30 Jahre Klettergeschichte: Meilensteine und Legenden

30 Jahre Kletternews
Meilensteine der Alpin- und Klettergeschichte

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Zuletzt aktualisiert am 28.01.2025

1995

Epochale Leistung, legendärer Spruch: 1993 kletterte Lynn Hill die Nose erstmals frei, meinte keck "Es geht, Jungs" und legte 1994 einen 24-Stunden-Durchstieg des El-Cap-Klassikers nach. Die Berchtesgadener Brüder fühlten sich offensichtlich angesprochen. Ende Mai 1995 gelang Alexander Huber die erste Rotpunktbegehung der berühmten Salathé Wall (8a+, 38 SL, siehe Bild oben). In den folgenden Jahren fand und punktete er mit Thomas weitere Freikletterlinien am "Big Stone": 1998 Freerider (7c+, 33 SL) und El Niño (8a+, 30 SL), 2000 Golden Gate (8a+, 41 SL), 2001 El Corazon (8a+, 35 SL). 2003 schafften sie auch die erste freie Begehung von Zodiac (8b+, 21 SL). 2004 und 2007 waren die Huberbuam am El Capitan erneut "am Limit" unterwegs: Sie stellten Speedrekorde für Zodiac und die Nose auf.

1998

"Das Mixed-Klettern ist für mich die Steigerung des alpinen Bergsteigens und des Freikletterns – du hast vom einen die Gefahr, vom anderen die Kraft und Technik." So beschrieb Robert Jasper 1998 seinen Zugang zum Mixedklettern, das er Anfang desselben Jahres an der Breitwangflue im Berner Oberland mit Flying Circus bohrhakenfrei auf ein neues Niveau gehoben hatte. 2000 konterte der Brite Stevie Haston mit The empire strikes back (M10+/11-), bevor Robert das Maß der Mixed-Dinge 2003 mit Vertical Limits und Batman auf M12 anhob.

2000

Dass das Tessin heute eines der beliebtesten Bouldergebiete weltweit ist – und dass Bouldern generell einen solchen Boom erlebt, geht nicht zuletzt auf die Strahlkraft einer Linie zurück: Dreamtime, erstbegangen am 28. Oktober 2000 durch Fred Nicole. 1992 hatte das Schweizer Kraftpaket der Boulderwelt bereits die erste 8B beschert und 1996 die erste 8B+. Doch die Kingline in Cresciano katapultierte den Mattensport in eine neue Dimension. 2001 sorgte Bernd Zangerl für die erste Wiederholung, es folgten Grade-Diskussionen und ein Griffausbruch. Am 9. November 2024 glückte Michaela Kiersch nun die historische erste Frauenbegehung. Der Mythos lebt!

2001

19 Jahre und 307 Tage nach Wolfgang Güllichs Erstbegehung von Action directe rang Chris Sharma am 18. Juli 2001 sein Langzeitprojekt in Céüse nieder: die Kombination der ersten und zweiten Seillänge von Biographie. Teil Eins (8c+) hatte Arnaud Petit 1996 gepunktet, Teil Zwei besteht laut Sharma aus einer Abfolge von Bouldern im Grad 7C+. Der 20-jährige Kalifornier nannte seine Kreation Realization, einen Grad gab er nicht an. Schnell wurde er belehrt, dass in Frankreich der Einbohrer und nicht der Befreier den Namen vergibt, genauso schnell wurde die nun komplettierte Biographie zur ersten 9a+ der Kletterwelt geadelt. Damit wäre die Geschichte zu Ende gewesen – wenn nicht Adam Ondra im Herbst 2008 das Fass wieder aufgemacht hätte. Nach der ersten Wiederholung von Alexander Hubers Open Air am Schleierwasserfall stufte der damals 15-Jährige die 1996er-Kreation des Bayern als 9a+ ein. Seither hat die Route keine weitere Begehung gesehen. Wem gebühren nun die Lorbeeren für die erste 9a+?

2002

1990 bestrafte Lynn Hill "Jibé" Tribout für seinen Macho-Spruch "Keine Frau wird je 8b+ klettern", indem sie seine Route Masse Critique schneller punktete als er. Dann vergingen Jahre bis zur nächsten Grade-Steigerung im Frauenklettern. Erst 1998 erhöhte Josune Bereziartu auf 8c, 2000 auf 8c+. Ihr nächstes Ziel war klar. "Es sollte eine Route sein, deren Grad außer Zweifel steht" – sie wählte Bain de Sang im Schweizer Saint Loup. Am 29. Oktober 2002 wurde die erste Frauen-9a Realität. 2005 hob die starke Baskin ebendort mit Bimbaluna das Level auf 9a/9a+, woran sich zwölf Jahre lang nichts ändern sollte.

2005

6, M5, WI4, 4000 Meter: soweit die nackten Fakten der Neutour, die Steve House und Vince Anderson vom 1. bis 6. September 2005 durch die Rupalflanke am Nanga Parbat (8125 m) eröffneten. Zwei weitere Tage benötigten sie, um entlang ihrer Route und jener der Messner-Brüder von 1970 wieder ins Tal zu kommen. Die US-Amerikaner klet- terten ohne Hochlager, Fixseile und Flaschen- sauerstoff mit minima- ler Ausrüstung und maximalem Einsatz eine ziemlich direkte, technisch schwierige Linie durch die höchste Steilwand der Erde – ein bahnbrechender Stil, der aber seither nur sehr selten an 8000ern praktiziert wurde.

2006

Fünf Jahre nach Biographie, zehn nach Open Air und 15 Jahre nach Action directe bekam der Frankenjura seine erste 9a+. Selbstredend durch Markus Bock, der das fränkische Klettern damals schon seit Jahren eindrucksvoll dominierte. Die "Thon-Liste" mit den 100 härtesten Routen war zu 80 Prozent mit seinen Kreationen bestückt. Corona befindet sich am Schneiderloch, startet wie Burn 4 U, bevor die Linie mit einer Fünf-Züge-Bouldercrux (etwa 8B) nach rechts abzweigt und in weiteren 15 Zügen im Grad 8b zum Umlenker führt.

2007

Plattig, heikel und voller Kletterhistorie – der Weg durch den Fisch (7b+, 800 Hm) ist ein Mythos. Am 28. April 2007 traf ein Ehepaar in der Falier-Hütte einen jungen Tiroler, wurde tags darauf Zeuge von dessen Free-Solo-Begehung des Fischs und fragte bei uns an, ob wir den kühnen Jüngling kennen. Wir verneinten, fanden aber bald heraus, um wen es sich handelt. Dies war der Start von Hansjörg Auers Karriere als Profikletterer. Sein Fisch-Free-Solo ohne große Vorbereitung bleibt für uns und vermutlich 99 Prozent aller Kletterer eine unfassbare Leistung – und toppte sogar Alexander Hubers Free Solos der Hasse-Brandler (7a+, 500 Hm, 2002) an den Drei Zinnen und von Kommunist am Schleierwasserfall (8b+, 2004) .

2008

"Das hatte nichts mehr mit Bergsteigen zu tun. Ich ging die Eiger-Nordwand an wie eine Joggingstrecke", beschrieb Ueli Steck in klettern 4/09 den Ansatz für seine atemberaubende Speed-Trilogie an den Nordwänden von Eiger, Grandes Jorasses und Matterhorn vom Februar 2008 bis Januar 2009. Für die Heckmair am Eiger benötigte er 2:47 Stunden, für die Colton-MacIntyre an den Grandes Jorasses 2:21 Stunden und für die Schmid-Route am Matterhorn 1:56 Stunden. Als dann Dani Arnold 2011 in 2:28 Stunden durch die Eiger-Nordwand rannte, zündete Ueli vier Jahre später ein zweites Mal den Turbo: 2:22,50 Stunden.

2009

1989 brachten Wolfgang Güllich, Kurt Albert, Milan Sykora und Christof Stiegler das Sportklettern an die ganz großen Berge. Ihre Eternal Flame im Karakorum ist ein Meilenstein der Alpingeschichte, bis auf vier Seillängen kletterte das Quartett damals die 650-Meter-Route bis zum Grad 9- frei. Danach versuchten sich Topkletterer wie Denis Burdet, die Petit- und die Pou-Brüder an einer komplett freien Begehung, doch die Seillängen Zwei und Zehn wehrten sich weiterhin gegen eine Rotpunktbegehung. Ein Fall für die Huberbuam! Bald fanden sie für den Pendelquergang der zweiten Seillänge eine Umgehung, danach eine weitere für die Bohrhakenleiter der zehnten. Vom 11. bis 14. August schrieben die Berchtesgadener ein weiteres Kapitel Klettergeschichte: die erste komplett freie Begehung von Eternal Flame (7c+, 24 SL).

2011

"Wenn es mir nur um den Rekord ginge, hätte ich überall die leichteste Route genommen" und "Ich lege keinen Wert darauf, die Erste zu sein", äußerte Gerlinde Kaltenbrunner sich 2009 in einem Interview mit der NZZ. Und so ging der Titel der ersten Frau auf allen 8000ern an eine andere: Im April 2010 reklamierte Oh Eun-Sun diesen für sich, wobei ihre Kangchendzönga-Besteigung 2009 selbst von Südkoreas Alpinclub bezweifelt wird. Einen Monat später hatte auch Edurne Pasaban alle 14 voll – unzweifelhaft, aber wie Oh Eun-Sun unter Zuhilfenahme von Flaschensauerstoff. Über ein Jahr später, am frühen Abend des 23. August 2011, erreichte Gerlinde Kaltenbrunner den Gipfel des K2 (8611 m), wie so oft bei ihren 8000er-Besteigungen nicht auf dem Normalweg und wie bei allen 13 8000ern zuvor ohne die Nutzung von Flaschensauerstoff sowie in sauberem Stil. Grande Gerlinde!

2012

Im Mai machte er sein Abitur, im Juli bohrte er die 45 Meter lange Linie in der Hanshelleren Cave in Flatanger ein. Drei Wochen genügten Adam Ondra jedoch nicht, um 25 Meter stark überhängend 9a+ mit weiteren 20 Metern überhängend 9a nach dem Schüttel-Ruhepunkt zusammenzufügen. Im September war der 19-Jährige zurück in Norwegen, und nach weiteren zwei Wochen Projektieren konnte er am 4. Oktober 2012 nach einer Sturz- und Kneepad-freien Begehung den Umlenker von Change klippen. Die Kletterwelt hatte ihre erste 9b+, die acht Jahre unwiederholt bleiben sollte.

2010 war er chancenlos und musste Kritik für die von seinem Filmteam gesetzten Bolts einstecken. Beim zweiten Mal 2011 schafften er und Peter Ortner es geradeso in tech- nischer Kletterei auf den Gipfel. Beim dritten Anlauf 2012 machte David Lama das "Unmögliche" wahr. Am 20. und 21. Januar kletterte er den Südostgrat des Cerro Torre – diesen 1970 von Cesare Maestri mit seiner Kompressorroute erbohrten Sündenfall des Alpinismus – im Grad 8a rotpunkt. Und das, obwohl wenige Tage zuvor Hayden Kennedy und Jason Kruk rund 120 von Maestris Bolts abgeschlagen hatten. Mehr Legende geht nicht!

2013

Die Kletterwelt hätte Stein und Bein geschworen, dass es Adam Ondra sein würde, der erstmals den glatten elften Grad auf Anhieb sowie ohne Beta und griffweisendes Geschrei von unten klettert. Doch dann katapultierte sich im März 2013 in Siurana ein anderer Jüngling mit der Onsight-Begehung von Estado critico ins Rampenlicht und in die Klettergeschichtsbücher: der damals 19-jährige Franke Alexander Megos, den wir anschließend im Interview in klettern 6/13 als "beinahe schmächtig erscheinenden jungen Erlanger" titulierten. Inzwischen ist Alex "Muckis" Megos schwerlich noch als schmächtig zu bezeichnen, die Route, die den Lauf seines (Kletter-) Lebens komplett verändert hat, firmiert aber noch immer als 9a.

Im Oktober 2013 gelang Ueli Steck dann die Durchsteigung der Südwand der Annapurna im Alleingang auf einer direkten Linie. 2007 war Steck in der über 2500 Meter hohen Wand im Alleingang von einem Stein getroffen worden und über 200 Meter abgestürzt, 2008 brach er einen Versuch mit Simon Anthamatten ab, um zwei andere Bergsteiger in der Wand zu retten. Am frühen Morgen des 9. Oktober 2013 stieg der Ausnahme-Alpinist nach zuvorigen Akklimatisierungstouren in der Wand (Foto) erneut alleine ein, erreichte 17 Stunden später den Gipfel, kletterte und seilte über seine anspruchsvolle Neutour ab und stand 28 Stunden nach dem Aufbruch wieder am Wandfuß. Von den einen als "Quantensprung" gefeiert, wurde von anderen Uelis vollständige Begehung der Wand angezweifelt, weil er seine Kamera verloren hatte und keine Beweise vorlegen konnte.

2014

Tommy Caldwell und Kevin Jorgeson - Dawn Wall - El Capitan - 2014
Corey Rich / Big-Up-Productions / Aurora-Photos

Sieben Jahre zuvor hatte Tommy Caldwell eine vielleicht freikletterbare Linie durch den steilsten Wandteil des El Capitan ausgetüftelt, 2008 war Kevin Jorgeson dazugestoßen, und Jahr für Jahr hatten sie Meter um Meter entschlüsselt. Am 27. Dezember 2014 stiegen sie für die durchgehende Begehung ein. Tommy kletterte wie entfesselt, doch Kevin kämpfte eine Woche lang mit Seillänge 15. Tommy wartete geduldig, und am 14. Januar erreichten sie gemeinsam den Ausstieg des nun härtesten Bigwalls der Welt.

2015

Im Herbst 2015 bescherte Alex Megos dem Frankenjura seine bis heute schwierigste Route: Supernova (9b). "Beim Sichern sah es so aus, als ob es ihn am Schlüsselzug fast zerreißt", beschrieb Patrick Matros ein Stück Klettergeschichte, das Alex Megos am 1. Oktober realisierte. In dessen Worten klang es so: "Die Route ist steil und hart, aber vor allem handelt es sich um eine super Linie durch einen steilen Bauch an großartigem Fels. Schwierig vom Anfang bis zum Ende, mit Kratzern, Löchern und einem schwierigen Heelhook. Supernova hat alles zu bieten." Fünf Tage hatte Alex für die von Joshi Schulz eingebohrte, 18 Meter hohe und sechs Meter überhängende Linie am Planetarium benötigt, als Grad gab er 9a+/9b an. Inzwischen gilt sie als 9b, geblieben ist, dass sie nur eine Begehung hat und immer noch das härteste Stück Fels Deutschlands ist.

2016

Nachdem Dave Graham 2005 seine Story of two Worlds zum "neuen Maßstab für 8C" proklamiert und eine Inflation der Grade kritisiert hatte, ging es beim Bouldern numerisch bergab. Viele Linien wurden abgewertet, Neukreationen meist defensiv beziffert. Erst als Adam Ondra 2011 sein Terranova mit 8C+ bewertete und Gioia von 8C auf 8C+ hochstufte, kamen einige Boulder dieses Grades hinzu. Einer der stärksten Mattensportler, Nalle Hukkataival, startete derweil zuhause sein "Lappnor Project" und zeigte es auch anderen Top-Boulderern. Am 23. Oktober 2016 – sieben Monate, nachdem Ashima Shiraishi das Frauenbouldern auf 8C gehoben hatte – reihte der Finne nach vier Jahren Anrennen die fünf Züge plus Mantle aneinander und warf mutig den Grad 9A aus. Bis zur zweiten Begehung von Burden of Dreams durch Will Bosi sollten sechseinhalb Jahre vergehen, inzwischen sind zwei Wiederholer dazugekommen und alle sagen: definitiv 9A.

2017

Er hat es tatsächlich getan: Der Mann ohne Nerven begeht am 3. Juni 2017 den Freerider (7c+, 1000 Hm) am El Capitan free solo.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Dass Alex Honnold schon lange davon träumte, eine Route am El Capitan im Bigwall-Grad VI free solo zu klettern, war bekannt. Und auch wenn es mit dem Freerider die "leichteste" sein sollte, schien es undenkbar, dass sich jemand dieser unerbittlichen Exposition von 1000 Höhenmetern bis zum Grad 7c+ ohne Sicherung aussetzen würde. 2016 war der notorische Tiefstapler "Mr. No Big Deal" schon einmal eingestiegen, dann aber frühzeitig umgekehrt. Am 3. Juni 2017 passte dann alles. In 3:56 Stunden kletterte Alex den Freerider free solo, nach eigener Aussage lief alles perfekt und machte großen Spaß: "Ich war noch nie so glücklich am Ausstieg. Ich habe stunden-, ja tagelang gegrinst wie ein Verrückter." In der Tat, total verrückt, gleichzeitig ein ganz großer Meilenstein der Klettergeschichte. Am 6. Juni 2018 schrieb Alex erneut El-Cap-Historie: In 1:58,07 Stunden rannte er mit Tommy Caldwell durch die 1000 Meter hohe Nose.

Zwölf lange Jahre nach Josune Bereziartus Durchstieg von Bimbaluna (9a/9a+) war noch keine Frau nominell härter geklettert als Margo Hayes, die 2017 die Frauenmesslatte im Februar 2017 auf 9a+ erhöhte – und das nicht mit irgendeiner 9a+, sondern mit einem Klassiker dieses Grades: La Rambla in Siurana, wofür die 19-Jährige aus Boulder in Colorado nur sieben Tage Projektierzeit benötigte. 2016 hatte sie sich mit 14 Routen ab 8b+ aufwärts, darunter eine 9a, in die Weltspitze geklettert und war zudem Junioren-Weltmeisterin im Lead und Bouldern geworden. Mit La Rambla war Margos Appetit auf 9a+ noch nicht gestillt. Nur wenige Monate später holte sie sich auch die erste Frauenbegehung von Biographie.

klettern Magazin 07/2017
klettern Magazin

Bis zu diesem Moment war Adam Ondra nicht gerade für seine Schweigsamkeit am Seil bekannt – nicht wenn er dieses nach einem harten Durchstieg in den Umlenker klippte und schon gar nicht, wenn er vorzeitig in selbigem baumelte. Doch diesmal war alles anders. Als er nach sieben Norwegen-Reisen verteilt auf zwei Jahre sein "Project Hard" in Flatanger erfolg- reich vollendete, herrschte absolute Stille. Um dieses Projekt zu meistern, hatte er vor Ort eine Scheune gemietet und als Trainingsraum eingerichtet sowie sein gesamtes Trainingsprogramm komplett auf die Route und ihre völlig abgefahrene Crux ausgerichtet. Als dem großartigen Tschechen dann an jenem Septembertag 2017 der "definitiv härteste Boulder, den ich je geklettert habe" samt allen anderen Zügen ohne Sturz gelang, hatte die Kletterwelt ihr erste 9c oder UIAA 12: Silence. Und bis heute waren keine Jubelschreie eines Wiederholers zu hören.

Und noch eine Steigerung in diesem Jahr: Angy Eiter hebt das Frauen-Rotpunktlevel im Herbst 2017 mit La Planta de Shiva auf 9b (am 22. Oktober 2017). Dafür war die Imsterin siebenmal in zwei Jahren nach Villanueva del Rosario in Andalusien gereist und hatte zuhause Schlüsselpassagen nachgebaut. 2020 punktete die vierfache Lead-Weltmeisterin erneut eine 9b, diesmal als Erstbegehung in Tirol. Ihre Kreation nannte sie Madame Ching nach einer chinesischen Piratin im frühen 19. Jahrhundert. Fürwahr fette Beute! Im Oktober 2021 schien Laura Rogora mit Erebor (9b/9b+) den nächsten Schritt getan zu haben, doch kurz darauf stufte Adam Ondra Stefano Ghisolfis Route nach der dritten Begehung auf "eher 9b" herab.

2020

Als Wolfgang Güllich 1991 Action directe erstbeging, war Mélissa Le Nevé zwei Jahre alt. 2014 punktete sie als erste Frau des Altmeisters Wallstreet, die erste 8c der Welt. Ab da hatte die Französin ein noch größeres Ziel: die erste 9a der Klettergeschichte. Dass dafür sechs Jahre "Besessenheit" nötig sein würden, ahnte sie nicht. Erst im Frühjahr 2019 gelang ihr der berüchtigte Sprung, im Herbst stürzte Mélissa mehrfach knapp vor dem Umlenker. Im April 2020 wurde die erste Frauenbegehung von Action directe schließlich Realität.

2023

Dave MacLeod beförderte 2006 das Tradklettern mit Rhapsody in den Grad E11, James Pearson sich 2008 selbst ins Abseits, weil er übermütig E12 für eine E9-Erstbegehung auswarf. Der 22-Jährige Brite zog ins Exil, lernte seine Lektion und seine Ehefrau kennen – und kletterte im Frühjahr 2023 seine "härteste Tradroute". Die erst zehn Monate später erfolgte Bewertung war eher ein philosophisches Traktat, nur ganz zum Schluss stand bescheiden: "Bon Voyage könnte E12 sein". So ist es, wie Adam Ondra nach der ersten Wiederholung bestätigte.

Was Nirmal Purja 2019 und Kristin Harila 2023 schafften – alle 8000er in 189 respektive 92 Tagen zu erobern –, hat mit selbstständigem Bergsteigen wenig zu tun. Ihre Leistungen wären ohne den betriebenen, immensen Team-, Technik- und Logistik- aufwand nicht möglich gewesen. Genau deshalb sind sie Teil der Alpingeschichte. (mehr dazu hier)

2024

Die 1991 von Wolfgang Güllich, Kurt Albert, Bernd Arnold, Norbert Bätz und Peter Dittrich erstbegangene 1300-Meter-Route Riders on the Storm im Grad 7c, A3 gilt als Kletter-Kronjuwel Patagoniens. Am 9. Februar 2024 war die erste komplett freie Begehung der legendären Route vollbracht. Nach 18 Tagen in der Wand, vereisten Rissen, viel Neuschnee, im Portaledge ausgesessenen Stürmen und 38 Seillängen bis 7c+ erreichten Seán Villanueva O‘Driscoll, Nico Favresse, Siebe Vanhee und Drew Smith den Gipfel des Zentralen Paine-Turms.

Den kompletten Rückblick gibt es auch gedruckt am Kiosk und als PDF zum Download:

klettern Ausgabe 01/2025
klettern

Darin außerdem: 50 Jahre Rotpunkt - das Jubiläum der Freikletterbewegung in Deutschland mit einem Interview mit Milan Sykora.

Im Praxistest: Neue Helme von Camp und Mammut, Winterkleidung von Rab, Ortovox und Millet, Scarpa Boostic OG und mehr ...

Neue Kletterziele für das Jahr 2025 stellen wir euch in dieser Ausgabe ebenfalls vor, u.v.m ...

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