Die klare Luft sorgt für weite Blicke, die tiefstehende Sonne taucht die Natur in warmes Licht, auf den Wegen kehrt Ruhe ein: Nach dem Sommer bricht in den Alpen eine besonders reizvolle Wanderzeit an. Da das Hochgebirge allmählich zuschneit, viele Hütten ihre Türen schließen und die Tage kürzer werden, locken vor allem Unternehmen der gemäßigteren Art. Dass man aber auf große Kulissen nicht verzichten muss, zeigt sich z.B. im Villnösstal (siehe Bild oben), über dessen Almen die zackigen Geislerspitzen thronen. Wer lieber die "Könige der Wälder" besucht, erkundet das hirschreiche Val Mingèr im einzigen Nationalpark der Schweiz, mit Gipfelglück und Traumpanorama trumpft hingegen der Monte Grona am Comer See.
15 Wandertipps – von Karwendel bis Königssee
Karwendel: Achensee-Runde
Das Karwendel erhebt sich auf über 2700 Meter – für die ganz hohen Berge ist es da im Herbst in aller Regel zu spät. Doch wer sich ganz im Osten des Gebirges aufmacht, in Pertisau am Achensee, der hat im Oktober oft noch eine beschwingte Zwei- bis Dreitagesrunde (29 km, 1330 Hm) mit viel Gipfelpracht vor sich. Hinzu kommt am ersten Abend das gute Essen auf der urigen Plumsjochhütte (1630 m), wo Familie Neuner unter anderem Wild aus eigener Jagd serviert, während an Tag zwei der Gramai-Hochleger mit Jausen, Suppen, Kuchen und Kaiserschmarrn aufwartet – aber nur bis 13. Oktober. Alternativ leitet ein Weg über die bis Ende Oktober geöffnete Bins-Alm. Er passiert den berühmten Großen Ahornboden, wo über 2000 Ahornbäume in warmen Farben erstrahlen – allerdings wird man das bunte Schauspiel nicht alleine genießen. Infos: komoot.com
Kitzbüheler Alpen: Den Alpine Trail genießen
Auf 106 Kilometern durchzieht der Kitzbüheler Alpine Trail (KAT) die traumhafte Bergwelt zwischen Hopfgarten im Brixental und St. Ulrich am Pillersee – ein kühner West-Ost-Bogen, der für geübte Wanderer gut machbar ist (6 Etappen, 6350 Hm). Die durchgehend beschilderte Route führt durch Seitentäler und nimmt auch das Kitzbüheler Horn mit, das mit 1988 Metern und herrlichen Blicken nicht nur den geografischen Höhepunkt darstellt. Für den Herbst wird der Trail besonders dadurch interessant, dass seine Etappen in Ortschaften mit Gasthäusern enden. So bleibt man unabhängig von den Berghütten, die oft schon Anfang oder Mitte September schließen. Wer trotzdem Hüttenatmosphäre schnuppern will, kehrt auf der letzten Etappe in der Wintersteller Alm ein. Den berühmten hausgemachten Kuchen dort gibt es noch bis 13. Oktober – dann wird geschlossen. Infos: kitzbueheler-alpen.com
Sellrain: Zu Füßen der Kalkögel
Einen besonders wilden Anblick in den Stubaier Alpen bietet die Bergkette der Kalkögel, die vielfach gefurcht und wie die Zinnen einer Burg aufschießt – über 2800 Meter hoch. Zu ihren Füßen liegt die Kemater Alm (1670 m), wo Michael und Kathrin Schaffenrath deftige Speck-, Kaspress- und Spinatknödel auf den Tisch stellen, und das bis mindestens Ende Oktober. Am besten nimmt man die Kemater Alm als Etappenziel einer zwei- oder dreitägigen Runde ab Sellrain (28 km, 2000 Hm). Bis zum 28.9. bietet sich vorher noch die Potsdamer Hütte als Quartier an, danach muss man von Sellrain aus durchmarschieren (19 km,1500 Hm). Alternativ zur Kemater Alm lässt sich auch die Adolf-Pichler-Hütte ansteuern – ebenfalls am Fuß der Kalkkögel und bis 30. September offen. Praktisch: Zum Startpunkt der Runde dauert es ab Innsbruck mit dem Bus nur eine halbe Stunde. Infos: potsdamer-huette.de, kemater-alm.at, adolf-pichler-huette.at

Kärnten: Wunderbare Nockberge
Kärnten ist das wärmste Bundesland Österreichs, oft bis in den Oktober hinein bieten sich hier Touren an – vor allem in den sanft gewellten Graskuppen der über 2000 Meter hohen Nockberge. Wer noch einmal lange wandern will, wählt den Nockberge-Trail von Katschberg zum Millstätter See (124 km, 8 Tage, 6477 Hm). Bis Ende September findet sich auf der gesamten Strecke noch eine Bleibe, für die fünf Etappen ab Turracher Höhe auch noch im Oktober. Wer das Nockberge-Feeling lieber auf einer dreitägigen Runde erleben will (35 km, 2400 Hm), startet auf der Heidi-Alm am Falkertsee und nächtigt in Bad Kleinkirchheim sowie der bis 26.10. geöffneten Lärchenhütte. Infos: kaernten.at
Dachstein: Des Bischofs Mütze
Nein, man muss da nicht hoch, auf die felsig und steil in den Himmel stechenden Zacken des Gosaukamms. Aber drum herum wandert es sich traumhaft um dieses kleine, feine Massiv im Dachsteingebirge (23,2 km, 2043 Hm). Im Uhrzeigersinn geht es an Tag eins um den markanten Doppelgipfel von Kleiner und Großer Bischofsmütze (2458 m) bis zur Stuhlalm. Dort verwöhnen einen bis Ende Oktober Tina Schumacher und Stephan Wieland mit hausgemachtem Speck und anderen regionalen Köstlichkeiten – von Montag bis Donnerstag. Wahlweise nimmt man von der Stuhlalm noch den kurzen Stich bis zur Theodor-Körner-Hütte, geöffnet bis 13. Oktober. Infos: alpenvereinaktiv.com
Lechtaler Alpen: Wilde Wege am Kogelsee
Die Wildheit der Berge muss man sich in den Lechtaler Alpen nicht mit anderen teilen. Wanderwege führen hier in die Einsamkeit! In den zerklüfteten Bergen finden Herbstwanderer ein naturbelassenes Revier der Extraklasse! Wenn es die Wetterbedingungen im Herbst noch zulassen, bietet sich von Gramais aus eine Wanderung über den Kogelsee und die Kogelseescharte zur Hanauer Hütte an. Ebenfalls empfehlenswert: die Rundwanderung von Gramais zu Gufel- und Kogelsee. Weitere Infos unter lechtal.at

Südtirol: Meraner Höhenweg
Es stimmt schon, der berühmte Meraner Höhenweg in Südtirol bringt es eigentlich auf acht Etappen. Aber auf seinen nördlichen Abschnitten schneit es manchmal schon früh im September, weswegen dort auch die Hütten früher schließen. Auf der Südseite hingegen dauert das Vergnügen oft bis Ende Oktober. Vorschlag: von Sankt Leonhard in Passeier in die sechste Etappe des Höhenweges einsteigen und ihn dann bis nach Partschins ans Ende des achten und letzten Teilstücks gehen (39 km, 1900 Hm) – drei herrliche Panoramatage mit Übernachtung in den urigen Gasthäusern Magdfeld und Hochmuth (siehe Bild oben). Und am zweiten Tag das Hirsch-Carpaccio auf der Leiteralm bestellen. Mehr Infos: meraner-höhenweg.com
Gardasee: Loop-Trekking
Hoch über das geschäftige Treiben in Riva del Garda entführen drei wunderbare Trekking-Touren in den Bergen am Nordende des Gardasees. Die sogenannten Loops stehen für zwei, vier oder sieben Tage in fast schon mediterran anmutendem Ambiente, und selbst die beiden höchstgelegenen Hütten, das Rifugio Marchetti (2012 m) und das Rifugio Damiano Chiesa (2060 m), haben lange geöffnet: bis 31.10. beziehungsweise sogar ganzjährig. Auf dem einwöchigen Top-Loop (93 km, 8000 Höhenmeter) reicht die Sicht in den oberen Etagen bis zu den Dolomiten und in die Poebene, am Ende geht es mit der Seilbahn vom Monte Altissimo gemütlich hinab zum See und per Boot zurück nach Riva. Wer etwas weniger Zeit mitbringt, nimmt den Medium Loop unter die Füße (72 km, 4 Tage, 4260 Hm), der in Riva beginnt und in Torbole endet. Infos: visittrentino.info
Comer See: Auf den Monte Grona
Von subtropischen Pflanzen und charmanten Terrakotta-Dörfern bis zu den stolzen Gipfeln im Umland: Am Comer See treffen mediterranes Flair und alpines Ambiente aufs Schönste zusammen. Einen grandiosen Überblick genießen Wanderer etwa am Gipfel des Monte Grona (1736 m) an der Westseite. Erst geht es von Breglia zum Rifugio Menaggio (1380 m) empor (2.15 Std., 630 Hm), dort stehen mehrere Varianten zur Wahl. Am einfachsten ist dann der Normalweg (1.15 Std., 350 Hm), am sportlichsten die knackige Via Ferrata del Centenario (3 Std., Grad D). rifugiomenaggio.eu

Dolomiten: Dolorama
Im Herbst noch in die Dolomiten? Gerade dann! Im goldenen Licht der flacheren Sonne wirken die zerklüfteten Wände und Gipfel noch viel plastischer. Der 61 Kilometer lange Dolorama-Weg schlängelt sich mit Blicken auf Peitlerkofel und Geislergruppe über liebliche Almwiesen und schroffen Fels. Auf vier Tagesetappen warten moderate 2356 Höhenmeter, der höchste Punkt liegt mit 2341 Metern ebenfalls herbstgeeignet. Die Tour startet auf der Rodenecker-Lüsner Alm und endet im Dorf Lajen, dazwischen bieten sich Nächte auf der Maurerberghütte, Schlüterhütte und Raschötzhütte an (alle bis 13.10. geöffnet). Der Herbst ist in Südtirol die Zeit zum Törggelen – man verkostet den neuen Wein mit allerhand Köstlichkeiten. Auf der Schlüterhütte zum Beispiel sollte man sich das regionale Wildgulasch (und ein Glas Südtiroler Wein) nicht entgehen lassen. Infos: Alle Etappen auf dolorama.it
Piemont: Das vergessene Tal
Percorsi Occitani – was klingt wie ein Zauberspruch, erweist sich als Rundwanderweg, der Bergfans durchaus eine Welt voller Magie eröffnet.Das Mairatal im Südwesten des Piemont besticht mit lichten Wäldern, verlassenen Weilern und stillen, historischen Pfaden. Der gesamte Rundweg dauert 10 bis 14 Tage (177 km, 9200 Hm) und überschneidet sich teils mit dem bekannteren GTA. Im Herbst ist es die bunte Färbung der Weiden und ausgedehnten Lärchenwälder, die Wandernde in ihren Bann zieht. Eine zweitägige Tour leitet ab Stroppo (an der Staatsstraße 422 gelegen) auf die Etappe sechs und nördlich durch das Elvatal zum Weiler San Michele. Dort erwartet einen die gemütliche, familiengeführte Unterkunft Agriturismo Al Chersogno. Nun Etappe sieben bis zum Ende in Ussolo wandern und hinab in das Dorf Prazzo, wo ein Bus zurück nach Stroppo fährt. Infos: vallemaira.org/de
Schweizer Nationalpark: Durchs Val Mingèr
Im Osten Graubündens liegt der Schweizerische Nationalpark, das größte Wildnisgebiet des Landes. Seine alpinen Matten, Mischwälder und Hochgebirgsregionen bieten den Lebensraum für eine artenreiche Tierwelt, zu der auch rund 2000 Rothirsche zählen. Beste Chancen, sie während der Brunftzeit von Mitte September bis Anfang Oktober zu beobachten, bieten sich im ursprünglich gebliebenen Val Mingèr. Wandertipp: die Überschreitung der Fuorcla Val dal Botsch (2677 m) hinüber zum Ofenpassgebiet mit seinen tiefen Bergföhrenwäldern (13,5 km, 6 Std., 1100 Hm). engadin.com
Wallis: Traumtour in der Derborence
Wandern zwischen Schluchtwänden und Karstplateaus in der Schweiz: Der urwüchsige Talkessel der Derborence liegt auf 1500 Meter Höhe, die gut ausgeschilderte Wanderung führt am zweiten Tag über den Kessel hinaus bis auf 2518 Meter Höhe. Aufstieg: Ardon – See von Derborence (ca. 4h); Derborence–Ovronnaz (ca. 7h). Mit dem PKW auf der Autobahn 1 bis Bern, dann A12 bis Vevey am Genfer SeeH und A9 über Martigny bis zur Abfahrt Conthey-Vétroz. Alternativ Autobahn 6 bis Thun und per Zug mit der Autoverladung am Kandersteg nach Goppenstein. Von dort noch 45 Kilometer auf der A9 bis Ardon. Der Ort ist per Bahn und Bus erreichbar. Weitere Infos zum Lac de Derborence findet ihr auch auf myswitzerland.com
Allgäu: Gipfelgenüsse
Wenn sich der herbstliche Morgennebel am Alpsee bei Immenstadt lichtet, gibt er den Blick frei auf die Nagelfluh-Kette, die sich im Süden mit 16 Gipfeln entlangzieht. Bis in den Oktober lockt dort eine dreitägige Hüttentour, die einen hoch über den See befördert. Sie startet an der Hochgratbahn bei Oberstaufen – 42 Kilometer und 2200 Höhenmeter Allgäu-Panorama vom Feinsten. Über die grün-gewellte Prodelalpe und ein Kammstück geht es erst zum Kemptner Naturfreundehaus, anderntags steht man am Hochgrat am höchsten Punkt (1834 m) und schaut bis zum Bodensee und über die Allgäuer Hochalpen bis zum Alpenhauptkamm. Auf dem Grat wandernd leitet der Weg entlang der Nagelfluhkette zum Staufnerhaus (bis 20.10.), an Tag drei wartet vor dem Hochhäderich ein seilversichertes Stück, dann der Abstieg nach Steibis. Zurück im Gästebus. Infos: allgaeu.de
Königssee: Kleine Reibn ganz groß
Hoch über dem Ostufer des Königssees verläuft sie, die Kleine Reibn. Ihr Name bedeutet zwar kleine Runde, aber mit achteinhalb Stunden und 1260 Höhenmetern hat sie es schon in sich. Dafür genießen Bergfreunde hier mit einiger Sicherheit bis Anfang Oktober ein gigantisches Panorama, oft auch länger. Die Sicht reicht über die Berchtesgadener Spitzen bis zum Hochkönig, der Watzmann gibt Einblicke in seine 1800 Meter hohe Ostwand, und der Königssee sieht von hier oben einfach am schönsten aus. Unterwegs lockt ganzjährig das Carl-von-Stahl-Haus (1736 m) zur Einkehr, und wenn das Wetter es erlaubt, lässt sich die Tour ab dem Parkplatz Hinterbrand über die Gipfel des Kehlstein (1879 m), des Hohen Göll (2522 m) und Hohen Brett (2340 m) zu einer zünftigen Zweitagesrunde ausbauen. Wahrscheinlich laufen einem auch einige Steinböcke über den Weg. Infos: berchtesgaden.de
Interview: Herbsttouren gut planen
Bernd Zehetleitner, Leiter der Bergschule Oberallgäu, über die Basics.
Man sollte natürlich zunächst daran denken, dass die Tage wieder deutlich kürzer werden. Also ist es wichtig, zusätzlich zur angegebenen Tourdauer Zeitreserven einzuplanen.
Häufig bieten die Tourismusverbände der jeweiligen Destinationen online gute und attraktive Tourenempfehlungen, auch mit jahreszeitlichen Angaben. Bei Empfehlungen von irgendwelchen Privatautoren sollte man dagegen vorsichtig sein.
Schon, aber oft sind sie pauschal und grob. Am besten die Website der jeweiligen Hütte googeln. Hier sieht man genau, ob und wann geöffnet ist.
Neben wetterangepasster Wechsel- und Wärmekleidung dürfen eine Stirnlampe und ein Erste-Hilfe-Set nicht fehlen. Dazu Getränke, gegebenenfalls warm, und Snacks je nach Tourlänge. Geld fürs Parken und für eine Einkehr nicht vergessen!
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