»Am Rande der Zeit: Männerwelten im Kaukasus«, steht auf dem vergilbten Filmplakat. Andrea und ich haben es in unserer Unterkunft in Ushguli entdeckt, einer Ansiedlung im Kaukasus, genauer: in der georgischen Region Svanetien, die nur einen Katzensprung von Russland entfernt liegt. Begleitet von Iamse, einer einheimischen Führerin, sind wir in fünf Tagen von Mestia hierher gewandert.
Dieser Georgien-Trek hat uns von Anfang an begeistert: Schon auf dem ersten Abschnitt führt er durch menschenleere Weiler, und jedes Mal, wenn wir uns umdrehen, grüßen der höchste Berg Georgiens, der 5200 Meter hohen Shkhara, und der markante Doppelgipfel des Ushba herüber. Am Abend kommen wir bei Einheimischen unter, die in der urigen Küche alles auftischen,was Stall und Garten bieten. Mehr Bio geht nicht – und ist typisch für die Lebensweise in den spärlich bewohnten archaischen Steinturmsiedlungen der Region.

Es grenzt an ein Wunder, dass die über achthundert Jahre alten Türme überhaupt noch stehen, denn hier rollen immer wieder gewaltige Lawinen in die Täler. Unsere nächste Unterkunft hat die Naturgewalten nicht schadlos überstanden – jedenfalls vermuten wir das beim Blick auf eine Pappwand, die die fehlende Außenwand der Schlafkammer ersetzt. Dennoch steigen wir am nächsten Morgen ausgeruht durch die herbstlich gefärbte Berglandschaft zum Chkunderi-Pass auf. Oben präsentiert sich ein grandioses Gletscher-Panorama und der strahlend weiße Gipfel des Tetnuldi.
Unten in Khalde, einer Siedlung, die nur aus einem einzigen Haus besteht, bekommen wir völlig unerwartet nicht nur Bier, sondern auch eine Mitfahrgelegenheit nach Ushguli. So können wir uns die morgige Etappe an der staubigen Straße entlang sparen. Mit fünf weiteren Wanderern plus Rucksäcken holpern wir in einem maroden Militärjeep die abenteuerliche Piste hinab ins Tal. Steil geht es neben der Straße in den Abgrund, und wir sind froh, dass die Bremsen halten und wir Ushguli heil erreichen.

Als wir früh am nächsten Morgen Richtung Shkhara-Gletscher laufen, begegnen uns nur ein paar Bauern, die mit geschulterter Sense zu den riesigen Almwiesen reiten. Der Pfad auf den Bergrücken zu unserer Rechten, auf dessen Grat wir zurück nach Ushguli wandern wollen,verliert sich immer wieder im Geröll und unter hohen Rhododendronbüschen. Endlich weicht das Dickicht, und es geht steil zum Sattel hinauf. Er gibt eine atemberaubende Aussicht auf die Gipfel und Gletscherströme der Fünftausender frei. Danach wandern wir stundenlang auf 3000 Meter Höhe über den breiten Grat und sehen am Horizont den Elbrus. Weit unten tauchen wieder die Wehrtürme Ushgulis auf, und auch wir fühlen uns »am Rande der Zeit«. Doch wie lange können solche Orte ihre Ursprünglichkeit in den »Männerwelten des Kaukasus« noch bewahren?

Jetzt seid ihr dran: Schickt uns EURE Leserreportage!
outdoor veröffentlicht jeden Monat eine Leserreportage. Schickt uns eure Texte (3000 Zeichen) und Bilder (300 dpi), wir prüfen sie und wählen die besten aus. Keine Sorge: Ihr müsst dabei nicht mit einer Anakonda gerungen haben – eine gute Reportage kann auch vom Wandern im Mittelgebirge handeln. Das Honorar beträgt 150 Euro.
Schickt bitte eure Story mit dem Betreff „Leserreportage“ an: info@outdoor-magazin.com
Ausrüstungstipps für Trekkingtouren:




