Die häufigsten Sicherungsfehler in der Kletterhalle

Unfall-Ursachen beim Klettern
Die häufigsten Sicherungsfehler in der Kletterhalle

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Zuletzt aktualisiert am 20.12.2011

Indoorklettern gilt als eine der sichersten Bergsportdisziplinen. Trotz der großen Anzahl an Kletterern, die täglich in den über 450 Kletterhallen in Deutschland klettern, sind Unfälle zum Glück selten. Doch wenn etwas passiert, dann sind - auch in der sicher wirkenden Kletterhalle - schwere Verletzungen möglich. Wegen der geringen Unfallzahlen ist eine statistisch gesicherte Unfallauswertung zwar nicht möglich. Trotzdem zeichnen sich bestimmte Unfallmuster ab.

Auf den nächsten Seiten schildert Chris Semmel von der Sicherheitsforschung beim Deutschen Alpenverein (DAV) in Beispielen die häufigsten Unfall-Ursachen in der Kletterhalle. Dabei wird auch das Muster analysiert, also welche verallgemeinerbaren Faktoren bei Kletterer und Sicherer dazu geführt haben, dass der Unfall passiert ist. Und das Wichtigste: Auch eine Lösung für diese "gängigen" Unfallursachen beim Klettern bietet er an.

Auf den nächsten Seiten finden deshalb nicht nur Kletter-Anfänger wichtige Informationen. Gerade auch fortgeschrittene und ambionierte Kletterer finden hier wichtiges Basiswissen. Denn: Unwissenheit schützt vorm Absturz nicht.

Auf der nächsten Seite: Interview mit Chris Semmel zur Frage, wie oft Fehler beim Sichern in der Kletterhalle auftreten und wie sie sich am besten vermeiden lassen

"Jeder Dritte macht Fehler" - Chris Semmel im Interview

Wie oft wird in Kletterhallen falsch gesichert?

Am häufigsten kann man Sicherungsfehler bei der Vorstiegssicherung beobachten. Bei stichprobenartigen Untersuchungen hat sich herausgestellt, dass etwa jeder Dritte hierbei Fehler zeigt. Nach unserer DAV-Studie unabhängig von Klettererfahrung, Alter oder Kletterkönnen. Da in den Hallen selten unangekündigt gestürzt wird, passiert zum Glück trotzdem sehr wenig.

Was kann man als Kletterer tun?

Das Problem sind mitunter die Erfahreneren. Sie klettern schon lange und sind teilweise zu selbstbewusst, da ihnen noch nie etwas passiert ist. Sie kommen nicht auf die Idee, dass auch bei ihrem automatisierten Handling etwas nicht stimmen könnte. Deshalb gibt es auch die Fehlbedienungsmuster zu jedem Sicherungsgerät als Videos.

Damit haben Kletterer die Chance, ihr eigenes oder auch das Verhalten ihres Partners zu überprüfen. Und sehr am Herzen liegt mir auch eine offene Rückmeldekultur zu Fehlern. Fehler müssen angesprochen und wertungsfrei diskutiert werden können, ohne jemanden bloßzustellen.

Würde ein verbindlicher Kletterschein helfen?

Ich glaube, eher nein. Ein verpflichtender Kletterschein mag eine flächendeckende Absolvierung von festgelegten Ausbildungsinhalten garantieren. Die Verinnerlichung von Sicherungstechniken auf der Höhe der Zeit garantiert das aber keineswegs. Eine solche Verinnerlichung ist nur auf freiwilliger Basis erreichbar, und auf der Basis einer Kultur der Verantwortung füreinander. Eine solche Kultur gibt es unter Kletterern, und die gilt es zu fördern – zum Beispiel mit Kampagnen wie „Sicher klettern“.

Auf der nächsten Seite: Eins von drei Unfall-Beispielen. Die Beispiele zeigen Unfallabläufe, die sich so oder ähnlich sehr häufig zutragen

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Archiv Chris Semmel

Partnercheck und Co - Aktion sicher klettern in der Fotostrecke:

Unfall-Beispiel 1: Die Bremshand...

Unfallhergang:
In einer Kletterhalle stürzte ein Vorsteiger am sechsten Haken. Seine Seilpartnerin konnte den Sturz trotz scheinbar korrekter Bremshandposition mit dem Tube nicht halten. Den Zeugenaussagen zufolge wurde der Stürzende kurz gebremst, stürzte dann aber weiter auf den Hallenboden. Er erlitt eine Knöchelfraktur, die Sichernde hatte schwere Verbrennungen an beiden Händen.

Unfall-Ursache:
Beim Nachstellen des Sicherungsverhaltens zeigte sich, dass die Sichernde das Bremsseil zwar richtig hielt, die Bremshand jedoch zu nahe am Tube war. Durch den Sturzruck wurde die Bremshand direkt an das Gerät gezogen, und es gelang der Sichernden nicht, das Bremsseil zu kontrollieren. Die Handkraft am Seil reichte nicht aus, um den Sturz zu bremsen.

Muster:
Tube – leichte Sichernde mit schwererem Vorsteiger – glattes oder dünnes Seil – Bremshand zu nah am Tuber.

Lösung:
Hier wäre ein Halbautomat wohl sinnvoller, zum Beispiel das Click-Up. Unabhängig von der Handkraft hätte das Gerät blockiert und der Sturz wäre unproblematisch verlaufen.

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Unfall-Beispiel 2: Den Daumen auf der Bremse...

Unfallhergang:
Ein junger Kletterer sicherte seinen Freund in einer Route im neunten Schwierigkeitsgrad. Bei einem Dynamo nach einem langen Hakenabstand stürzte der Vorsteiger und landete ungebremst 10 Meter tiefer auf dem Hallenboden. Dank Fallschutzboden zog er sich „nur“ zwei Sprunggelenksfrakturen zu. Gesichert wurde mit Cinch, der Sichernde hatte keine Verbrennungen an den Händen.

Unfall-Ursache:
Beim schnellen Seilausgeben müssen die meisten Halbautomaten, also auch das Cinch, „aufgehalten“ werden, damit die Blockierfunktion nicht greift. Stürzt der Vorsteiger in diesem Moment, wird das Gerät vom Sichernden oft reflexartig in dieser Stellung fixiert. Entscheidend ist, dass besonders Halbautomaten so bedient werden, dass auch beim Aufhalten das Bremsseil in der Bremshand liegt und dass das Gerät durch den Sturzruck trotzdem blockiert. Besonders das Cinch zeigt hier eine extrem heikle Bedienung, was neun Unfälle mit diesem Gerät belegen.

Muster:
Halbautomat beim Seilausgeben offen gehalten – Bremsseil nicht in der Bremshand – reflexartig wird das Gerät in der Position umklammert und „offen“ gehalten.

Lösung:
Einige Halbautomaten besitzen fatale Fehlbedienungsmöglichkeiten. Ein Gerät, das sich gut bedienen lässt und den menschlichen Reflexen entspricht, und natürlich eine korrekte Bedienung sind zur Unfallprävention notwendig. Zu empfehlen sind GriGri, Smart oder Click-Up.

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Unfall-Beispiel 3: Erfahren und trotzdem unerfahren

Unfallhergang:
Zwei sehr erfahrene Kletterer treffen sich in einer Innsbrucker Halle. Beide sind lange nicht mehr miteinander geklettert. Der Vorsteiger zeigt seinem Freund sein neues Sicherungsgerät – ein Smart. Der Sichernde gibt an, das Gerät zu kennen, hat es aber bei einem weiteren Bekannten nur gesehen, selbst aber noch nie bedient. Er lässt seinen HMS am Gurt und sichert mit dem Smart. Als der Vorsteiger stürzt, sieht er noch, wie der Sichernde beide Hände oberhalb des Smart hält. Dank des reflexartigen Umklammerns beider Seile durch den Sichernden wird der Sturz noch deutlich abgebremst. Der Kletterer landet auf dem Hallenboden – und erleidet „nur“ Prellungen. Der Sichernde hat Verbrennungen an den Händen.

Unfall-Ursache:
Das Smart kann nur blockieren, wenn sich die Bremshand unter dem Gerät befindet. Ist die Bremshandposition oben, hilft noch so viel Zudrücken am Bremsseil nichts. Dasselbe gilt für Tube oder Click-Up.

Muster:
Neues, ungewohntes Sicherungsgerät mit abweichendem Handling zum gewohnten Gerät

Lösung:
Eine kurze Einweisung reicht nicht aus. Ein neues Gerät muss verstanden und das Handling eingeübt werden. Auch ein Sicherungstraining zum Halten von Stürzen ist bei neuen Geräten sinnvoll. Besonders gefährlich ist die Kombinationen HMS mit Bremshand oben und Umstieg auf Tube, Smart oder Click-Up mit Bremshand unten. Halbautomaten sind oft komplexer in ihrer Bedienung als dynamische Sicherungsgeräte, dafür aber unabhängig von der Handkraft.

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