Korsika Trekking: Ein Erfahrungsbericht

Berge und Meer
Korsika Trekking: Die besten Wanderwege

Zuletzt aktualisiert am 10.03.2022

Korsika erwandern – ein Erfahrungsbericht

Früher Morgen, Aufbruch in Calenzana. Die Rucksäcke wiegen schwer, dorfauswärts führt der Weg, schnell geht es bergauf. Und es liegt etwas in der Luft, ein würziger Duft, intensiv und belebend: die vielbesungene Macchia, sprich Buschwald und Kräuter, verströmt ihr Parfüm. Plötzlich versteht man, warum Napoléon Bonaparte seine Heimat am Geruch erkannte! Und versteht außerdem, warum die Wildschweinsalami so gut schmeckt, dass selbst Vegetarier sich ein paar Ausnahmen gestatten: Erstens ernähren sich die glücklichen Tiere von dieser duftenden Natur, zweitens werden sie mit ihr gewürzt ... Ähnlich wie die Wanderwege entstand auch die Macchia aufgrund der Hirtenkultur, denn Jahrhunderte der Brandrodung führten dazu, dass in vielen Gegenden keine richtigen Wälder mehr wachsen konnten. Doch nicht nur Bergland, Macchia und Wald machen die Magie Korsikas aus – auch Flüsse und Bäche spielen gerade für Wanderer eine Rolle.

Das stellten wir gleich auf der ersten Etappe des MMN fest, unterwegs beim Rasten auf glatten Felsen am unglaublich klaren und erfrischenden Figarella-Bach. Und gleich wieder am Ende der zweiten Etappe, bei der Ankunft in Tuarelli, wo eines der schönsten natürlichen Schwimmbäder überhaupt wartet: Das Becken des Fango-Flusses weitet sich hier, seine Strömung ist kaum spürbar, und nach dem Bad im Wasser entspannt einen das Bad in der Abendsonne noch weiter, auf warmen Steinen am Ufer. Ein Traum! Und dann das Meer. Vorfreude auf die Küste begleitet den Wanderer auf allen korsischen Etappenwegen, mit Ausnahme vom GR 20. Sie enden an Küstenorten, und die drei Ost-West-Routen – der Name »Mare a Mare« verrät es – beginnen auch am Meer. Anführer in Sachen Küstenberührungen ist jedoch der MMN, und weil der Naturstrand in der Bucht von Galéria jedes Bilderbuch übertrifft, legen wir dort unseren Ruhetag mit Schwimmstrecken statt Wandern und mit Roman- statt Kartenstudium ein.

Diese Tour auf dem Mare e Monti Nord ging auch ich bei meinem ersten Wanderurlaub auf Korsika. Und obwohl man die Schönheit der Insel immer wieder neu entdecken kann: Nichts wird jemals den Zauber des ersten Mals wiederbringen können. Weil jedem Anfang ein Zauber innewohnt? Vielleicht. Vielleicht auch, weil wir immer Glück hatten, sogar Glück im Unglück, bei Gewitter und Sintflutregen, was einen manchmal noch glücklicher macht, als wenn alles nach Plan läuft. Unser Trip begann am späten Vormittag mit der Ankunft am Flughafen von Bastia. Klein und übersichtlich ist der, und am Kofferband scheint es, dass mindestens die Hälfte der Ankömmlinge wandern will. Riesenrucksäcke, Schlafsäcke, Trekkingstöcke – kein Vergleich zu Mittelmeerinseln wie Mallorca oder Kreta! Und im Handumdrehen hat man Mitfahrer für die Taxifahrt zum Bahnhof in Casamozza, von wo es per Zug weiter nach Calvi geht. Der Nordwestküstenort liegt bei Calenzana, wo Mare e Monti Nord (MMN) und GR 20 starten.

Am Bahnhof bleibt noch Zeit, Zeit für einen Caféabstecher. Im Fünfertrupp sitzen wir um den runden Plastiktisch. Interessant, wer hier so auf Tour geht! Medizinstudent Manuel ist überzeugter Sologänger, will auf den GR 20 und hat nicht die geringsten Sorgen. Harald dagegen, ebenfalls Novize mit Kurs auf Korsikas berühmtesten und härtesten Wanderweg, hofft, dass er unterwegs Anschluss finden wird. Er wirkt so schmächtig und unerfahren, dass man ihm den deutlich leichteren Mare e Monti ans Herz legen möchte – wenn man Lust auf seine Gesellschaft hätte ... Und dann sitzt da Inga, die wie Mitte 20 aussieht und schon fertige Anästhesistin ist. Ihre Begleitung wird sie in Calvi treffen, wie wir wollen sie den MMN gehen. Allerdings mit Übernachtungen in »Gîtes«, einfachen Etappenlagern, während wir mit Zelt unterwegs sind.

Autofreies Küstenparadies auf der Mittelmeerinsel

Mit viel Auf und Ab geht es am Tag darauf weiter. Auf felsigen Passagen wollen ein paar Mal die Hände eingesetzt werden, und umso überraschter sind wir, als wir eine Gruppe mit einer Frau überholen, die eindeutig die 70 überschritten hat. »Raten Sie mal, wie alt ich bin?!« Bei allem Respekt: Angeberin! Vermutlich hätte sie gerne noch ihren Ausweis gezeigt, um ihre 80 Jahre zu beweisen. Kein Alter sind 80 Jahre nach geologischen Maßstäben: Auf rund 250 Millionen Jahre schätzt man die roten Küstenfelsen im Naturschutzgebiet Scandola, das zum Unesco-Welterbe gehört. Autos sind auf dieser Halbinsel verboten, und auch das Etappenziel Girolata kann nur zu Fuß oder per Boot erreicht werden. 100 Einwohner, zehn Häuser, eine alte genuesische Festung – hier geht es ruhig zu. Am hübschen kleinen Strand kann man auch diesen Wandertag mit einem Bad im Meer beenden. Später dann, wenn es dunkel ist, legt man sich auf dem hölzernen Bootssteg auf den Rücken, bestaunt die Sterne, genießt die Stille.

Ajaccio, knapp eine Woche später, letzter Korsika-Urlaubstag. Die Sonne scheint, wir stehen glücklich und erholt an einer Supermarktkasse, denn korsischer Kaffee und Kastanienkekse sollen mit nach Hause. »Le Monsieur va payer pour vous«, sagt die Kassiererin. Der alte Herr vor uns mit dem Rieseneinkauf will unsere Sachen zahlen? Aber nein, das geht doch nicht! Er lächelt freundlich. Sagt, dass er zwei Enkelinnen habe, die aber noch viel, viel kleiner seien als wir. Zahlt alles. Geht.

Korsika
Manuel Sulzer

Die schönsten Wandertouren im Überblick

GR20, 180 km, 15-16 Tage, 10.000 Hm
"Fra li monti" heißt er auf korsisch, zu Deutsch "durch die Berge" – und dieser Name ist Programm, denn die berühmteste Korsika Trekking Tour verläuft als Höhenwanderweg durchs Gebirge in der Inselmitte, überwiegend fernab der Zivilisation. Von Calenzana im Nordwesten führt sie nach Conca im Südosten. Um an ihr seine Freude zu haben, sollte man im Hochgebirgswandern kein Anfänger sein. Der Weg erfordert neben Trittsicherheit und Kondition auch Schwindelfreiheit und die Bereitschaft, seine Hände einzusetzen. Dafür lernt man eine abwechslungsreiche, atemberaubende Gebirgslandschaft kennen. Übernachtet wird in den Selbstversorgerhütten des Parque Naturel Régional de Corse, und da der Weg extrem beliebt ist, empfiehlt es sich zu reservieren – mehr Infos:

Empfohlener redaktioneller Inhalt

MARE E MONTI Nord, 127 km, 10 Tage, ca. 6300 Hm

Der Mare e Monti nord startet wie sein großer Bruder GR20 in Calenzana. In 10-11 Tagen umwandert man dabei die höchsten Berge der Insel – besonders im Frühling ein Genuss! Denn dann glänzt auf den 2000ern der Korsischen Alpen noch der Schnee. Den Höhepunkt der Wanderung bildet die Spelunka-Schlucht westlich des Küstenortes Porto. Weitere Highlights der nördlichsten Inselquerung: das unberührte Flusstal des Tavignano, die ehemalige Inselhauptstadt Corte mit ihrer berühmten Zitadelle und die Hügel der Castangniccia, auf denen uralte Kastanienbäume wachsen. Ab dem Gebirgsnest Evisa verlaufen die beiden westlichen Etappen zusammen mit dem Mare e Monti nord. Auf diesem kann das Korsika Trekking sowohl in nördlicher als auch in südlicher Richtung erweitert werden. Weitere Infos:

MARE E MONTI SUD, 65 km, 5 Tage, 2650 Hm
Er gilt als leichtester korsischer Fernwanderweg und führt von Porticcio im Südwesten aussichtsreich entlang der Küste nach Burgo. Allerdings besitzt er weniger Bademöglichkeiten als der Mare e Monti Nord. Seine orangefarbenen Markierungen sind auf manchen Etappen rar – gute Vorbereitung mit Karte empfiehlt sich. Es gibt nicht an jedem Etappenziel Gîtes, so dass in ein paar Dörfern in (kleinen) Hotels übernachtet wird. Zu den Highlights der Trekkingtour gehören neben der korsischen Macchialandschaft das Bergdorf Coti Chiavari, das balkonähnlich über dem Meer hängt, und die Bucht von Valincu mit ihrem Badestrand.

MARE A MARE NORD, 130 km, 10 Tage, 6200 Hm
Der Mare a Mare Nord ist die längste der drei Ost-West-Routen über die Insel. Er beginnt in Moriani und endet – wie der Mare e Monti Nord, mit dem er ab dem Bergdorf Evisa die letzten 2,5 Tage gemeinsam verläuft – in Cargèse. Auch wenn dieses Korsika Trekking nicht so hart ist wie der GR 20, erfordert der Mare a Mare Nord gute Kondition: Einige Etappen besitzen mehr als 1000 Höhenmeter. Dafür lernt man neben schattiger Castaniccia (Kastanienwälder) und typisch korsischem Schwarzkiefernwald auch herrlich einsame Bergregionen kennen und kommt dem "Inselgipfel" Monte Cinto (2706 m) ganz nah. Höchster Punkt der Korsika Trekkingtour selbst ist mit 1592 m die Bocca a l‘Arinella.

MARE A MARE CENTRE, 85 km, 7 Tage, 3850 Hm
Von der Pont de l‘Abatescu, einer Brücke 4,5 km südlich des Dorfes Ghisonaccia an der Ostküste, führt dieser Weg nach Porticchio am Golf von Ajaccio. Der Mare a Mare Centre ist kürzer und weniger anstrengend als der Mare a Mare Nord, beschert Wanderern aber trotzdem drei Tage Bergnatur im Herz der Insel. Am Col de Laparo (1525 m), dem höchsten Punkt der Tour, kreuzt der Weg den GR 20.

MARE A MARE SUD, 70 km, 5 Tage, 3225 Hm
Korsikas südlichster Weitwanderweg verbindet Porto-Vecchio an der Ostküste mit Burgo im Südwesten. Obwohl er rund 600 Höhenmeter mehr umfasst als der Mare e Monti Sud, ist er recht einfach. Da es nicht so hoch hinaus geht wie bei den anderen Ost-West-Querungen und dem GR 20 und man sich zugleich weit von der Küste entfernt, wird es im Sommer extrem heiß – es empfiehlt sich, den Weg im Frühjahr oder Herbst zu gehen. Schöne Waldlandschaften, verträumte Bergdörfer und historisch spannende Orte wie die Bronzezeitsiedlung von Cucuruzu erwarten dich bei dieser Korsika Trekking Route.

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Ben Wiesenfarth

Unterkünfte & Allgemeines über Korsika

Unterkünfte
Auf den meisten Weitwanderwegen gibt es an den Etappenorten einfache Unterkünfte (Gîtes d‘étape) mit Mehrbettzimmern, die sowohl als Selbstversorgerunterkunft wie auch mit Frühstück und häufig sogar Halbpension (meist sehr gute Küche) gebucht werden können. Am GR 20 wird überwiegend in den Berghütten des PNRC (Parque Naturel Régional de Corse) übernachtet. Außerdem kann an den Etappenzielen des GR 20, ebenso wie an denen des Mare e Monti Nord, gezeltet werden. Nur der Mare e Monti Sud erfordert auch ein paar Hotelnächte.

Transport
Korsika verfügt über ein sehr gutes Bussystem, mit dem sich die meisten Start-und Endpunkte der Touren erreichen lassen (Fahrpläne: corsicabus.org). Auch die Taxifahrten, die man gegebenenfalls in Kauf nehmen muss (Mare e Monti Sud, Mare a Mare Sud), kosten nicht die Welt. Zwischen den vier Hauptorten der Insel – Bastia, Ajaccio, Porto-Vecchio und Calvi – verkehrt zudem eine Eisenbahn (ohne Linie zwischen Ajaccio und Porto-Vecchio). Eine Zugfahrt durchs Gebirge, über Corte von Bastia nach Ajaccio, ist ein Erlebnis für sich. Fahrpläne: train-corse.com

Wanderwege
Die korsischen Etappenwanderungen sind alle durchgehend markiert, und die Orientierung fällt nicht schwer. Nur auf dem Mare e Monti Sud lässt die Markierung zum Teil zu wünschen übrig.

Macchia
Vom »Duft der Macchia« hört man oft: Macchia ist dorniger Buschwald und bedeckt über die Hälfte der Insel. Zistrosensträucher und Kräuter wie Rosmarin, Thymian und Lavendel ergeben ein wunderbares Potpourri.

Schweine
Wildschweine, frei herumlaufende Hausschweine, »Mischlinge«: Die Insel ist schweinereich. Und alles, was die Korsen daraus zubereiten, bereichert den Gaumen ...

Karte und Infos
Wanderführer Trans-Korsika: GR 20, Erik van de Perre, Conrad Stein Verlag, 14,90 Euro. Der detaillierte Führer wird regelmäßig aktualisiert. Korsika – Mare e Monti, Mare a Mare, Willi und Kristin Hausmann, Rother Verlag, 14,90 Euro, erscheint voraussichtlich im September 2012. Allgemeine Infos: visit-corsica.com Kontaktadressen für alle Etappenziele: korsika-entdecken.de

Extra-Tipp
Im Hafenort Ajaccio steht das Geburtshaus von Napoléon Bonaparte (museemaisonbonaparte. fr). In der Stadt lässt es sich zudem nett bummeln, ein hübscher Stadtstrand lädt zum Baden ein, und von der Hafenmauer kann man gut Sonnenuntergänge genießen.

Korsika
Manuel Sulzer

Die besten Touren abseits des Mainstreams

Monte Astu (1535 m)

Die Balagne im Nordwesten der Insel gehört eigentlich zu den belebteren Regionen. Ursprünglich und ruhig geht es aber auf der Wanderung vom Dörfchen Lama auf den Monte Astu zu. Vom Gipfel sieht man das Meer ebenso wie die weiter südlich gelegenen höchsten korsischen Berge, den Monte Cinto und den Monte Rotondo. 11,8 km, 5,5 h, 1100 Hm, mittel

Monte San Petrone (1767 m)

Im Osten Korsikas liegt die Castagniccia: Hier prägen Kastanienbäume die hügelige Landschaft mit ihren wenigen kleinen Dörfern. Wie ein König überragt sie der Monte San Petrone. Als Wanderberg, bei dem man nur im obersten Gipfelbereich etwas kraxeln muss, bietet er eine umwerfende Aussicht. Start und Ziel am Col de Prato. 13 km, 5 h, 780 Hm, mittell

Sentier de la Transhumance

Als Geheimtipp unter den korsischen Weitwanderwegen gilt der noch recht neue "Sentier de la Transhumance"  (75 km). In sechs Etappen führt er überwiegend auf alten Hirtenpfaden in die grandiose Bergwelt zwischen Calenzana und Corscia im Nordwesten der Insel. Er wandert sich deutlich müheloser als der legendäre (und überlaufene) GR20:

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