Gipfeljagd
Ein neuer Rekord!

Die Frühjahrssaison an den Achttausendern ist im vollen Gange und mit ihr die Rekordjagd

Gipfel des Mount Everest oder Chomolungma - höchster Berg der Welt, Blick von Kala Patthar, Nepal, Himalaya
Foto: Colourbox

Am 3. Mai komplettierte die Norwegerin Kristin Harila mit ihrem Gipfelerfolg am Cho Oyu (8188 m) in Tibet ihre Liste: Sie stand auf allen "wahren" Gipfeln der 14 Achttausender und das in einer Rekordzeit von nur 370 Tagen. Damit ist sie die Person (sowohl Mann als auch Frau), der das bisher am schnellsten gelang. Bei allen Besteigungen nutzte sie Flaschensauerstoff und hatte umfangreiche Unterstützung von Sherpa-Guides.

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Trotzdem ist ihre Leistung interessant, weil die ehemalige Skilangläuferin erst seit 2021 im Achttausender-Geschäft mitmischt. Damals bestieg sie innerhalb von zwölf Stunden sowohl den Mount Everest als auch den Lhotse, das hatte noch keine Frau vor ihr geschafft. Ihre Mission lautet dann auch: Frauen im Höhenbergsteigen sichtbarer zu machen und sich für mehr Gleichberechtigung einzusetzen. Laut ihren Angaben stellte für sie damals bereits der passende Daunenanzug eine Herausforderung dar. Aus Mangel an Angeboten für Frauen musste sie sich einen Anzug maßschneidern lassen.

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Ihr ursprünglicher Plan sah vergangenes Jahr vor, den mittlerweile umstrittenen Besteigungsrekord des ehemaligen nepalesischen Gurkha-Soldaten Nirmal Purja (Nimsdai) zu brechen. Er reklamierte 2019 für sich, alle 14 Achttausender in nur sechs Monaten und sechs Tagen bestiegen zu haben. Nachdem Harila vergangenes Jahr die 12 Gipfel in Nepal und Pakistan erreicht hatte, blieben ihr die Shishapangma und der Cho Oyu in Tibet verwehrt. Die chinesischen Behörden ließen keine ausländischen Bergsteiger ins Land. Ihr Traum vom neuen Rekord platzte, ihre Enttäuschung war entsprechend groß.

Dieses Frühjahr hatte Kristin Harila Glück: Sie erhielt ein Visum für China und die Permits für beide Gipfel. Zunächst erklomm sie am 26. April die Shishapangma (8027 m), den einzigen Achttausender, der komplett auf tibetischem Gebiet steht. Tage später erreichte sie den Gipfel des Cho Oyu, den sie vergangenen Winter gemeinsam mit dem Team rund um Gelje Sherpa vergeblich von der nepalesischen Seite probiert hatte. Mit ihren Erfolgen in Tibet hat sie einen Rekord abgeschlossen und gleich den nächsten eingeläutet.

Denn immer noch will sie schneller sein als Nirmal Purja, obwohl sein Rekord mit der bereits 2019 aufflammenden Diskussion um die "wahren" Gipfel keinen Bestand mehr hat. Die Debatte hatte eine Gruppe von internationalen Bergchronisten rund um den Deutschen Eberhard Jurgalski angestoßen. Sie fanden heraus, dass die meisten der 44 Bergsteiger und Bergsteigerinnen, die bisher alle 14 Achttausender für sich reklamiert hatten, bei mindestens einem Gipfel nicht am höchsten Punkt standen. Bei Nirmal Purja waren das 2019 gleich zwei Gipfel, der Manaslu (8163 m) und der Dhaulagiri (8167 m). Erst im Herbst 2021 wiederholte er die Besteigungen, somit benötigte er deutlich länger als die 2019 für sich reklamierten 189 Tage.

Getty images / Emad Aljumah
Mit dem Shishapangma und dem Cho Oyu hat Harila ihren Rekord komplettiert

Kristin Harila jedenfalls hat gut darauf geachtet, überall auf dem "wahren" Gipfel gestanden zu haben und ihre Erfolge auch hinreichend dokumentiert. Sie ist nun zwar die Person, die am schnellsten auf allen 14 Achttausendern stand, aber einen weiteren Rekord verpasste sie um eine Woche: die erste Frau zu sein, die auf allen "wahren" Gipfeln der 14 Achttausender stand. Diesen Titel heimste sich die Chinesin Dong Hong Juan mit der Shishapangma ein, nachdem sie 2013 mit dem Mount Everest ihren ersten Achttausender bestiegen hatte.

Auch wenn Nirmal Purja nun ohne den 14-Gipfel-Rekord dasteht, hat er dennoch eine neue Ära im Höhenbergsteigen eingeläutet: das Peak Bagging, also Gipfelsammeln. Früher reichte noch ein Gipfel pro Saison, heute werden gerne gleich zwei oder drei Achttausender kombiniert. Dieser Trend ist vor allem möglich, weil sich die Logistik an den Bergen professionalisiert hat. Ohne Helikopterunterstützung, Sherpa-Support und Flaschensauerstoff geht an den Achttausendern fast nichts mehr.

Nimsdai hat 2019 mit seinem "Project Possible" vorgemacht, was mit großer physischer und mentaler Stärke, viel Entschlossenheit und einer immensen Logistik alles möglich ist. Eine neue Generation von Bergsteigern und vor allem Bergsteigerinnen tun es ihm nun gleich, allen voran Kristin Harila. Den Wunsch der Norwegerin, ihren neuen Rekord komplett ohne zusätzlichen Sauerstoff aufzustellen, hat sie mittlerweile verworfen. Sowohl am Cho Oyu als auch an der Shishapangma musste sie zur Maske greifen, schrieb sie auf ihrem Instagram-Account. Für ihren neuen Rekord, alle 14 Achttausender in weniger als sechs Monaten zu schaffen, hat sie noch bis zum 26. Oktober diesen Jahres Zeit. Die chinesischen Behörden können ihr nun zumindest nicht mehr in die Quere kommen.

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07 / 2023

Erscheinungsdatum 06.06.2023