Im Ötztal schmiegt sich auf 2000 Metern Höhe die Schweinfurter Hütte in die einsame Bergwelt. Sie ist ein idealer Stützpunkt für Touren durch stille Täler, zu klaren Bergseen und auf leichte Dreitausender.
Im Frühsommer ist die Luft noch kühl auf dieser Höhe. Doch an der schützenden Hauswand wärmt die Sonne schon, gerade genug, um draußen zu sitzen und den Blick über die benachbarten Berge und Täler schweifen zu lassen. Susanne Falkner, Wirtin der Schweinfurter Hütte, stellt sanft eine Linzer Torte auf den Holztisch, eine selbst gebackene natürlich. Sie lächelt. Für sie ist hier ein Traum in Erfüllung gegangen: Vor fünf Jahren haben sie und ihr Mann Helmut die Hütte übernommen, und seitdem kümmern sie sich mit viel Hingabe um ihre Gäste. »Schon immer haben wir davon gesprochen, auf eine Hütte zu gehen«, erzählt sie. Lange habe es gedauert, bis der Wunsch endlich Realität wurde, und eigentlich hätten beide schon nicht mehr daran geglaubt.
Um Wirt auf einer AV-Hütte zu werden, muss man sich bei der jeweiligen Sektion bewerben. Die Zusage zu erhalten ist nicht leicht. »Wir hatten es auch schon einmal bei einer anderen Hütte versucht«, erzählt Helmut. »Wahrscheinlich hat es damals einfach noch nicht sein sollen. « Jetzt nutzen die beiden ihre Chance, die Hütte zu führen, die auch zu ihrem Heimatdorf gehört, zur kleinen Ortschaft Niederthai, von der aus man zur Schweinfurter Hütte aufsteigt. Niederthai liegt nicht weit entfernt unten im Tal, und Autofahrer erreichen es von Umhausen am Anfang des Ötztals in einer knappen Viertelstunde. Hier oben auf der Hütte in 2.000 Meter Höhe stimmt die Harmonie, und das überträgt sich auf die Gäste. Die Bergszenerie tut ein Übriges. Kurz: In diesem kleinen Seitental, das vom Ötztal nach Osten führt, herrscht reine, erholsame Ruhe.
Tief unten windet sich das weite Ötztal durch die Berge des Alpenhauptkamms. Es zählt mit einer Länge von 65 Kilometern zu den größten Seitentälern des Inntals und teilt sich in verschiedene Talstufen auf. Steil fallen die Flanken der schroffen Gipfel zu beiden Seiten herab, doch ein gut ausgebautes Wegenetz erschließt die Berge für Wanderer sehr gut. Die gewaltige Nord-Süd-Ausdehnung sorgt für Abwechslung: Am Eingang des Tals empfängt einen mildes Klima, und die schattigen Pinienwälder muten mediterran an, während in den hinteren Winkeln, beim Bergsteigerdorf Vent etwa, über der Baumgrenze eisige Gletscherwelten in Sichtweite rücken. Im Frühsommer locken vor allem die vorderen Regionen, und von einem Stützpunkt wie der Schweinfurter Hütte aus lassen sich zahlreiche Wanderungen und Bergtouren ohne großartige Altschneeberührung unternehmen.

Touren
Ötztal: Hoch hinaus auf leichte Dreitausender

Zwieselbacher Roßkogel und Hochreichkopf, beide 3000er, zählen zu den Hausbergen der Schweinfurter – durchaus erwachsene Tagestouren. Wie eine Pyramide thront der Hochreichkopf nach Westen hin über dem Finstertal. Seine gleichmäßige Form macht eine Besteigung relativ einfach, doch selbst dieser Gipfel verlangt Ausdauer für stramme 1000 Höhenmeter im Aufstieg. Unterwegs spendet ein Kiefernwald Schatten, und der Weg streift zwei hübsche Karseen, bevor er geröllig ganz nach oben führt.
Etwas härter zur Sache geht es beim Zwieselbacher Roßkogel im Osten der Hütte. Felsig und wild wirkt der imposante Zacken, der schon ein wenig mehr Kondition und Erfahrung erfordert. »Der erste hohe Gipfel sollte es nicht gerade sein«, meint auch Hüttenwirt Helmut. Trotzdem zählt er mit seinen weiten Aussichten bis in die Stubaier Alpen als Genusstour und gehört unbedingt ins Tourenbuch eines ambitionierten Bergwanderers. Gerne gibt Helmut seine Erfahrungen weiter und hilft seinen Gästen natürlich auch bei der Orientierung. Von der Terrasse schweift der Blick nach Westen und in das Horlachtal hinab, das von Sömenspitze und Peistakogel begrenzt wird. »Da oben, am Peistakogel vorbei, führt eigentlich der schönere Aufsteig zu uns her«, erklärt Helmut und zeigt hinauf. Anstatt von Niederthai aus dem flachen Tal zu folgen, kann man nämlich am ersten Tag auch nach Norden losmarschieren und zunächst den Narrenkogel überqueren. Im Vergleich zu den benachbarten Gipfeln wirkt sein abgerundeter Graskopf schon fast lieblich.
Nachdem man sich an der Aussicht satt gesehen hat, wandert man über das Joch leicht ansteigend weiter. Murmeltiere hoppeln links und rechts des wiesengesäumten Wegs, der über den Gruesee und weiter zur Schweinfurter Hütte führt, immer mit grandiosem Ausblick auf das gegenüberliegende Larstigtal.
Idealer Ausgangspunkt: Die Schweinfurter Hütte

Die Chefin kocht hier höchstpersönlich
Und zwar mit feiner Ware aus quasi hauseigener Schlachtung: »Mit frischem Fleisch versorgt uns der Bruder.« Ihre Wurzeln in Niederthai ermöglichen es Susanne und Helmut, vom Hof der Familie ihre Produkte zu beziehen – und das schmeckt man deutlich. Auf der Terrasse lassen sich bei deftigen Krautspatzen und einem kühlen Bier anstrengende Aufstiege schnell vergessen und die Kraftreserven wieder auffüllen. Wer sich nach solch einem Mahl noch erheben kann, stattet vielleicht dem kristallklaren Bergsee auf Achsellehn einen Besuch ab – wenn der Tag noch nicht allzu fortgeschritten ist. In nur einer Stunde hat man das Ziel erreicht und schaut auf die Hütte hinab. Der See, eingebettet in einen grünen Rücken, spiegelt bei klarer Sicht den Gipfel des Zwieselbacher Roßkogel wider. Gerne genießt man solche Momente, vor allem wenn man ganz alleine am Ufer sitzt, was oft der Fall ist. Ein Traum von einem Bergsee!
Traumhafter Bergsee auf Achsellehn (2359 m
Doch die gefühlten null Grad Wassertemperatur ersticken Gedanken an ein erfrischendes Bad sofort im Keim. Die Schweinfurter Hütte bildet einen Knotenpunkt zwischen Ötztal, Kühtai und Sellrain. Bei der Pause am See kann man in aller Ruhe überlegen, ob man noch eine Stippvisite bei den Nachbar-Hütten einplant: Aus dem Nordwesten kommt der Weg von der Bielefelder Hütte heran, direkt im Norden der Hütte schneidet die Finstertaler Scharte in den Fels, der Übergang zur Dortmunder Hütte, und im Süden führt das Zwieselbachtal zur Winnebachseehütte. Auch Wanderer von der Pforzheimer Hütte kommen aus dieser Richtung. Wenn abends die Sonne hinter dem Geigenkamm auf der anderen Seite des Ötztals untergeht und die ersten Lichter der Hütte aufschimmern, siedeln die Besucher über in die warme Stube. Gespräche über kommende Vorhaben und die Erlebnisse der letzten Tage erfüllen den Raum.
Wer auf die großen Gipfel will, sollte sich beizeiten aus der geselligen Runde verabschieden. Mit etwas kleineren Zielen bleibt man aber leicht noch ein wenig sitzen und genießt die herzliche Gastfreundschaft von Susanne und Helmut. Genau dieses Gefühl des Geborgenseins, dem Tal und seiner Betriebsamkeit entrückt, will man gerne länger bewahren, um es im Alltag immer wieder abrufen zu können. Zusammen mit den traumhaften Erinnerungen an eine angenehm stille Umgebung, die Raum und Zeit bietet, sich selbst zu spüren.
Im stillen Winkel des Ötztals: Reiseinfos

Charakter: Die Schweinfurter Hütte liegt auf 2028 Metern Höhe. Sie ist ein idealer Standpunkt für Wanderungen in allen Schwierigkeitsgraden. Von schönen Ausflügen mit der gesamten Familie bis hin zu saftigen Tagestouren auf einen der benachbarten 3000er ist alles möglich.
Beste Zeit: Am geeignetsten, auch für die höher gelegenen Touren, ist die Zeit von Juni bis September. Dann haben auch die anderen Berghütten geöffnet. Aber selbst im Hochsommer kann in den alpinen Lagen Altschnee das Wandern erschweren.
Anreise: Von München über Salzburger (A 8) und Inntalautobahn bis Abfahrt Ötztal. Alternativ über Garmisch – Mittenwald (B 2) – Zirlerberg – Inntalautobahn Richtung Bregenz bis Abfahrt Ötztal. Von hier der Ötztaler Straße (B 186) folgen. Bei Umhausen links abzweigen nach Niederthai. Öffentliche Verkehrsmittel ab Innsbruck: Arlbergbahn Innsbruck–Bludenz bis Bahnhof Ötztal. Von hier mit Bus (Linie 8352 oder 4194) bis Umhausen. Die letzten Kilometer entweder mit dem Shuttle-Wander-Bus oder mit dem Taxi bis Niederthai. Vom ausgeschilderten Parkplatz braucht man zwei Stunden für den Aufstieg bis zur Hütte. Schöner wandert man über den Narrenkogel zur Hütte.
Unterkunft: Schweinfurter Hütte (2034 m), DAV Sektion Schweinfurt, Mitte Juni bis Anfang Oktober, bei schönem Wetter Verlängerung möglich (Auskunft beim Hüttenwirt einholen), Tel. Hütte 0043/5255/50029, Tel. Tal 0043/5255/5630, E-Mail: schweinfurter-huette@aon.at. Wer sich von der Schweinfurter Hütte ausgehend noch weiter in den Stubaier Alpen aufhalten will, kann zu den benachbarten Hütten weitergehen und dort auch übernachten: Pforzheimer Hütte (2310 m), Tel. 0043/5236/521; Winnebachseehütte (2361 m), Tel. 0043/5253/5197; Bielefelder Hütte (2150 m), Tel. 0043/5252/6926; Dortmunder Hütte (1950 m), Tel. 0043/5239/5202. Alle Hütten haben bis Ende September, manche auch bis in den Oktober hinein geöffnet.
Buchtipp: Stubaier Alpen alpin, Alpenvereinsführer, Walter Klier, Bergverlag Rother 2006, 446 Seiten, 22,90 Euro; Ötztaler Wanderbuch, Helga Marberger, Tyrolia Verlag 2009, 204 Seiten, 16,95 Euro.
Karten: Alpenvereinskarte Blatt 31/2, Stubaier Alpen, Sellrain, 1:25000, 9,80 Euro.
Info: Ötztaler Tourismus – Umhausen und Niederthai, Dorf 24, A-6441 Umhausen, Tel. 0043/57200/400, www.oetztal-mitte.com, info@oetztalmitte. com. Hier gibt es auch die Ötztal-Card (vergünstigte Bergbahnfahrten, kostenloser Radverleih etc.).
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