Ein Aussichtspunkt jagt den nächsten bei Wanderungen durch die Grasbergwelt des Allgäus. Auf Grat- und Kammwegen überblicken Wanderer die Schönheit der grasbewachsenen Berge an der Grenze zu Tirol. Die Gipfel und ihre Verbindungswege muten zwar oft einfach an, doch unterschätzen sollte man sie nicht. In den Allgäuer Hochalpen finden sich einige sehr anspruchsvolle Grattouren. Auch Klettersteige führen durch die abwechslungsreiche Bergwelt. Doch es gibt auch einfachere Gratwege, Lifte verkürzen einige Wanderungen und Hütten laden zur Einkehr ein.

Nagelfluhkette
16 Gipfel, 41 km und fast 3000 Höhenmeter in drei Tagen: Wer die Allgäuer Gipfelwelt intensiv erleben möchte, sollte mehrere Tage durch den Naturpark Nagelfluhkette wandern. Die ausgesetzten Grate sind dabei nicht zu unterschätzen. Start ist an der Talstation der Imbergbahn. Auf dem Kamm zum Kojenstein (1300 m) wird es das erste Mal luftig. Danach geht es hoch zum Hochhädrich (1565 m) und über die mächtigste, längste und höchste Kette der Allgäuer Voralpen westlich der Iller. Am Hochgrat ist mit 1834 m Seehöhe der höchste Gipfel erreicht. Hier beginnt außerdem der Premiumwanderweg „Luftiger Grat“. Auch auf dieser zehn Kilometer langen Tagestour bekommt man Ausblicke nach Vorarlberg, in die Allgäuer Alpen, zum Bodensee und dem Säntismassiv in der Schweiz geboten. Die Mehrtagestour verläuft noch weiter – teilweise drahtversichert – am Grat entlang bis nach Immenstadt. Übernachtet wird in den drei Tagen auf der Falkenhütte und der Alpe Gund oder der Alpe Mittelberg.
Söllereck
Eine 12 Kilometer lange Wanderung vom Söllereck zur Kanzelwand gilt als eine der schönsten Gratwanderungen im Allgäu. Dabei müssen gut 1000 Höhenmeter bergauf und 400 hm bergab überwunden werden. Zuerst geht es gemütlich mit der Söllereckbahn auf 1400 m Seehöhe. An der Söller Alpe kann man sich noch einmal stärken, bevor Serpentinen hoch zum Grat führen. Auf der einen Seite schweift der Blick über die Allgäuer Hochalpen, auf der anderen über Vorarlberg in Österreich. Bis zum Fellhorngipfel auf 2038 m steigt der Weg stetig bergauf. Wer will, kann die Wanderung hier mit einer Gondelfahrt ins Stillachtal beenden. Ansonsten führt der Weg bergab und nach rund vier Stunden ist die Kanzelwand erreicht. Die Gondel bringt die Wanderer nach Riezlern im Kleinwalsertal und der Bus zurück zur Söllereckbahn.

Hindelanger Klettersteig
Er zählt zu den Klassikern unter den Klettersteigen in den Alpen: Der Hindelanger Klettersteig am Nebelhorn. Obwohl er technisch als mittelschwer (C) eingestuft wird, ist er aufgrund seiner Länge von vier Kilometern recht anspruchsvoll. Rund vier Stunden benötigt man für die vielen Türme und Leitern. Am Großen Daumen (2280 m) darf dann die Aussicht bis zur Zugspitze und dem Bodensee ausgiebig genossen werden. Für den zwei Stunden langen Abstieg über den Kobalt-Höhenweg sollten noch ein paar Energiereserven übrig sein, bevor es mit der Nebelhornbahn wieder hinab nach Oberstdorf geht.

Heilbronner Weg
Schroff, ausgesetzt und teils drahtseilversichert ist auch der Heilbronner Weg. Schon seit dem Jahr 1899 führt er über den Grat des zentralen Allgäuer Hauptkamms und einige der höchsten Berge der Allgäuer Alpen, wie den Bockkarkopf (2608 m) und den Steinschartenkopf (2615 m) – immer oberhalb von 2400 m Seehöhe. Mit seinen fantastischen Ausblicken gilt er als einer der schönsten und beliebtesten Höhenwege in den Alpen. Nur mit bergsteigerischem Können sollte man sich in dieses hochalpine Gelände wagen, in dem auch noch im Sommer Altschneefelder liegen. Dann wird die Tour zu einem bergsteigerischen Highlight. Wer will, kann auch noch das Hohe Licht (2651 m) und die Mädelegabel (2645 m) besteigen. Der Heilbronner Weg selbst dauert rund sieben Stunden von der von der Rappenseehütte zur Kemptner Hütte. Mit Zu- und Abstieg verlängert sich die Tour auf 37 Kilometern und kann in drei bis vier Etappen eingeteilt werden mit insgesamt rund 2000 Höhenmetern.

Grenzgänger
Zwischen Allgäu und Tirol verläuft der Weitwanderweg Grenzgänger. In sechs Tagen bestreitet man rund 6000 Höhenmeter auf 80 Kilometern und genießt Ausblicke auf unzählige Berge, das Tannheimer Tal und das Lechtal. Der klassische Start ist in Schattwald, über den B‘schießer (2000 m) geht es in die Allgäuer Hochalpen und um den Hochvogel (2592 m) herum wieder zurück. Übernachtet wird auf Berghütten oder in idyllischen Ortschaften.

Himmelsstürmer
Der Weitwanderweg Himmelsstürmer verläuft zwar nicht dauerhaft auf einem Grat, doch als 358 Kilometer langer Höhenweg verbindet er einige hohe Allgäuer Gipfel. Die Tour ist die höchstgelegene Route der Wandertrilogie Allgäu und in 24 Etappen eingeteilt. Ausgangspunkt ist Halblech. Durch die Ammergauer Alpen erreicht man das Schloss Neuschwanstein. Auf dem Zirmgrat geht es an der Grenze zu Österreich entlang nach Pfronten, wo die Tour auch wieder endet. Nach dem Wächter des Allgäus, den Grünten (1738 m), führt der Himmelsstürmer über einige Berge der Nagelfluhkette, wie den Hochgrat (1843 m), nach Balderschwand und quer durch den Naturpark nach Oberstdorf. Nun betreten Wanderer die Allgäuer Hochalpen und wandern auf dem Kobalt-Höhenweg unterhalb des Hindelanger Klettersteigs an der Daumengruppe vorbei nach Bad Hindelang. Mit einem Abstecher ins Tannheimer Tal in Österreich erreicht man die Bad Kissinger Hütte und gelangt über den Breitenberg (1838 m) zurück nach Pfronten.

Steinbocktour
Alpinisten unter den Weitwanderern können die Steinbocktour entlang des Allgäuer Hauptkamms angehen. Wie der Name verspricht, führt sie durch das Revier der Alpensteinböcke. Zwei Herden leben hier und bilden eine der größten Steinbockpopulationen Deutschlands. Außer ihnen bekommt man sicherlich auch Murmeltiere, Adler und das Edelweiß im Naturschutzgebiet der Allgäuer Hochalpen zu sehen – und natürlich fantastische Ausblicke. Klassischerweise dauert diese auch Allgäuer Höhenweg und Allgäu-Querung genannte Mehrtagestour fünf Tage. Sie beginnt und endet in Oberstdorf und führt auf individuell zusammenstellbaren Wegen über die Fiderepasshütte, Mindelheimer Hütte, Rappenseehütte und Kemptner Hütte. Wer will, kann sie noch über das Prinz-Luitpold-Haus sowie das Edmung-Probst-Haus verlängern. Alpinistisches Highlight ist der Heilbronner Höhenweg, der aber auch den technisch anspruchsvollsten Abschnitt darstellt.

Schattenberggrat
Während zum Schattenbergkreuz (1685 m) noch viele aus Oberstdorf hinauf wandern, ist die Beschreitung des Kamms ein einsames, aber auch anspruchsvolles Vergnügen. Exponierte Grasschneiden und Schrofengelände sollten vertraut sein. Fotogen, aussichts- und abwechslungsreich zeigt sich der unmarkierte Schattenberggrat, besonders der Grasgipfel des Seeköpfles (1920 m). Von hier fällt der Blick auf den idyllischen Seealpsee, das Nebelhorn sowie den Allgäuer Hauptkamm mit den Höfats. Eine steile Grasschneide führt über die Hüttenköpfe zum Zeigersattel. Bis hierher ist man gut fünf Stunden unterwegs. Nun kann man im Edmund-Probst-Haus übernachten und am nächsten Tag den Hindelanger Klettersteig angehen oder mit der Nebelhornbahn ins Tal abfahren. Wer die Runde über den Gleitweg am Seealpsee vorbei ins Oytal vervollständigen möchte, sollte vier Stunden zusätzlich einplanen. Insgesamt ist die Tour dann 18 Kilometer lang mit mindestens 1300 Höhenmetern.

Iseler Grat
Als anspruchsvoll, aber noch mittelschwer gilt eine Wanderung auf dem Iseler Grat hoch über Oberjoch und Bad Hindelang. Den Aufstieg kann man mit der Iselerbahn abkürzen; der luftige Sessellift gibt einen Vorgeschmack auf die ausgesetzte Gratwanderung. Von der Bergstation führt der Weg in Serpentinen bergauf zum Iseler (1876 m). Dieser ist auch über den Edelrid- bzw. Salewa-Klettersteig (B/C) erreichbar. Der Klettersteig führt noch weiter bis zum Kühgrundkopf (1907 m), aussichtsreicher ist jedoch die Gratwanderung mit Tiefblicken in das Tannheimer Tal nach Tirol. Richtig alpin wird der Weg dann bis zur Kühgrundspitz (1855 m) und auch der steile Abstieg durch Schotter erfordert Konzentration und Trittsicherheit. Sobald man in den Themenweg Schmugglersteig abbiegt, ist das Schwierigste geschafft. Auf der Sonnenterrasse der Vorderen Wiedhag-Alpe darf man die vier Wanderstunden revue passieren lassen und schließlich ins Tal absteigen.

Höfats-Überschreitung
Profis in steilem Gras- und Schrofenhängen können sich an die Überschreitung der Höfats (2259 m) wagen. Diese vier spitzen, nahezu gleich hohen Gipfel bilden den markantesten Grasberg im Allgäu. Nur erfahrene Bergsteiger und Kletterinnen sollten sich an diese extrem steilen Schrofenhänge mit Klettereinen bis zum III. UIAA-Grad wagen. Dann ist diese ausgesetzte Graskletterei mit kaum vorhandenen Sicherungen genießbar. Wahnsinnige Ausblicke auf die Grasberge des Allgäus warten und alpine Pflanzen, wie das Edelweiß, gibt es zu entdecken.