Hotspots unter Druck
Tausende Menschen drängen täglich zu ikonischen Fotopunkten wie der Seceda-Kante (siehe Bild unten), dem Karersee, den Geislerspitzen oder den Drei Zinnen. Bilder von Schlangen vor Instagram-Hotspots und überfüllten Seilbahnen gehen viral.
Seit einigen Tagen ist auch das umstrittene Drehkreuz auf dem Wanderweg zur Seceda wieder in Betrieb. Es wurde von genervten Grundbesitzern installiert, um etwas gegen den täglichen Ansturm von Touristen zu unternehmen. Verschiedenen Medien- und Blogberichten zufolge, wurden in mehreren Tälern bereits Verkehrsregelungen eingeführt – die "Besucherscharen" müssen teils frühmorgens anreisen oder auf Shuttle-Systeme umsteigen, um Trailheads und Startpunkte für Touren überhaupt zu erreichen.

Dieses Bild der Seceda wollen viele gerade selbst machen - und reisen dafür aus aller Welt nach Südtirol.
Wissenschaftlicher Weckruf
Beim Dolomites UNESCO Forum II, veranstaltet vom Eurac Center for Advanced Studies in Bozen, wurde das Thema Overtourism bereits erstmals systematisch analysiert. Ein zentraler Punkt: Die Lebensqualität der lokalen Bevölkerung leidet spürbar – sei es durch Verkehr, Lärm oder eine zunehmende Entfremdung von den eigenen Orten. "Besucherlenkung muss ganzheitlich gedacht werden", so das Fazit der beteiligten Forscher*innen. "Die Belastbarkeitsgrenze von Mensch und Natur sei teilweise schon erreicht bzw. an manchen Orten durchaus schon überschritten."
Das gilt übrigens nicht nur für Südtirol und die Dolomiten – auf den Lofoten in Norwegen ist derzeit eine ähnliche Situation entstanden (wir berichteten bereits), ebenso gibt es seit einigen Jahren rund um den Königssee im Berchtesgadener Land Probleme mit den Touristenmassen oder auf der Zugspitze, Deutschlands höchstem Gipfel. Hier wurde erst kürzlich ein zweites Gipfelkreuz errichtet, um die Gefahr von Unfällen beim "Gipfelfoto-Shooting" zu verringern und den "Verkehr" zum eigentlichen Gipfelkreuz etwas zu entlasten.
Erste Maßnahmen greifen
Die autonome Provinz Südtirol zieht Konsequenzen: Berichten zufolge soll es an mehreren Hotspots jetzt neue Obergrenzen und digitale Zugangssysteme geben – ähnlich wie in Venedig. Auch der Neubau touristischer Unterkünfte wurde stark eingeschränkt. Gleichzeitig fordern Alpenverein und lokale Gruppen mehr Rücksichtnahme und appellieren an die Eigenverantwortung: ein "Berg-Knigge" soll Gäste beispielsweise sensibilisieren.
Sichtbare Spuren – und Protest
Auf Instagram, facebook und Co. dokumentieren viele Outdoor-Enthusiasten seit neuestem nicht nur die Schönheit der Region, sondern auch ihre Schattenseiten: Trampelpfade neben offiziellen Wegen, überfüllte Hütten, Müll und Lärm. In den Dolomiten wird die Frustration über den Massentourismus nun also auch physisch sichtbar. Zuletzt protestierten Aktivist:innen in Gröden mit einer rot-weißen Schranke – als symbolische Grenzlinie gegen die Touristenmassen. In Bozen machten Einheimische mit Plakaten auf die ungleiche Belastung aufmerksam: Während Tourist:innen kostenfrei Bus und Bahn nutzen, zahlen Südtiroler:innen regulär – eine neue Abgabe soll für Ausgleich sorgen. Auch verbale Protestformen nehmen zu. In mehreren Orten wie St. Ulrich oder an stark frequentierten Talstationen kursieren Aufrufe für ein nachhaltigeres Tourismusmodell. Die Diskussion ist längst auch in der Landespolitik angekommen.
Natürlich sind solche Zustände ärgerlich, konzentrieren sich aber vorwiegend auf die "Hotspots" mit guter Anbindung an Verkehr und Seilbahnen. Wer weiterhin einsam in den Südtiroler Bergen unterwegs sein will, kann dies in einiger Entfernung dazu problemlos machen, wie wir erst kürzlich wieder erleben konnten: