Christo Foerster über seinen neuen Film Abenteuerland

Christo Foerster - Abenteuerland
Zu Wasser und zu Fuß durch Deutschland

Interview
Zuletzt aktualisiert am 09.08.2023
Wie kamst du auf die Idee, zu Fuß und mit dem SUP ganz Deutschland zu durchqueren?

Christo Foerster: Ich wollte ein großes Abenteuer vor der Haustür. Auf der Karte fielen mir Zugspitze und Sylt ins Auge. Ab dem Moment war die Idee so klar, dass ich wusste, sie würde mir sowieso nicht mehr aus dem Kopf gehen.

Du bist eigentlich bekannt für deine "Mikroabenteuer" ...

Stimmt, aber ich war neugierig, ob auch ein Makroabenteuer in Deutschland möglich ist. Ich habe nur unter freiem Himmel geschlafen und mich komplett aus eigener Kraft durchgeschlagen. Gleich am Anfang musste ich erst mal gucken, wie ich mit 40 Kilo inklusive SUP von der Zugspitze runterkomme. Zu dem Projekt habe ich mich in der Hochphase der Pandemie entschieden, ich hatte das Gefühl, ich musste ein paar Dinge für mich neu ordnen. Weiter weg reisen ging nicht, also wollte ich Deutschland erkunden.

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Wie lange warst du unterwegs?

54 Tage für 1000 Kilometer auf dem Wasser und 600 an Land. Du wurdest filmisch begleitet. Wann ist die Doku zu sehen? Kai Hattermann hat mit "Abenteuerland" einen großartigen Film geschaffen. Wir gehen ab dem 13. Juni auf große Kinotour. Alle Termine gibt’s unter abenteuerland-film.de

1000 Kilometer auf dem Wasser, 600 zu Fuß, immer draußen sein, auch bei Regen. Das ist schon eine Ansage.

Ja, aber trotzdem keine übermenschliche Leistung, finde ich, zumal man die Reise auch in Etappen unternehmen könnte. Ein Abenteuer muss nichts Großes sein, das man sein Leben lang vertagt, im Gegenteil. Auch eine Nacht draußen allein in der Hängematte kann zu einem besonderen Erlebnis werden. Klar, die Rahmenbedingungen in Deutschland sind andere als irgendwo im Dschungel, ich hätte jederzeit in den Zug steigen können, um zurück zu meiner Familie zu fahren. Ich musste mich jeden Morgen bewusst entscheiden, ob ich die Reise fortsetze. Ich habe mir selbst Regeln auferlegt: nur draußen schlafen, alle Strecken aus eigener Kraft zurücklegen, von der ersten Minute an alles dabeihaben, was ich benötige, nur Lebensmittel habe ich dazugekauft. Deswegen habe ich auch mein Board, das Paddel und die ganze Ausrüstung von der Zugspitze hinunter bis zum Eibsee getragen.

Mit "Abenteuerland", dem Film zu deiner Reise, bist du gerade auf Deutschlandtournee. Wie ist die Resonanz?

Sehr gut, viele Leute sind berührt davon, wie leise und unaufgeregt der Film ist, wie er sie zur Ruhe bringe. Das war uns, also dem Regisseur Kai Hattermann und mir, auch ein Anliegen. Er wollte keine Heldengeschichte daraus machen, sondern einen authentischen Blick auf meine Reise bieten. Die Fertigstellung des Films hat zwei Jahre gedauert, die Filmmusik hat Tom Linden eigens für unser Projekt komponiert. Mit meiner Reise und dem Film wollen wir einen Gegenentwurf zum actiongetriebenen Abenteuer am Rande der Welt liefern, zeigen, was direkt vor unserer Haustür möglich ist. Im Grunde kann es mir jeder und jede gleichtun.

Trailer zum Film "Abenteuerland"

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In deinem Podcast »Frei raus« erzählt Kai Hattermann, dass es herausfordernd war, in deine Gefühlswelt vorzudringen.

Ja, er wollte meinen inneren Prozess abbilden. Aus seiner Perspektive habe ich eine Entwicklung durchgemacht, vom überambitionierten Motivationscoach, der die Zugspitze runterrockt, hin zum nachdenklichen, sehr in sich gekehrten Typen, der nach einer langen Reise oben auf Sylt ankommt. Aber für mich war das eher Ausdruck einer tiefen Zufriedenheit. Ich hatte das Gefühl: Für mich ist alles gut, wie es ist, was war und was kommt. Ob ich auf Sylt ankomme oder nicht, war nicht mehr entscheidend, um einen Rekord ging es mir eh nie. Dass diese Reise noch niemand gemacht hatte, faszinierte mich, weil so ein ganzes leeres Buch vor mir lag, das ich füllen konnte.

Wie lief der Dreh ab?

Von 54 Tagen waren 21 Drehtage, wir haben uns zuvor überlegt, wo wir uns treffen, und haben dann im Block gedreht. Den größten Teil der Reise war ich alleine, das war auch wichtig, weil ich mich sonst nicht mit der Natur hätte verbinden können.

Wie hast du die Route geplant?

Der einfachste Weg hoch in den Norden wäre definitiv der Rhein gewesen, aber ich wollte mehr sehen als nur diesen einen Fluss. Das hat sich total gelohnt. Gestartet bin ich an der Zugspitze in Bayern, Flüsse auf meiner Reise waren die Loisach, Isar, die Donau, die Saale und die Elbe, im Norden bin ich auf der Nord- und Ostsee gepaddelt. Ich habe Ecken entdeckt, von denen ich nicht geahnt hätte, dass ich sie in Deutschland finden würde. Besonders beeindruckend waren der Donaudurchbruch mit seinen meterhohen Wänden direkt am Wasser, der fjordähnliche Oberlauf der Saale im Thüringer Schiefergebirge und das Wendland an der Elbe. Aber ich habe auch gemerkt, dass schöne Momente überall entstehen können und nicht zwingend vom Ort abhängig sind. Ein schöner Lichteinfall, der Morgentau im Wald, Nebel über dem Fluss: Es braucht nicht immer die atemberaubende Kulisse.

Welche Momente haben dich am meisten beeindruckt?

Schön war natürlich, als meine Frau mit meinen zwei Kindern zu Besuch kam. Das hat mir in der Halbzeit meines Projektes nach vier Wochen neue Motivation verliehen. Meine Frau hatte eine kleine Blockhütte für uns gemietet, ich habe aber die Nacht mit meinem Sohn draußen in der Hängematte verbracht. Auch der Abend vor meiner Ankunft auf Sylt, da habe ich mich sehr dankbar und innerlich ruhig gefühlt, mit der Welt versöhnt und sehr zufrieden.

Und was hat dich genervt?

Einmal hat es tagelang durchgeregnet, da war ich irgendwann komplett durchnässt. Nur meine Schlafsachen, die ich extra wasserdicht verpacke, waren noch trocken. Direkt am Anfang hatte es Hochwasser an der Loisach, da konnte ich nicht aufs Wasser, sondern musste laufen. Meine Ausrüstung habe ich auf einem kleinen Bootswagen hinter mir hergezogen, mein Paddel hat dabei als Deichsel fungiert und die Reifen verbunden. Das hat mir weniger Spaß gemacht, aber ich musste natürlich immer wieder zu Fuß gehen, um schwierige Passagen zu überwinden oder einen anderen Fluss zu erreichen. Das gehörte dazu.

Christo Förster Abenteuerland
Jozef Kubica
Wie hast du dich verpflegt?

Ich habe immer darauf geachtet, gut zu frühstücken. Abends habe ich mir Couscous mit frischem Gemüse wie Champignons und Zucchini oder eine Thaipfanne mit Fertigsoße zubereitet, für Zwischendurch hatte ich Riegel und eine Staude Bananen dabei.

Wie bist du überhaupt dazu gekommen, Mikroabenteuer zu deinem Thema zu machen?

Ich bin schon immer viel gereist, habe als Journalist gearbeitet. Dann haben sich meine Lebensumstände geändert, ich bin Vater geworden, meine Prioritäten haben sich verschoben, aber die Sehnsucht nach Abenteuer war noch da. Ein Aha-Erlebnis hatte ich, als ich 2017 spontan über Nacht mit dem Rad von Hamburg nach Berlin gefahren bin. Ich hatte mich mit einem Freund zum Frühstücken am Brandenburger Tor verabredet und habe es tatsächlich mit leichter Verspätung zum Treffpunkt geschafft. Als ich dann müde, aber glücklich im Zug zurückgefahren bin, ist mir klar geworden, dass es nicht viel braucht, um dem Alltag zu entfliehen. Das habe ich immer wieder gemacht, bis ich irgendwann merkte, dass diese Mikroabenteuer auch andere interessieren. Es wurde dann mein Thema, ich habe einen eigenen Podcast, gebe Vorträge, habe Bücher veröffentlicht. Mein erstes Buch musste ich damals noch selbst verlegen, weil kein Verlag Interesse hatte. Für dieses Buch habe ich auf der Frankfurter Buchmesse den Selfpublisher-Preis gewonnen. Das ist nun anders, vor allem durch die Pandemie hat sich das Naturverständnis in Deutschland stark verändert. Das Thema Mikroabenteuer ist aber nicht meine Erfindung, im englischsprachigen Raum hat Alastair Humphreys den Begriff geprägt, ich habe ihn später nach Deutschland gebracht.

Wie ging deine Familie mit deiner langen Reise um?

Ich bin meiner Frau und den Kindern sehr dankbar, dass sie mich unterstützt haben. Wir haben uns gegenseitig sehr vermisst, aber mit jedem Schritt habe ich mich ihnen näher gefühlt als jemals zuvor. Umso schöner war es, als wir uns unterwegs getroffen haben und sie mich auf Sylt empfangen haben. Meine Kinder, 11 und 13, sind auch gerne draußen. Für mich ist es aber sehr wichtig, ihnen nicht meine Vorstellung von Abenteuer aufzuzwingen. Sie sollen ihre eigenen Erfahrungen machen und frei entscheiden.

Christo Förster Abenteuerland
Jozef Kubica
Zu deinen Abenteuern gehört dazu, draußen zu übernachten. Anders als zum Beispiel in Skandinavien darf man das in Deutschland nicht einfach so.

Das stimmt, Zelten darf man nicht, deswegen nutze ich immer die Hängematte, die übrigens sehr bequem ist. Ausruhen ist aber nicht verboten, in der Hängematte liegen, in die Sterne gucken, einschlafen, das darf ich, vorausgesetzt, ich halte mich nicht in einem Schutzgebiet oder auf Privatgrund auf. Dazu kommen die ungeschriebenen Gesetze: keinen Müll hinterlassen, ruhig sein, Stirnlampe abdimmen, um nicht alles auszuleuchten, kein Feuer machen, das gilt bei Waldbrandgefahr auch für einen Gaskocher. Ich finde es wichtig, draußen sein und auch unter freiem Himmel schlafen zu dürfen.

Würdest du dich selbst als Berufsabenteurer bezeichnen?

Also ich verdiene mein Geld mit meiner Arbeit zum Thema. Dabei mache ich alles selbst, konzipiere, spreche und schneide meinen Podcast, betreue meine Social-Media-Kanäle, kümmere mich um meine Website. In der Selbstvermarktung habe ich sicher noch Nachholbedarf, aber bei mir stehen Inhalte und Authentizität über dem Monetären. Abenteuer bedeutet für mich, Freiheit zu spüren, selbstbestimmt unterwegs zu sein, Neues zu entdecken. Wenn ich draußen bin, gewinne ich Klarheit, und die Probleme der Welt rücken auch mal in den Hintergrund. Ich mache mir dann später gerne wieder Gedanken um sie, aber in diesen Momenten nicht.

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