden im Abendlicht leuchten. "Das ist das Estergebirge", sagt sie und wir schauen sie verständnislos an. Die Brückenwirtin zuckt mit den Schultern. "So geht’s den meisten." Nur dort, wo Seilbahnen die Randpartien erschließen, am Herzogstand und am Wank, sei was los. "Ansonsten ist das ein verrückt einsames Gebirge", schwärmt sie. "Seht ihr das Gipfelkreuz der Hohen Kisten?" Unser Blick wandert vom Dorf hinauf Richtung Himmel. "Wenn ihr da hoch steigt, wird euch kaum ein Mensch begegnen." Ein Gipfel eben, der keinen berühmten Namen trägt. Feuer und Flamme geworden, stecken wir die Köpfe über der Landkarte zusammen. Zwischen der Walchenseestraße und der A95 eingeklemmt, eine Terra incognita?
Estergebirge: Zwischen Walchensee und Loisachtal

Ostseitig fällt das Estergebirge in eher sanften Geländeformen ins Obernachtal gen Walchensee und Krün ab, auf seiner Westseite zeigt es sich zwischen Eschenlohe und Farchant als unüberwindbare Mauer, die bis zu 1300 Meter ins Loisachtal abbricht. Ein Karstbollwerk, dessen Schönheit sich erst dem offenbart, der sich hinauf wagt. Und genau das wollen wir zwei Wochen später auch tun. Doch wo einsteigen? Der Wald verbirgt canyonartige Einschnitte wie die Finzbachklamm bei Krün, die Asamklamm bei Eschenlohe oder den Kuhfluchtgraben bei Farchant. Durch diese wilden Bachschluchten gelangt man am urigsten ins Estergebirge. Doch den leichtesten Einstieg bietet der Wank.
Per Seilbahn von Partenkirchen aus erreichbar, steht man hier gleich mitten im Panorama. Das Wettersteinmassiv, die Zugspitze, die Ammergauer Alpen reihen sich am Horizont auf. Ein wunderbares Entrée für unsere zweitägige Überschreitung, die erst einmal mit einem Abstieg beginnt. Hinunter zur Esterbergalm, dem einzigen ganzjährig bewohnten Ort im Estergebirge. Heidi, die Tochter im Familienbetrieb, serviert uns den besten Kaiserschmarrn, den wir bisher in Bayern aßen. Während die meisten Wanderer in einer Runde zum Wank zurückkehren, biegen wir in den Pfad durch die gegenüberliegende Flanke ein, die sich zum 1940 Meter hohen Fricken aufsteilt. Die Sonne zieht schräge Streifen über den Waldboden, silberner Staub tanzt darin. Der harzige Duft, der den Nadelbäumen entströmt,wirkt wie eine Inhalationstherapie, lässt freier atmen. Allmählich stellt sich ein gleichmäßiger Gehrhythmus ein. Plötzlich das Klacken von Steinen.
Einsamkeit unter'm Krottenkropf

Wir schrecken auf. Ein Rudel Gämsen quert den Hang. Ganz in Gedanken, hatten wir gar nicht bemerkt, dass wir bereits über die Baumlinie gestiegen sind. Schuttrinnen ziehen vom Gipfelkamm wie weiße Haare ins Grün der Matten und Latschenfelder. Kalkbrocken in allen Größen, im Laufe der Zeit von der Erosion auf die vor uns liegende Wiesenmulde gewürfelt, als wollte sie für jeden Wanderer eine eigene Sitzbank schaffen. Wir lauschen in die Stille, die den Tönen der Natur Raum gibt. Das sanfte Säuseln des Windes, Vogelgezwitscher, aus dem das Trillern eines Zaunkönigs heraussticht. Weit kann es nicht mehr sein, eine Materialseilbahn kündet das Etappenziel an. Im ganzen Estergebirge gibt es nur eine Hütte. Vielleicht ist es auch deshalb so einsam. Seit 16 Jahren bewirtschaftet Christian Weiermann die Weilheimer Hütte, die knapp unterhalb des Krottenkopfes steht und deshalb auch den Beinamen Krottenkopfhütte trägt.
Wenn keine Gästekommen, klemmt Christian gerne hinter der Kamera. Einen besseren Standpunkt könne er sich nicht wünschen, schwärmt der Hüttenwirt und Fotograf. Nichts verstellt die Sicht am Gipfeldach des Estergebirges. Zugspitze und Wettersteinwände, die Zacken des Karwendels, Zahmer und Wilder Kaiser, der charakteristische Doppelgipfel des Guffert, die Ammergauer Alpen, aus denen der Geiselstein seinen Zeigefinger streckt, und hinterm Riegel von Heimgarten und Herzogstand das seenreiche Flachland, aus dem in der Dämmerung das Lichtermeer Münchens glitzert. Mit 2086 Metern Höhe darf sich der Krottenkopf auch als höchster Berg der bayerischen Voralpen rühmen. Aber die langen Zustiege hielten, laut Hüttenwirt, das Gros wohl fern. Auch die Tiere scheinen das zu genießen. Nicht weit von der Hütte äsen Gämsen ganz ohne Scheu, glucksen Schneehühner, als hätten sie einen Schluckauf.
Idylle auf der Weilheimer Hütte im Estergebirge

Wie ein Amphitheater bettet sich nordöstlich zu Füßen eine weite Karstwanne, durch die einsame Steigeschleichen. Ein artenreiches Refugium, das 1958 fast ein Artillerie-Schießplatz geworden wäre, erfahren wir von Christian. Gottlob scheiterte auch das Projekt von 1974, den Gipfel der Hohen Kisten mit einer Groß- kabinenbahn und den Kessel für einen Skizirkus zu erschließen. Möge die Macht der Sage vom Wildsee am Wallgauer Steig stark genug sein, aus dessen Tiefen sich bei mutwilliger Ruhestörung ein »abscheuliches Grollen« erheben soll. Weitaus verzweigter als das oberirdische Wegenetz sei das Höhlensystem, meint Christian.
Von Einsiedl am Walchensee unter Krottenkopf und Weilheimer Hütte hindurch bis zum Kuhfluchtgraben beim Dorf Farchant erstreckt sich ein unterirdisches Labyrinth. Besonders nach starkem Regen bieten die Kuhfluchtfälle ein Schauspiel, wenn der Fels das Wasser wie Fontänen ausspuckt, schwärmt Christian. Dass er oben an seiner Hütte eine Quelle habe, sei einer wasserundurchlässigen Kössener Schicht zu verdanken, die sich in den Falten des Plattenkalks erhalten konnte. Mit gerade mal fünf Gästen teilen wir die Hütte. Christian serviert dampfenden Milchkaffee auf der Terrasse. Entspanntes Frühstücken in der wärmenden Morgensonne.
Man will gar nicht aufbrechen. Heranziehende Wolken geben aber dann doch den Ausschlag. Noch einen schaudernden Tiefblick ins Loisachtal vom Oberen Rißkopf gleich hinter der Hütte mitnehmen, bevor wir unter dem Kamm entlang zur Hohen Kisten queren. Den kantigen Eckpfeiler kürt eine Nebelhaube schneller als gedacht, und wir weichen ins Obere Michelfeld aus. Wie eine Kraterlandschaft, nur grün. Weil Kalkgestein leicht erodiert, bilden sich Dolinen, das heißt Einsturzlöcher, die als schlot- oder trichterförmige Senken dem Hochplateau Buckel verleihen. Manche sind mit Wasser oder Schnee gefüllt. Immer wieder sieht man auch bizarre Karrenrinnen – als würde Knochengerippe herumliegen. Latschengassen bilden ein Labyrinth. Ohne die farbigen Punkte würde man nicht zum Krüner Steig finden.
Dieser leitet durch eine Passage Urwald zur Krüner Alm, die Ende Juni noch verlassen daliegt. Schade um den gerühmten Kuchen, doch das Blumenmeer zeigt sich um so schöner, bevor das Vieh herauf getrieben wird. Der Blick gleitet zum Wank, hinter dem sich die Zugspitze eindrucksvoll aufbaut. Eigentlich unglaublich, seit wir von der Weilheimer Hütte aufbrachen, ist uns kein Wanderer begegnet. Man fühlt sich fernab der Welt, und das nur ein paar Kilometer Luftlinie von der Tourismusmetropole Garmisch-Partenkirchen entfernt. Zuletzt spuckt uns die Finzbachklamm in die offene Wiesenebene bei Krün aus. Gassigeher pfeifen nach ihrem Hund, Autos hupen. Wehmütig blicken wir zurück: auf ein Gebirge, das von außen vielleicht etwas unauffällig wirkt, aber das ist auch gut so.