Über den Fels tänzeln wie die Profis, leichtfüßig, lässig, das wäre schön. Leider ist das erst mal gar nicht so einfach. Am Fels gibt es keine bunten „Knöpfe“, keine „Fußgriffe“ wie in der Halle. Hier ist alles grau, schräg, und manchmal sind es eher verwirrend viele als zu wenige Tritte. Wer aus der Halle kommt, muss sich am Fels umstellen.
Es bedarf einiger Übung, die besten Trittmöglichkeiten zu erkennen und optimal zu nutzen. Tritte am Fels sind in der Regel kleiner, vielfältiger und weniger vorspringend als in der Halle. Oft sind sie konkav, nach innen gewölbt, also Dellen, Mulden, Löcher, und damit von oben schlecht zu sehen. Auf jeden Fall sind sie nicht an der Farbe zu erkennen.
Eine Frage der Haltung

Dennoch bleibt das Grundprinzip des Tretens und Stehens immer das Gleiche: Die Füße sollen sauber stehen und nicht rutschen. Die Hubarbeit soll aus den Beinen kommen und die Arme sollen möglichst nur zur Stabilisierung des Oberkörpers dienen.
Was den tänzelnden Profi vom Einsteiger unterscheidet, ist vor allem Vertrauen: Er oder sie weiß, dass der Fuß auf dem Tritt halten wird. Dieses Vertrauen muss man lernen. Der erste Schritt zu richtigem Stehen ist dabei, dass die Fuß-Auge-Koordination stimmt: Das Auge findet den Tritt und wird erst wieder nach oben gerichtet, wenn der Fuß sauber auf diesem platziert ist. Wenn der Fuß steht, bringt ihr Druck drauf, verlagert das Gewicht auf den Fuß. Mit etwas Übung lernt man auch, dass der Schuh selbst auf winzigen Tritten halten kann. Einige Übungen dazu findet ihr auf den folgenden Seiten.
Sicheres Stehen am Fels ist aber nicht nur eine Sache der Füße, sondern des ganzen Körpers. Wenn die Körperhaltung nicht stimmt, steigt die Gefahr, vom Tritt zu rutschen. In geneigtem (weniger als senkrechtem) Gelände steht man möglichst aufrecht und platziert die Füße etwa hüftbreit, so dass der Körperschwerpunkt über der Standfläche liegt. Solange man auf beiden Beinen steht, ist die Standfläche der Bereich zwischen diesen Tritten. Weiter geht es in der Regel durch das sogenannte „unbelastete Antreten“: Das Körpergewicht wird so auf ein Bein verlagert, dass das andere Bein ohne Belastung zum nächsten Tritt geführt werden kann.
Kleine Schritte sind leichter zu bewältigen und sicherer als das Antreten auf Hüfthöhe. Wer nämlich zu hoch antritt, muss sich dazu meist weit hinauslehnen und dann den Körper mit viel Armkraft über den hochgestellten Fuß ziehen und drücken. Muss manchmal sein, sollte aber nicht zur Regel werden. Besser kleine Zwischentritte verwenden. Ebenfalls vermeiden solltet ihr stark überstreckte Haltungen: Wenn ihr sehr weit über dem Kopf liegende Griffe wählt, wird es schwierig, die Fußstellung zu kontrollieren. Meist kommt dann die Ferse hoch und ihr steht nicht mehr sicher. Zudem wird das Anpeilen des nächsten Trittes schwierig, wenn der Körper am Fels klebt.
Tritte nutzen, die es gar nicht gibt

Auch auf Nichts kann man stehen. Jedenfalls solange dieses Nichts Fels ist. Also: Wo kein Tritt ist, muss auf Reibung angetreten werden. In geneigten Platten kann es passieren, dass man ganze Seillängen ohne richtige Tritte klettert. In senkrechtem Gelände kann man natürlich nicht mehr richtig auf Nichts stehen. Um einen hochliegenden Tritt zu erreichen, ist es aber oft nötig oder günstig, mit einem Fuß kurz auf Reibung anzutreten, um dann den anderen Fuß auf den hohen Tritt zu setzen. Auch zum seitlichen Abspreizen gegen eine Wand muss dort nicht unbedingt ein Tritt sein.
Damit all das gut funktioniert, braucht ihr einen passenden Kletterschuh. Wenn der Kletterschuh zu groß ist, wird das Stehen auf kleinen Tritten extrem schwammig bis unmöglich. Zu kleine Schuhe erweisen sich in plattigem und geneigtem Gelände schnell als sehr schmerzhaft. Für den Anfang ist ein satt sitzender, mittelsteifer Schuh am günstigsten.
Sauber stehen
Beim Klettern in geneigtem Gelände ruht der Körperschwerpunkt (der sich meist auf Höhe des Bauchnabels befindet) über den Beinen. Dazu ist eine mehr oder weniger aufrechte Haltung nötig (siehe Bild 1 unterhalb). In dieser Stellung übernehmen die Beine das Gewicht des Körpers, die Arme stabiliseren nur. Am kraftsparendsten kommt man mit relativ kleinen Schritten voran.
Beim hohen Antreten (siehe Bild 2) kommt fast zwangsläufig der Hintern raus, was diese Stellung anstrengend zu halten macht. Auch das Hochdrücken über den hochgestellten Fuß ist wesentlich anstrengender als bei kleinen Schritten. Zum Beispiel wäre günstiger, einmal auf Reibung "zwischenzutreten" und dann das linke Bein hochzustellen.

Einer der Knackpunkte beim sauberen Stehen am Fels ist, dass sich der Fuß, auf dem man steht, möglichst wenig bewegen sollte, auch wenn der Oberkörper oder das andere Bein ihre Position stark verändern. Beim Stehen auf Hallentritten ist es meist kein Problem, den Fuß quasi belastet auf dem Tritt zu drehen. Am Fels bedeutet das meist den Abschied von der Wand.
Präzises Antreten
In den meisten Fällen werdet ihr beim Klettern am Fels mit der Vorderhälfte des Schuhs antreten. In gehobenen Graden und beim Bouldern wird zwar auch viel gehookt und in Rissen und Kaminen auch mal mit der Ferse irgendwie gestemmt, aber der größte Teil des Geschehens spielt sich unter euren Zehen ab.
Bei ganz großen Tritten empfiehlt es sich, den Tritt eher außen als innen zu nutzen (siehe Bild 1 unterhalb). Je weiter außen ihr steht, desto komfortabler und aufrechter steht ihr. Auch große Tritte nimmt man mit der Schuhfront und nicht mit dem Mittelfuß oder der Ferse.
Kleine Leisten werden leicht schräg seitlich mit dem Innenrist angetreten (siehe Bild 2). Man versucht, einiges an Gummi auf den Tritt zu bringen. Je nach Körperposition und Steilheit der Wand können Tritte auch mit dem Außenrist genutzt werten (siehe Bild 3). Hier ist es eine kleine, runde Verflachung, die als Tritt hergenommen wird.

Löcher lassen sich, wenn sie nicht gerade riesengroß sind, nur frontal mit der Schuhspitze treten. Das ist bei längerem Stehen ganz schön anstrengend. Zudem muss man sich zum Platzieren der Schuhspitze im Loch meist ein Stück hinauslehnen, da Löcher von oben schlecht zu sehen sind.
Auf Reibung

Beim Antreten auf Reibung kommt es ganz besonders auf Fuß- und Körperhaltung an. Der Körper muss hier schön aufrecht über den Tritten stehen (siehe Bild rechts). Wer sich zur Wand lehnt, rutscht unweigerlich vom Tritt. Denn beim Antreten auf Reibung müssen die Fersen unten bleiben (siehe Bild rechts unterhalb), damit die Sohle möglichst guten Kontakt zur Wand hat.
Im übrigen ist eine Wand selten völlig glatt. Auch in kompakten Platten finden sich kleine Dellen, Verflachungen, Käntchen, auf denen der Fuß besser hält als an der glatten Wand. Solche Unebenheiten gilt es zu nutzen.

Generell gilt beim Antreten im Fels, dass die Schuhsohle ungefähr parallel zur Trittoberfläche liegen soll. Bei einer Reibungsplatte zeigen deshalb die Fersen nach unten, bei einer waagrechten Leiste wird der Fuß ebenfalls waagrecht platziert.
Stehen im Riss

Das geht nicht nur echte Risskletterer an. Auch in leichtem Gelände ist der Fels häufig mehr oder weniger rissdurchsetzt. Risse finden sich hinter großen Blöcken, in Verschneidungen, an vielen Stellen. In Verschneidungen lassen sie sich manchmal einfach frontal antreten, wobei auf möglichst viel Gummikontakt zur Wand zu achten ist (siehe Bild 1 rechts). Die stabilere, aber auch schmerzhaftere Variante ist das Verdrehen des Fußes im Riss (siehe Bild 2). Generell wird dabei der Fuß mit dem Knöchel nach außen gedreht.
Praxisbeispiele für Fußtechnik (plus Übungen)
Gerade wenn man denkt, der nächste Griff sei zu weit weg, dann liegt es meistens an den Füßen. Häufig hat man nur einen höhergelegenen Tritt übersehen. So sind viele "Längenzüge" letztlich ein "Stehproblem". Fürs flüssige Klettern ist eine gute Fußtechnik unabdingbar - deshalb zeigen wir Euch mit den folgenden Beispielen und Übungen, was man beachten kann und mit welchen Tricks man sich eine gute Fußtechnik aneignen kann.
Dabei gilt: Nicht verzagen! Wenn die ein oder andere Übung nicht direkt klappt, dann besinnt Euch auf das Wichtigste beim Klettern - den Spaß.
Oft hilft es auch, den Spieltrieb zu aktivieren: Mal Zeitlupen-langsam klettern, mal Affen-schnell, mal möglichst einhändig, mal blind... all dies sind im Prinzip "Übungsvarianten", die uns viel beibringen können, wenn wir offen an sie herangehen und versuchen, so gut wie möglich darauf zu achten, was sich je nach Spielart ändert und wie wir (willkürlich und unwillkürlich) darauf reagieren.
Viel Spaß beim Ausprobieren!
Tritte finden

Beispiel 1: Durchblick von oben
Um die Tritte erkennen und anvisieren zu können, ist es nötig, sich etwas von der Wand wegzulehnen.
Übung 1:
• Versucht, knapp über dem Boden kleinste Tritte zu stehen. Steht auf alle erdenklichen Möglichkeiten: frontal, seitlich, mit dem Außenrist. Testet kleine Löcher, Leisten, Kiesel – alles was es gibt.
Auf Reibung

Beispiel 2: Antreten auf Reibung Auch in steilerem Gelände kann auf Reibung angetreten werden. Um genug Druck auf den Schuh zu bringen, muss dann allerdings der Körper etwas nach außen hängen. Das kostet Kraft und erfordert ausreichend große Griffe.
Übung 2:
• Testet knapp über dem Boden oder mit Sicherung von oben die Grenzen eurer Reibungssohlen. Steht auf schräge Tritte oder geneigte Platten, variiert dazu die Körperhaltung: Bis zu welcher Neigung halten die Sohlen, wie wirkt es sich aus, wenn sich der Oberkörper zur Wand oder von ihr weg bewegt? Ändert sich etwas an eurer Körperhaltung, wenn sich die Wandneigung ändert?
Seitlich stehen

Beispiel 3: Antreten mit dem
Außenrist
Meist wird mit dem Außenrist angetreten, um den Körper einzudrehen. In diesem Fall steht das untere, rechte Bein etwas auf dem Außenrist und nimmt das Körpergewicht auf. Das linke Bein drückt zur Stabilisierung gegen die Wand.
Übung 3:
• Steht knapp über dem Boden auf kleinen Tritten und verlagert das Gewicht und den Oberkörper seitlich hin und her. Wippt auf den Tritten. Achtet darauf, dass der Schuh dabei stabil am Fels bleibt.
Frontal stehen

Beispiel 4: Frontales Antreten
Beim frontalen Stehen auf Leisten wird mit dem Innenrist angetreten. In senkrechtem Gelände kommt dazu die Hüfte nahe an die Wand, um möglichst viel Druck auf die Schuhspitzen zu bringen und die Arme zu entlasten.
Übung 4:
• Klettert geneigtes Gelände nur mit Stützgriffen oder nutzt die Arme nur zum Gleichgwicht halten, ohne Griffe zu benutzen. Der Höhengewinn kommt dabei nur aus den Beinen.
Hoch antreten

Beispiel 5: Hoch antreten
Wie an der Kunstwand gilt auch am Fels: Wenn es richtig steil wird, werden die Füße meist höher gesetzt. In gestreckter Stellung fällt es im Überhang schwer, Druck auf die Füße zu bringen – und am Fels braucht man diesen Druck mehr als an der Kunstwand, um nicht vom Tritt zu rutschen.
Übung 5:
• Versucht mit Sicherung von oben eine Route oder Passage mit möglichst vielen, kleinen Schritten zu erklettern. Nutzt dazu auch kleine Tritte. Erspürt den Unterschied zwischen kleinen und großen Schritten.