Doku-Start am 9. April: In höchster Not – Bergretter im Einsatz

Neue Bergwacht-Doku + Interview
Bergretter im Einsatz

Update
Zuletzt aktualisiert am 02.04.2025
Fernsehdoku: In höchster Not - Bergretter im Einsatz
Foto: BR, Timeline Production

Das Streaming-Highlight des BR begleitet echte, teils gefährliche Rettungseinsätze der Bergwachten Grainau und Ramsau vor der atemberaubenden Kulisse der alpinen Bergwelt, stets aus der Perspektive der ehrenamtlichen Retterinnen und Retter.

Ausgestrahlt wird die achtteilige Doku-Serie ab Mittwoch, 9. April, in der ARD Mediathek – das BR Fernsehen zeigt die ersten vier Folgen ab Montag, den 14. April. Die Doku bietet einen fesselnden Einblick in die Welt der Bergrettung und zeigt die vielfältigen Herausforderungen, denen die Retterinnen und Retter gegenüberstehen, was sie leisten, erleben und empfinden. Denn trotz ihrer Schönheit bergen die bayerischen Alpen auch zahlreiche Gefahren, z.B. wenn die Tourenplanung nicht stimmt, das eigene Leistungsvermögen über- oder die Natur unterschätzt wird.

Roland Ampenberger ist Pressesprecher der Bergwacht Bayern und seit 30 Jahren in der Organisation aktiv. Er weiß, warum Unfälle passieren, was dann zu tun ist, wann Einsätze knifflig werden – und vor allem: wie die ehrenamtlichen Rettungsteams gar nicht erst gebraucht werden.

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BW Bayern/W. Kronwitte
Roland, wenn es nach den Schlagzeilen geht, seid ihr quasi im Dauereinsatz. In den vergangenen Jahren wurden immer neue Rekorde der Einsatzzahlen vermeldet. Ist die Rettungsnot in den bayrischen Alpen wirklich so groß geworden?

Roland Ampenberger: Nicht wirklich, in den vergangenen Jahren waren die Zahlen etwa gleichbleibend hoch: rund 3500 Einsätze im Sommer und etwa 4500 im Winter. Auch zuvor stiegen sie im Verhältnis zur wachsenden Zahl an Bergsportlern nicht übermäßig an. Während der Coronazeit nahmen die Einsätze im Sommer zwar zu, im Winter hingegen sank die Zahl sogar – weil die Skigebiete geschlossen waren. Grundsätzlich schwanken die Winter auch aufgrund der unterschiedlichen Schneelagen stärker als die Sommer. Der Hype aus den Medien ist jedenfalls etwas überspitzt.

Sprechen wir über die Winter. Was sind da für euch die häufigsten Einsatzursachen?

An sich passiert am meisten beim alpinen Schneesport, also klassisches Sturzgeschehen. Vergangenen Winter waren es 4451 Einsätze. Davon entfielen über 3000 auf Ski- und Snowboardfahrer im Pistenbereich. Wie groß der Anteil der Pisten-Tourengeher darunter ist, geben die Zahlen nicht her. Die meisten Unfälle passieren aber in der Abfahrt – ob nun mit Touren- oder mit Pistenski. Im freien Gelände kommen noch Lawinenabgänge dazu, bei denen Personen erfasst werden. Aber das sind deutlich weniger Fälle.

Stichwort Skitour: Da gibt es meist keine präparierten Abfahrten. Und manche kommen schon ganz schön erschöpft oben an, ehe die Abfahrt bevorsteht. Was verursacht beim Tourengehen die meisten Unfälle? Gibt es da Muster?

Die Erwartungshaltung durch tolle Bilder wird zunehmend ein Problem. So entsteht oft eine falsche Vorstellung von der Wirklichkeit bei den Leuten – und das kann gefährlich werden. Bei Skitouren wie bei Bergtouren im Allgemeinen. Wenn Menschen am Berg unterwegs sind, braucht es eine Demutshaltung. Jedoch sind viele von der Natur zu weit entrückt, und es fehlt am Risikobewusstsein. Bei Wind und Wetter ist die Situation dann anders als die perfekten Bedingungen, die auf Fotos gezeigt werden. Das stellen die Menschen in Not immer wieder fest. Bei der Abfahrt passiert mehr als im Aufstieg. Da herrscht mehr Risiko, und das skifahrerische Können reicht bei einigen für schwierige Verhältnisse nicht aus. Hinzu kommt: Der bayrische Alpenraum ist wohl einer der frequentiertesten Teile der Alpen. Und wo sich viele Leute tummeln, passiert eben mehr.

Bergwacht Winter Schnee Ski Rettung Berge
BW Bayern/Olga v. Plate
Welche Rolle spielt der Klimawandel bei den Unfällen – und für eure Einsätze?

Der Faktor Wetter ist schon immer eine Herausforderung, der kommt nicht neu dazu. Was sich mit dem Klimawandel ändert: Man muss sich darauf einstellen, dass die damit zusammenhängenden Gefahren und Risiken mitunter häufiger und unerwarteter auftreten. Große Niederschlagsmengen führen am Berg temporär zu hoher Lawinengefahr und weiter unten zu Hochwassergefahr. Auf diese Situation müssen sich die Rettungsteams vermehrt einstellen. Gleiches gilt für Berg- und Wintersportler, die im Gebirge und der Natur unterwegs sein wollen. Das heißt, dass man Tourenprojekte an die lokalen Bedingungen anpasst und akzeptiert, dass sich Saisonzeiten verschieben. Man muss sich auf das sich ändernde Klima einstellen und mitdenken. Sowohl die Bergsportler, aber auch wir bei Einsätzen.

Wenn in meiner Gruppe auf Tour etwas passiert – wie sollen wir reagieren?

Wichtig ist es, einen kühlen Kopf zu bewahren und an die eigene Sicherheit und die der Gruppe zu denken. Dazu zählt, auf der Piste wie im Gelände, die Unfallstelle abzusichern. Ist Gefahr im Verzug, etwa ein Schneebrett? Befindet sich der Verletzte an einem gefährlichen Ort? Können andere die Stelle sehen? Ist alles sicher, macht man sich ein Bild der Lage und davon, wie es der verunfallten Person geht. Dann informiert man so schnell wie möglich die Rettungs-Leitstelle. Europaweit gilt die Notrufnummer 112. Zusätzlich existieren örtliche, länderspezifische Notrufnummern oder auch Notfallapps. Für die Leitstelle ist bei den W-Fragen besonders wichtig, wo genau sich der Unfallort befindet. Weiter: Was ist geschehen? Wann ist es passiert? Wie viele sind verletzt? Wer meldet den Unfall? Nachdem man seine Kontaktdaten übermittelt und den Notruf beendet hat, muss man weiterhin erreichbar bleiben!

Wie läuft die Rettungskette ab da auf eurer Seite ab?

Die Leitstelle informiert die zuständige Bergwacht, übermittelt die Informationen, und es werden die benötigten Rettungsmittel angefordert. Der Einsatzplan hängt von vielen Faktoren ab: Ist es ein Unfall oder Lawinenabgang? Ist die Stelle leicht erreichbar oder steht eine komplizierte Bergung bevor? Weitere Kriterien sind Wetter und Tageslicht. Die Dauer bis zum Eintreffen kann entsprechend den Rahmenbedingungen stark variieren: Von wenigen Minuten auf der Piste bis zu wesentlich länger im freien Gelände. Wichtig ist deshalb immer die Eigenverantwortung der Leute: Man darf nie auf Tour gehen in dem Gefühl, "wenn was schiefgeht, holen die mich schon". Gerät man trotzdem in Not, ist das Wichtigste bis zum Eintreffen der Bergwacht der Wärmeerhalt! Mit Rettungsdecke, Jacken und was sonst verfügbar ist...

Wie ist dein Eindruck? Funktioniert das?

Ja, das funktioniert im Großen und Ganzen sehr gut. Es gibt mittlerweile ja viele Möglichkeiten, sich zu informieren. Das nutzen die Leute auch. Wichtig ist darüber hinaus aber die Praxis, regelmäßiges Training: Nur so lerne und übe ich das richtige Verhalten und mit meiner Sicherheitsausrüstung umzugehen.

Was erschwert eine Rettung für euch?

Da gibt es einige Dinge: Wetter, Gelände, Tageslicht, eine schwere Verletzung, die eine Bergung verkompliziert – viele Faktoren können wir nicht beeinflussen. Suchen bei Dunkelheit und schlechter Sicht sind extrem schwierig, und Helikopter können bei bestimmtem Wetter nicht fliegen. Dann können wir mitunter nur mit Hunden am Boden arbeiten. Auch deshalb ist die erwähnte Selbstverantwortung so wichtig. Für eine Rettung gibt es einfach keine Garantie!

Bergwacht Hund Schnee Winter
BW Allgäu/D. Berchthold
In welchen Regionen muss die Bergwacht am häufigsten ausrücken?

Hotspots sind etwa das Allgäu, das Werdenfelser Land, die Tölzer Gegend um Brauneck, oder die Spitzingsee-Region – dort wo viel Wintersport stattfindet. In den Berchtesgadener Alpen dominiert nach Zahlen der Sommer. Pistenskilauf hat da stark an Bedeutung verloren, wir verzeichnen hier aber regelmäßig Unfälle bei Skitouren und auch Lawinenunfälle.

Wie vermeide ich Unfälle am besten?

In dem man seine Ausrüstung gepflegt und aktuell hält, sie zu benutzen weiß und sich vor der Tour umfassend informiert. Sowohl die Tour als auch das Material sollten zu meinem Können passen. Ultraleichtes Rennmaterial beim Einsatz im Steilhang ist für Anfänger zum Beispiel nicht die richtige Wahl. Wichtig ist zudem die Übersetzungsleistung der digitalen Info in die Realität. Wir können Schneebedingungen und Wetterprognosen so genau wie nie abrufen – müssen aber dann die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Das ist im Winter nochmal komplexer. Auf den Punkt gebracht: Der Winter ist nicht der Sommer in Weiß.

Mit welchen Kosten muss man für eine Bergung ungefähr rechnen?

Zunächst ist wichtig zu wissen: Wenn man verletzt ist, erstattet die Krankenkasse die Kosten. Ist man nicht verletzt, zahlt man die Bergung selbst. Zusatzversicherungen, etwa durch eine Mitgliedschaft im Alpenverein, übernehmen die Kosten jedoch auch dann. Bergwachteinsätze werden nach Kostenpauschalen in drei Kategorien abgerechnet. Die bewegen sich grob zwischen 300 und 1700 Euro. Der Einsatz eines Hubschraubers wird vom Betreiber extra veranschlagt, die Flugminute liegt bei etwa 100 Euro.

An welchen Einsatz kannst du dich noch besonders gut erinnern?

Wie wichtig die Kompetenz zur Selbsthilfe ist, zeigt ein Lawinenunfall an der Zugspitze. Da hat eine Schneebrettlawine eine dreiköpfige Gruppe erfasst, eine Person wurde teil- eine andere ganz verschüttet. Als die Bergwacht eintraf, hatten die Freunde den dritten bereits orten und aus rund anderthalb Meter Schnee befreien können.

Bergwacht Winter Schnee Ski Rettung
BW Bayern/Olga v. Plate
Welchen Tipp hast du für Tourengeher zum Start in die Wintersaison parat?

Das Material nicht erst am Parkplatz, beim Ausladen aus dem Kofferraum zu inspizieren, sondern sich gewissenhaft auf die Saison und jede Tour vorzubereiten. So kommt auch gleich Vorfreude auf. Außerdem sollte man stets, zum Start in den Winter aber besonders, daran denken, dass die Reserven im Winter kleiner sind als im Sommer: Es wird früher dunkel, die Kälte und der Schnee fordern uns körperlich mehr ab. Das muss man verinnerlichen! Tipp: Mit kleineren Touren in die Saison zu starten und mit seiner Sicherheitsausrüstung zu trainieren ist eine gute Idee.

Wie bereitet ihr euch auf den Winter vor?

Je nach Jahreszeit passen wir die Ausbildung und das Training an, machen auch die entsprechenden Fahrzeugchecks. Auf Quads ziehen wir etwa Raupenketten auf, überprüfen die Schneemobile gewissenhaft – und bereiten natürlich unsere persönliche Schutzausrüstung vor. Man darf da nichts dem Zufall überlassen und muss alles einsatzbereit haben.

Was ist dein persönlicher Ansporn, bei der Bergwacht zu arbeiten?

Es ist die Idee, Menschen in Not am Berg zu helfen. Unmittelbar draußen im Einsatz, aber auch im Hauptamt, wo wir sicherstellen, dass die Strukturen dafür stimmen. Die Sinnfrage zur Bergrettung stellt sich für mich nicht. Ich schätze die große Solidargemeinschaft und Kameradschaft hier und am Berg sehr. Zusammen etwas Sinnvolles zu leisten hat mich vor 30 Jahren zur Bergwacht gebracht und ist auch heute noch mein Antrieb.

Die Bergrettung erfolgt schon lange organisiert: Viele Bereitschaften feiern dieser Jahre 100-jähriges Jubiläum. Wie verlief die Entwicklung von den Anfängen bis in die heutige Zeit?

Die Anfänge liefen unter anderem über den Alpenverein. In Bayern wurde die Bergwacht 1920 als Natur- und Sittenwacht gegründet. So hatte sie von Beginn an Präsenz im Gebirge. Sie war von Anfang an gefordert, und daraus hat sich bald die Aufgabe als Rettungsdienst entwickelt. Auch Strömungen aus dem Roten Kreuz haben dazu beigetragen. Nach 1945 wurde die Dachorganisation, der Alpenverein, in Deutschland zeitweise verboten, die Bergrettung fiel damit in die Zuständigkeit des Roten Kreuzes. Wie die Wasserwacht gibt es in Deutschland die Bergwacht. Dagegen ist in Österreich zum Beispiel der Bergrettungsdienst ein selbstständiger Verein – die Berg- und Naturwachten der Bundesländer kümmern sich dort nur um Belange des Naturschutzes.

Wie haben sich die Möglichkeiten zur Rettung im Laufe der Jahre entwickelt?

Die Infrastruktur dazu war anfangs nicht besonders ausgeprägt und hat mit dem Tourismus zugenommen. Man kann sagen, dass es drei technische Meilensteine gab, die das beflügelt haben: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden seiltechnische Möglichkeiten, Gebirgstragen und erste Fahrzeuge flächendeckender verfügbar, ab den 1950er Jahren kam die Möglichkeit der Luftrettung dazu. Und Handys, später Smartphones, gibt es nun seit circa 30 Jahren. Das war noch mal ein enormer Schritt. Da ist in 100 Jahren viel passiert und das ist gut so.

Fernsehdoku: In höchster Not - Bergretter im Einsatz
BR, Timeline Production / Max Reichel

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