How to: Bouldern am Trainingsboard
Boardklettern ist speziell. Was man darüber wissen muss und wie man das Beste aus dem Training herausholt.
FÜR WEN?
Das Bouldern am Board ist nichts für Kletteranfänger, das muss man klarstellen. Aufgrund der geringen Griffgröße und der stark überhängenden Neigung eignet sich Boardklettern vor allem für die, die stärker werden wollen oder Abwechslung suchen.
WOZU?
Hier wird man nur selten Tricks wie Toehooks oder Knieklemmer unterbringen, aber es lassen sich subtilere Klettertechniken erkunden: Deadpointen, Körperpositionierung, Hüftschwung, Ansteuerung, Druck auf den Füßen halten – mit einem Wort, hier lassen sich fortgeschrittene Klettertechniken üben und erlernen.
NEED TO KNOW
Der Einstieg am Board ist hart. Es dauert einige Wochen, bis man sich an die Erfordernisse gewöhnt und sich nicht mehr elendig zu schwach fühlt. Wegen der hohen Intensität sollte man den Körper schrittweise an die Belastung gewöhnen: am Besten mit einmal die Woche am Board starten, die Einheiten kurz halten und den Gesamtumfang und Intensitäten so gemächlich wie möglich steigern, damit der Körper sich anpassen kann.

Bouldern an überhängenden Boards ist intensives Krafttraining – hier am Tensionboard 2.
Trainingstipps: Stärker werden am Board
- Such dir Sparringspartner. Zu zweit oder zu dritt macht das Bouldern mehr Spaß als allein. Außerdem achtet man so auf ausreichend Pausen zwischen den Versuchen (mindestens 2 Minuten).
- Lass es langsam angehen. Die Belastungen am Board sind sehr intensiv und deutlich härter als normales Klettern oder Bouldern. Anfangs reicht eine Stunde, steigere die Belastungen langsam.
- Nutze lieber schlechte Tritte und größere Griffe statt kleine oder schlechte Griffe und größere Tritte. Ersteres schult Fußtechnik, Bewegungsvermögen und Körperspannung, letzteres geht einfach nur auf die Finger.
- Es geht in erster Linie darum, schwere Züge zu probieren und zu meistern, und nur in zweiter Linie darum, Boulder durchzusteigen.
- Um Boulder zu verschärfen, verschlechtere die Trittmöglichkeiten.
- Um schwere Boulder zu entschärfen, erlaube Zwischengriffe, größere oder mehr Tritte, oder übe schwere Einzelzüge mit einem Hilfsgriff oder Powerspot, um die Bewegung zu erlernen.
- Für die Kraftausdauer: Längere Boulderzirkel von 12 bis 25 Zügen klettern. Oder: Klettere vier mal vier verschiedene Boulder hintereinander, mache nach jedem Durchgang zwischen einer und drei Minuten Pause, zwischen den jeweils vier Bouldern aber so wenig wie möglich. Wenn du in der letzten Runde in den letzen Zügen des letzten Boulders abfällst, war die Schwierigkeit angemessen.
- Qualität vor Quantität: Achte auf saubere Bewegungsausführung.
- Gehe nicht müde oder schlecht erholt ans Board und beende die Session am besten bevor du anfängst, müde zu werden.
Moon, Kilter, Tension: die wichtigsten Boulderboards im Vergleich

Moonboard
Das Moonboard wurde vom britischen Kletterer Ben Moon erfunden und ist angelehnt an das alte 50-Grad-Board im Schoolroom in Sheffield. Das Moonboard verfügt über zwei verschiedene Neigungswinkel (25 oder 40 Grad) und verschiedene Griffsets (2016, 2017, 2019, 2024) mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Am Moonboard sind generell eher kleine und garstige Griffe zu finden. Die Grade sind verhältnismäßig hart, die Briten pflegen ihr Understatement. Ben Moon selbst gibt zu: „Am besten ignoriert man die Grade und nutzt sie nur als grobe Richtwerte.“ Das Moonboard richtet sich explizit an Menschen, die mindestens 6B+ oder 6C bouldern können.
Fazit: Es ist hart, die Griffe sind wenig ergonomisch und anfangs muss man einstecken. Wer dranbleibt, kann mit Kraftzuwachs rechnen.
Außer beim 24-er Setup gehen die Griffe relativ stark auf die Finger; LEDs von oben manchmal schlecht sichtbar.

Spraywall
Spraywall nennt man Boulderwände mit vielen Griffen. Sie erfordern Fantasie, bieten dafür Flexibilität und sind günstiger als die Markenboards. Auch selbstgebaute Homewalls fallen in diese Kategorie, oder der alte Boulderspeicher früherer Generationen.
Fazit: Spraywalls können Boulderwände verschiedenster Art sein, ihre Qualität steht und fällt mit dem Griffangebot und einer Community, die Probleme entwickelt und teilt (in Persona oder etwa über Apps wie BoulderBook oder Boulder Challenge). Ohne App-Nutzung bieten sie eine gute Gedächtnisschule.
Ohne Community erfordet eine Spraywall etwas Kreativität beim Boulder definieren. Der Trainingseffekt hängt stark von Wandneigung und Beschraubung ab.

Kilterboard
Das Kilterboard ist die US-amerikanische Antwort auf das Moonboard. Die verhältnismäßig großen Griffe verfügen über eine integrierte Beleuchtung, der Neigungswinkel ist zumeist stufenlos zwischen 20 und 60 Grad verstellbar und die Fangemeinde ist umfangreich. Weil die Griffe nicht so extrem garstig sind, lässt sich hier relativ lange und oft trainieren, bevor Haut und Finger leiden. Dank der verhältnismäßig großen Griffe ist das Kilterboard prinzipiell anfängerfreundlicher als etwa das Moonboard. Allerdings finden sich wegen der Griffgröße im mittleren bis oberen Schwierigkeitsbereich viele relativ weite Züge bei weniger überhängender Einstellung.
Fazit: Das Kilterboard ist verbreitet, anfängerfreundlich und verfügt über eine große Community. Es kommt in verschiedenen Größen und Varianten und steht in vielen Hallen.
Griffgröße bereitet weniger gut auf die meisten schweren Felsrouten vor.

Tensionboard
Das Tensionboard ist verglichen mit den anderen hier vorgestellten Trainingswänden das am wenigsten verbreitete kommerzielle Boulderboard. Dafür verbindet es vielleicht das Beste aus beiden Welten. Bei der neuesten Version („TB2“) lassen sich die aus PU und Holz gemischt zusammengestellten Griffe sowohl symmetrisch gespiegelt als auch in einer freieren „Spray“-Anordnung anschrauben. Das symmetrische Setup ermöglicht, Boulder beidseitig zu klettern und somit ausgewogener zu trainieren. Beim Spray-Setup sind die Griffe etwas extremer angeordnet. Beim TB2 versammeln sich verschiedenste Griffe von großen Slopern über positive Leisten bis zu Mikrotritten. Damit lassen sich auch bei geringer Steilheit anspruchsvolle Boulder ohne Längenzüge und verschiedene Kletterstile definieren, während Moon- und Kilterboard vom Charakter etwas einseitiger sind.
Fazit: Das Tensionboard ist weniger verbreitet als seine Kollegen, bietet dafür aber etwas mehr Möglichkeiten. Es gibt zwei Ausführungen.
Derzeit weniger starke Verbreitung und kleinere Community.
Die Rolle der Trainingsboards im Bouldersport
Reguläres Bouldern in der Halle bedeutet nicht nur Ziehen, Ballern und Blockieren, sondern auch Springen, Laufen, Stützen und Schieben. Es geht nicht nur darum, kleinste Griffe herzuprügeln, sondern auch darum, Bewegungsrätsel zu erlernen und zwischen Volumen herumzuschieben. Dies wirft allerdings ein Problem auf: Denn viel weniger als früher trainiert einfach Bouldern gehen Bizeps und Fingerkraft. So müssen manche versierte Boulderer feststellen, dass sie zwar drinnen prima performen, aber draußen am Fels die Griffe deutlich kleiner sind, als ihre Finger gewohnt sind. Und hier kommen Boulderboards ins Spiel. Hardcorewändchen à la Moonboard oder Kilterboard sind natürlich nichts Neues (siehe unten). Allerdings hat der Trend zu großgriffigen Bewegungsbouldern mit dazu geführt, dass Boulderboards mit schlechten Griffen und steiler Neigung sowie Hangboards wieder en vogue gekommen sind, um Finger und Zugkraft zu trainieren.
Als stupides Ballern sollte man das Boardbouldern indes nicht abtun: Es erfordert Fingerkraft, Körperspannung, Kontaktkraft, optimale Körperpositionierung, Explosivität, Präzision und noch vieles mehr, was unterhaltsamen Mainstreambouldern im Anforderungsprofil fehlt, aber am Fels und bei harten Zügen essenziell ist. In seiner Einfachheit ist Boardbouldern sozusagen die komprimierte Essenz des Kletterns.

Einfach bedeutet nicht leicht. Die schlichten Boulderwände bergen enormen Trainingseffekt.
Internationale Boardcommunities
Die heute erhältlichen kommerziellen Boards mit Beleuchtungssystem und Boulderdatenbank per App bieten im Gegensatz zu einer simplen Spraywall – einer Wand voller Griffe und Tritte, an der man sich die Boulder selbst definiert – einen enormen Komfortgewinn: Über App und LEDs lassen sich sekundenschnell Probleme auswählen und anzeigen. Das früher übliche Boulder definieren samt Merkprozess entfällt. Dazu zeigt die App die gesammelten Werke einer großen und weiter anwachsenden Community. Von Jimmy Webb oder Daniel Woods definierte Boulder probieren? Ist zumindest theoretisch möglich. Die technologische Verbindung zu anderen Boardfreunden bringt unter anderem Motivation. Auf die beruft sich auch der bei Insidern berüchtigte US-Kletterer mit dem Nutzernamen Ravioli Biceps, der sich zum Ziel gemacht hatte, alle Moonboard-Benchmarks des 2016er-Sets abzuhaken. Er kletterte meist allein, per App mit der Moon-Community verbunden. 2018 vollendete er binnen Jahresfrist alle von Moon ausgegebenen Referenzboulder des 2016er-Sets, am 2019er Set arbeitet er.

Alex Megos schwört aufs Bouldern am Board. Er hat sogar mit @MegosBoardClimbing einen extra Account eingerichtet.
Mehr Kraft durchs Bouldern am Trainingsboard
Ob Spraywall, Homewall, Tension oder sonstiges Board: Um die ergonomisch verwöhnten Indoorfinger auf ungenormte Felsgriffe vorzubereiten und das Kraftlevel zu verbessern, lohnen sich regelmäßige Ausflüge ans Board allemal. Selbst Spitzenkletterer Adam Ondra, der sich jahrelang gegen das kraftbetonte Klettern an Boulderboards gewehrt hat, musste feststellen: "In Sachen Kraft sind simple Trainingswände wirklich sehr effektiv!"
Inspo: Sierra Blair-Coyle und Ravioli Biceps am Moonboard
Eine Portion Motivation im Video mit US-Pro-Kletterin Sierra Blair-Coyle und dem als Ravioli Biceps bekannten Moonboard-Pro in seiner Garage am Moonboard (2016er Set).
Geschichte der Trainingswände: Vom Schoolroom bis zum Moonboard
Im Schoolroom in Sheffield wurde in den 80er-Jahren von Ben Moon und Jerry Moffatt sozusagen das Boardclimbing erfunden. Im Video The Real Thing wurde es gefeiert (Video ansehen unter klettern.de/realthing). Auch in Deutschland entstanden zu der Zeit die ersten trockenen Trainingsmöglichkeiten, erinnert sich Kletterer und Trainer Andi Hofmann: "1987 haben wir einen Balken in einem Urzeitkraftraum in Süd-Nürnberg mit kleinen Leisten eingerichtet und daran herumgehangelt. Und Wolfgang Güllich hat gemeinsam mit Professor Weineck eine Wand an der Sportuni in Erlangen entworfen."
So verbreitete sich mit den Miniwänden in Turnhallen, Kellern oder Boulderspeichern damals ein Konzept, das später – heute – wieder unerwartet erfolgreich werden sollte. Oder, wie der Brite Dave Parry es formulierte: "Ähnlich wie Alexander Fleming ungeplant das Penicillin entdeckte, stolperten die Schoolroom-Pioniere zufällig über die Formel, die den weltweiten Standard für Trainingsboards definieren sollte." Die steilen Wände erforderten Fingerpower und Körperspannung und waren unerbittlich.
Systemwandtraining
Andi Hofmann verfolgte die Entwicklung: "Später kam mit der Systemwand-Idee von Rudi Klausner auch etwas Systematik hinein. Man versuchte, gezielt Kletterbewegungen mit Ideen aus dem Krafttraining zu verbinden, über Wiederholungen gewisser Kletterzüge. Das ist aber nie sonderlich populär geworden." Der zugehörige Begriff der "Systemwand" wird heute meist für symmetrisch gespiegelt eingeschraubte Boulderwände (wie zum Beispiel das Tensionboard) verwendet.

Das frühe Systemwandtraining fand meist an neigungsverstellbaren Wänden statt und beruhte auf Wiederholung von Bewegungen: Es sah etwas anders aus als das, was man heute Systemwandbouldern nennt.
Die Boulderhöhlen oder -ecken der regulären Kletterhallen, die ab Mitte der 90er-Jahre entstanden, wurden vom breiten Publikum eher ignoriert oder als Notlösung bei Partnermangel genutzt. In den Nullerjahren war Bouldern etwas für Freaks. In den Zehnerjahren mehrten sich schließlich reine Boulderhallen, und seitdem Bouldern hauptsächlich unterhaltsam ist, ist der Bedarf für Trainingswände wieder gewachsen. In vielen Hallen hatten sich kleinere Spraywalls gehalten, und später wurde auch das Schoolroom-Derivat von Ben Moon unter Trainierenden populär.
Standardisierung
Das Moonboard erblickte 2005 als erste standardisierte, kommerzielle Boulderwand das Licht der Kletterhallen. 2016 kamen LED-Beleuchtung (ein Lämpchen unterhalb des jeweiligen Griffs) und die App dazu. Seither boomen Boulderboards, die sich vom Prinzip her kaum von der Mutter aller Boards, dem circa 50 Grad steilen "Woody" im Schoolroom unterscheiden: Bestückt war es mit einer Mischung aus Plastikgriffen und Holzgriffen. Erstere finden sich auch heute an den meisten Boards, weil mit ihnen Formen möglich sind, die im Holz schwierig umzusetzen sind, und weil sie für unterschiedliche Grifftexturen mit speziellere Reibungseigenschaften sorgen. Holzgriffe wiederum sind heute wegen ihrer hautfreundlichen Haptik beliebt. Zudem müssen sie wegen der glatten Oberfläche aktiver gehalten werden, was einen exzellenten Trainingsreiz für die Fingerkraft darstellt. Kilter ging einen anderen Weg und hat eine relativ ergonomische Oberfläche geschaffen und mit der Rundumbeleuchtung einen Coup gelandet: Damit wurde die Bewegungsplanung leichter, durch die großen Griffe lassen sich auch in leichteren Graden Probleme definieren. Heute sind schlichte Boulderwände wieder eine der wichtigsten Trainingsmethoden, und klar ist: Je stärker die Kletternden, desto steiler die Wand – und je steiler die Wand, desto stärker die Kletternden.
Trainingstipps from England with Love
In den folgenden Videos gibt's die Profi-Tipps von Ned Feehally und James Blay, beide gehören zu den stärksten Boulderern von England. Ned Feehally als einer der Köpfe hinter den Beastmaker-Boards hat ein immenses Wissen über Fingerkraft und Training, James Blay von Wild Country ist als hochmotivierter Boulderer auch nicht gerade schwach.
Klettertraining an Moonboard oder Systemwand
In diesen Clips erklären sie von den Basics bis zum Feintuning alle wichtigen Tipps fürs Training am Moonboard oder auch an der Systemwand. Zwar sind die Videos auf Englisch, doch werden die wichtigsten Punkte kurz schriftlich festgehalten, sodass man auch ohne ganz flüssiges Yorkshire-Englisch hoffentlich folgen kann.
Ein wichtiger Tipp vorab: If you don't fall off, it's too easy!
Video: Klettertraining am Board – Basics
Video: Klettertraining am Board – Advanced
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