Jetzt hält uns nichts mehr: Um fünf Uhr morgens schwingen Florian und ich uns auf die Sättel, ein Stück südöstlich von Reykjavík. Unsere Räder, vollgepackt bis hinunter auf die Lowrider, ächzen unter ihrer Last. Zwei Wochen lang werden wir der berühmten Ringstraße folgen, die einmal rund um die ganze Insel führt, 1000 Kilometer gegen den Uhrzeigersinn, und dann die Nordsüd-Passage Kjalvegur zurück zum Start nehmen.
Schon am ersten Tag zeigt Island uns unsere Grenzen auf, auf einem Abstecher von der Ringstraße in das Gletschergebiet Þórsmörk. Grünes Moos leuchtet auf dem tiefen Schwarz wilder Lavaberge, ein unglaublicher Kontrast für die Augen von Mitteleuropäern. Doch der grobe Schotterweg wird immer schlechter. »Vielleicht hätte ich doch dickere Reifen nehmen sollen«, sagt Florian. Ich habe dickere Reifen, doch auch mir fällt das Treten immer schwerer. Entgegenkommende Jeepfahrer raten von einer Weiterfahrt auf der Piste ab, und schweren Herzens kehren wir zurück zur Ringstraße.
Island: Zwischen surrealer Schönheit und miesem Wetter
Wiesen voller weißer Punkte säumen den Weg nach Osten – Schafe trifft man auf Island häufiger als Menschen. Das Wetter fordert Humor: Mal peitscht uns der Regen ins Gesicht, mal nieselt er so leicht, dass er sich kaum vom Nebel unterscheidet. In der Ferne ragen Vulkane auf, die gerade recht friedlich wirken. Und dann, am vierten Tag, türmt sich links der Straße der Gletscher Vatnajökull vor uns auf, über 2000 Meter hoch und so riesig, dass er halb Thüringen bedecken würde. Nur einen Steinwurf entfernt rollt der Atlantik ans Ufer, dazwischen funkelt der Jökulsárlón, eine acht Kilometer lange Gletscherlagune, auf der blau-schwarze Eisberge schwimmen.

Ein Bus bringt uns zum über 400 Kilometer entfernten See Mývatn im Nordosten. Die Ringstraße führt ab hier entlang von Kraterlandschaften, Vulkanbergen und Fjorden zum Höhepunkt unserer Tour: der Hochlandroute Kjalvegur. Es ist unser elfter Tourtag, als wir kurz nach Varmahlíð linksin die Wildnis abbiegen. »Endlich«, sagt Florian, und ich weiß, was er meint: Endlich wird Island so einsam, wie wir es uns erträumt haben. Das Erlebnis hat seinen Preis – der Gegenwind bremst uns fast bis zum Stillstand. Zwanzig Kilometer, und die Beine brennen. Aber dann taucht mitten im Nirgendwo eine Hütte auf. Nebenan sprudelt sogar ein Outdoor-Whirlpool, und auch die Gesellschaft stimmt: Eine quirlige Herbergsmutter, Franzosen und Italiener sorgen für einen amüsanten Abend. Das Highlight kommt am Ende: Polarlichter flackern am tiefschwarzen Hochlandhimmel.

Der Wind soll uns ein treuer Begleiter bleiben. Dafür beeindruckt kurz vor Reykjavík noch einmal die Natur: Der Fluss Hvíta stürzt am Gullfoss-Wasserfall in eine 70 Meter tiefe Schlucht. Herausforderung und Schönheit liegen auf Island eben nah beieinander.
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Faszination Island – Bilder:




