Lage & Charakter
Die Schwäbische Alb ist ein Mittelgebirgszug, der zum größten Teil in Baden-Württemberg liegt. Auf rund 200 Kilometern in der Länge und 200 Kilometern in der Breite erstreckt sich das Gebiet von Donau-eschingen im Südwesten bis nach Ellwangen im Nordosten. Die Traufgänge führen Wanderer rund um Albstadt, gut 80 Kilometer südlich von Stuttgart. Die sieben Wanderwege liegen alle in den Kategorien leicht bis mittelschwer. Bei drei der sieben Touren besteht die Möglichkeit abzukürzen. Beste Jahreszeit: Von April bis Anfang November ist es auf der Alb wunderschön. Aber auch der Winter kann sehr reizvoll sein. Informieren Sie sich vorher über die aktuelle Wetterlage und Schneehöhen und ob die Wege sicher begehbar sind.
Der Alb-Anstieg, den der Dichter Eduard Möricke als "blaue Mauer" bezeichnete, lässt sich bei Nebelwetter nur erahnen. Er war es aber, der den sieben Premiumwanderwegen rund um Albstadt, knapp eine Stunde südlich von Stuttgart gelegen, den Namen verlieh: die Traufgänge. "Der Albtrauf ist der Steilabfall der Schwäbischen Alb", erklärt Heiko. Einen ausführlichen Exkurs über die Feinheiten des Südwestdeutschen Schichtstufenlandes mit den unterschiedlichsten Gesteinsschichten erspart er sich und seiner Frau. Getreu dem Motto: Nicht reden, sondern erleben.
Zollernburg-Panorama
So heißt der erste Traufgang, für den sich Heiko und Susanne entschieden haben. Als sie kurz vor 10 Uhr auf den Parkplatz einbiegen, fängt der Nebel an, sich langsam aufzulösen. Der Vorhang öffnet sich, und das ist gut so, denn auf 15,6 Kilometern wartet ein reich gefülltes Programm: herrliche Ausblicke, raue, sagenumwobene Felsformationen, eine unverwechselbare Naturlandschaft – einfach ausgezeichnete Bedingungen für Wanderer.
Ausgezeichnet, im wahrsten Sinne des Wortes: Denn erst 2010 wurden die Traufgänge vom Wanderinstitut als Premiumwanderwege zertifiziert. Ein Jahr später ergatterte der Traufgang Zollernburg-Panorama bei der Wahl zu Deutschlands schönstem Wanderweg den zweiten Platz. Eine rasante Karriere, aber der Erfolg kommt nicht völlig überraschend, weil die Traufgänge liebevoll geplant und mit viel Gespür für die überwältigende Natur umgesetzt sind. Wanderpublizist Manuel Andrack bezeichnete Albstadt, den Ankerpunkt der Traufgänge, sogar als »Wanderhauptstadt Deutschlands«, weil auf engstem Raum gleich sieben Topwege geschaffen wurden, die sich alle von einem Basislager in der Stadt problemlos erreichen lassen.
Nur wenige hundert Meter vom Parkplatz Stich entfernt beginnt für Heiko und Susanne der Anstieg auf die Albhochfläche. Vom Heiligenberg, der sich allerdings als Berg kaum sichtbar vom Albtrauf abhebt, hat man den ersten Ausblick: auf den Irrenberg, den Hundsrücken und die lichtdurchfluteten Wälder, die so charakteristisch für die Südwestalb sind.
Immer wieder eröffnen Lücken im Wald schöne Aussichten, aber das ist alles nur ein müdes Vorspiel für das, was am Zeller Horn aufgeführt wird. Nach dem Anstieg über einen steilen Pfad auf den Ausläufer des Albtraufs steht großes, atemberaubendes Kino auf dem Spielplan: Über die Zellerhornwiese blickt man auf die Burg Hohenzollern, die der Nebel mittlerweile preisgegeben und die Sonne in warmes Licht getaucht hat – eine märchenhafte und majestätische Erscheinung zugleich. Es ist kaum zu glauben, dass von der Burg, die erstmals 1267 erwähnt wurde, zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur noch eine Ruine übrig war. König Friedrich Wilhelm IV. baute sie wieder auf und verwirklichte sich so seinen Traum. Er schuf eine der imposantesten Burganlagen im neugotischen Stil.
Zollerberg: Der schönste Berg Schwabens

Für viele ist der Zollerberg mit der Burg Hohenzollern der schönste Berg Schwabens. Mit dem Blick auf die vier Türme des Schlosses beginnt automatisch auch die Reise zurück in die Zeit. "Grüß Gott, Herr Kaiser", hört sich Heiko auf einmal sagen und denkt dabei wohl weniger an einen Vertreter einer deutschen Versicherungsgesellschaft als an Wilhelm II., Deutschlands letzten Kaiser. Der stellte fest, dass der "Ausblick von der Burg Hohenzollern wahrlich eine Reise wert ist". Ob er auch mal am Zeller Horn stand? Einer Hoheit würdig ist der Blick auf den Stammsitz des letzten deutschen Kaiserhauses auf jeden Fall. Übrigens: Die Hohenzollern kann täglich besichtigt werden.
Nach dem Ausflug in die Geschichte der deutschen Kaiser- und Königshäuser öffnet sich während der Wanderung entlang dem Trauf das Geschichtsbuch der Geologie. Wie eine tiefe Wunde klaffen die schattigen Schluchten in der Landschaft. Die Steine erzählen nicht von längst vergangenen Tagen, sondern von den vergangenen Jahrmillionen. 2002 wurde die Schwäbische Alb, deren Aufbau vor allem die Gesteine des Juras bestimmen, zum Nationalen Geopark ernannt. Diesen Titel erhalten Regionen mit reichem geologischem Erbe.
"Ich habe schon viele schöne Kirchen gesehen, aber das hier ist unübertroffen", sagt Susanne auf einmal, bleibt stehen und blickt nach oben. Sie steht aber nicht im Mittelschiff einer barocken Kirche, sondern in einer Kathedrale aus Buchen – die Natur wirkt hier als Baumeister. Mit ihren lichtdurchfluteten Kronen schaffen die alten Bäume gewaltige Hallen aus Laub. Auf dem Boden kann man beobachten, wie sich die Wurzeln im Stein festkrallen – ein starkes Bild und eine großartige Stolperfalle.
Ein wenig aufpassen muss man auch beim folgenden Aussichtspunkt, dem Hangenden Stein. Über eine Stahlbrücke gelangt man zu der einsamen Scholle aus Fels, die sich bereits vom Albtrauf gelöst hat und sich in die Landschaft neigt. Der Blick wandert über den bewaldeten Albtrauf der Zollernalb, während man sich vorkommt wie der Kapitän am Bug eines Felsenschiffs.
Die buschigen Zypressengewächse sind typisch für die Alb, genauso wie die Schäferei. Dass es sich bei den Wacholderheiden um wertvolle Weideflächen handelt, erkennt man leicht. Die Wiesen sehen gepflegt aus – ein Verdienst der wollenen Rasenmäher und Vertikutierer. Ohne die Schafe würde es die Wacholderheiden auf der Alb nicht geben, denn die Natur hätte diese Flächen längst für sich erobert. Die Tiere sorgen dafür, dass die Wiesen nicht verbuschen, und bewahren so auch den Lebensraum seltener Pflanzen, wie zum Beispiel der Silberdistel. Allerdings ist die Hochzeit der Schäferei lange vorbei. Trotzdem, oder gerade deshalb, ist es ein besonderes Erlebnis, die riesigen Wanderherden mit den Landschaftspflegern auf vier Hufen zu beobachten. Wenn man den spielenden Lämmern zusieht, besteht allerdings die Gefahr, die Zeit zu vergessen.
Einen Hinweis auf längst vergangene Zeiten gibt auch der Nachbau eines Kohlemeilers. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde unterhalb des Raichbergs Holzkohle gebrannt. Anlässlich des Schäferfests im Herbst wird hier auch ein echter Kohlemeiler in Brand gesetzt. Acht Tage dauert es, bis dann die Holzkohle geborgen wird.
Susanne und Heiko stärken sich im Nägelehaus, dem Wanderheim des Schwäbischen Albvereins. Auf der Karte stehen schwäbische Spezialitäten – Maultaschen, Käsespätzle, Kartoffelsalat & Co. Ein Genuss. Genauso wie der Ausblick von der Sonnenterrasse über die weite Albhochfläche.
Auf dem verbleibenden Weg zum Parkplatz »Stich« kreuzen die beiden noch durch das Flachmoor des Flusses Schmiecha. Mit ein bisschen Glück und Zeit lassen sich hier seltene Schmetterlingsarten beobachten.
Das Naherholungsgebiet in Süddeutschland
Viele Wanderer bleiben nur für einen Tag auf der Schwäbischen Alb. Verständlich, dient sie doch als Naherholungsgebiet für die Ballungszentren in Süddeutschland, allen voran Stuttgart.
Heiko und Susanne haben sich aber gleich für zwei Nächte im Hotel »In der Breite« in Albstadt eingemietet, damit sie in Ruhe noch zwei weitere Traufgänge, den Schlossfelsenpfad und die Wacholderhöhe, erkunden können. Das junge Wanderparadies rund um Albstadt ist wahrlich majestätisch. Und das wäre es auch ganz ohne die Hohenzollern.
Einkehr & weitere Infos
Unterkünfte: In Albstadt haben Sie die Möglichkeit, in verschiedenen Hotels nahe der Traufgänge unterzukommen. Hier finden Sie Vorschläge, die die Marke »Qualitätsgastgeber Wanderbares Deutschland« tragen:
- Hotel-Restaurant »In der Breite«, Flandenstraße 97, 72458 Albstadt, Tel. 07431/90070, hotel-breite.com
- Hotel »Linde«, Untere Vorstadt 1, 72458 Albstadt, Tel. 07431/134140, hotel-linde.com
- Berghotel »Zollersteighof«, Zollersteighof 2, 72461 Albstadt, Tel. 07432/21840, hotel-restaurant-zollersteighof.de
- Hotel »Post Italia«, Goethestraße 37, 72461 Albstadt, Tel. 07432/97330, post-italia.de
Pauschal: Von Mai bis Oktober 2012 gibt es auf den Traufgängen auch Pauschalangebote. Die Pakete starten ab 76 Euro. Übernachtung mit Halbpension, Lunchpaket und weiteren Extras inklusive. Infos unter www.traufgaenge.de
Informationen zu weiteren Übernachtungsmöglichkeiten stehen im Internet unter traufgaenge.de
Anfahrt: Mit dem Auto: Sie erreichen Albstadt über die A 81 Stuttgart–Singen. Nehmen Sie die Ausfahrt Empfingen, dann über die B 463 in Richtung Balingen.
Mit dem Zug: Sie erreichen den Bahnhof Albstadt-Ebingen bequem über die ICE-Knotenpunkte Stuttgart und Rottweil.
Karte: Die Premiumwanderwege »Traufgänge« sind sehr gut beschildert. Dazu können Sie bei der Touristinformation Albstadt eine gute Broschüre mit Ausschnittskarten erhalten.
Als Überblickskarte eignet sich: Kompass, WK 781, Naturpark Obere Donau, 1:50000, 7,95 Euro.
Information: Touristinformation Albstadt, Marktstraße 35, 72458 Albstadt, Tel. 07431 / 1601204, E-Mail: touristinformation@albstadt.de. Unter www.traufgaenge.de finden Sie auch aktuelle Sperrungen.
outdoor-Tipp: Einige Gaststätten an den Traufgängen bieten in der Wandersaison spezielles Traufgänger-Bier a