Klettern kann so schön sein. Am gerade persönlichen Menschenmöglichen herumbasteln, sich festhalten, obwohl die Erfolgsaussichten sehr limitiert sind, die Sonne auf der Haut, den Wind im Haar - ob in der Kletterhalle oder am Fels, es macht einfach Spaß. Man steigt in die Höhe, gewinnt den Kampf gegen die Schwerkraft, bezwingt den Fels / die Route / den Boulder / sich selbst: meist ein spitzenmäßiges Erlebnis.
Bis man dann wieder am Boden ist. Da zieren Zigarettenkippen und Tape-Reste den Wandfuß. Und dann diese Seilschaft, die ziemlich laut verschiedene unappetitliche gesundheitliche Desaster und dann noch viel unerfreulichere politische Entwicklungen debattiert...
Manchmal weiß man ja nicht, dass man gerade einen Fauxpas der Extraklasse begeht. Deshalb gibt es hier die Übersicht der wichtigsten Dinge, die man sich als Kletterer echt verkneifen sollte.
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Müll am Fels lassen
Das schließt den Zustieg mit ein. Eigentlich jeglichen Platz, an dem man sich aufhält, auch die Kletterhalle. Es ist gegenüber Umwelt und Mitmenschen respektlos, seine Zigarettenkippen, Bananenschalen, Reste von Fingertape oder sonstigen Unrat liegenzulassen.
Jawohl, das schließt auch organische Abfälle ein. Denn Schalen, Krümel, Obstkerne und ähnliches Zeug sammeln sich, locken Ungeziefer zum Fels und kulminieren zur optischen Einladung an Andere, es ebenso zu tun und auch ihren Unrat dort zu lassen. Achtung - auch menschliche Ausscheidungen gehören fachgerecht entsorgt!
Lösung: Nehmt Abfall wieder mit. Ja, auch die Pistazienschalen. Und auch das runtergerissene Tape. Und wenn Ihr jemand anderes Abfall noch zusätzlich mitnehmt, dann dürft Ihr Euch auf die Schulter klopfen und könnt Euch eine gute Tat in den Kalender schreiben.
Tickmarks und exzessiver Chalk-Gebrauch
Manche Kletterer finden es ja attraktiv, wenn der Fels vor weißen Flecken und Streifen strahlt. Nun - andere finden das nicht. Deshalb ist es eine Unart, exzessiv zu chalken und nicht anschließend die Griffe zu putzen. Eine Bürste gehört daher an jedes Chalkbag und bei den meisten Routen ist es auch kein großer Aufwand, beim Ablassen nach dem Klettern kurz über die Griffe zu bürsten.
Jawohl, das gilt auch - und gerade - für Tickmarks. Denn während die einen deutliche Landebahn-Kennzeichnungen brauchen, freuen sich die anderen, wenn sie den Fels naturbelassen vorfinden. Ganz zu schweigen von der Unmöglichkeit, etwas im Onsight zu klettern, wenn alle Griffe deutlich 'getickt' sind.
Lösung: Eine ausrangierte Zahnbürste tut es ja. Bürste an den Gurt oder Chalkbag packen, beim Pausieren im Seil hängend (meist eh in der Schlüsselstelle) kurz die Griffe bürsten. Tickmarks klein halten und nachher wieder wegbürsten.
Allgemeine Regeln missachten, Feuer machen
Steht zwar in der Zustiegsbeschreibung, dass man den Feldweg nicht zuparken soll... aber hinten im Dorf zu parken, würde ja den Zustieg um 300 Meter verlängern? Ist mir egal, dass hier Naturschutzgebiet ist, so ein Feuerchen ist einfach der krönende Abschluss eines Klettertages?
Jawohl, beides stimmt. Solche Art von Regelbrechen mag auch vereinzelt nicht auffallen und es widerstrebt auch dem Freiheitswunsch vieler Kletterer, sich X kleinkarierten Regeln zu beugen. Trotzdem: Wer ebenjene 'kleinlichen' Regeln bricht, verschärft auf direktem Wege die Konflikte mit Anwohnern, Naturschützern und Förstern. Leider gehört Deutschland zu den dichtbesiedelten Ländern dieser Welt und hat nicht allzu viel Fels zu bieten.
Lösung: Es ist ein bisschen langweilig. Aber wenn sich alle an die Regeln halten, dann funktioniert das mit dem 'Klettergebiet für alle erhalten' meistens.
Route besetzen
Felsen und Routen sind für alle da. Natürlich, wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Doch ist es nicht fair, wenn man stundenlang eine Route blockiert und niemand anderes daran klettern lässt.
Jawohl, das gilt auch, wenn man dem Durchstieg im Projekt unerträglich nahe ist, selbst gerade erst unter Mühen die Express-Schlingen eingehängt hat und gleich einen Versuch starten möchte. Und es gilt auch, wenn man unter Mühen ein Toprope eingehängt hat. Nur weil man Material in einer Route hängen hat, heißt das nicht, dass man über die Route bestimmen darf.
Lösung: Kommunikation lautet das Zauberwort. Es ist grob unhöflich, stundenlang eine Route zu belegen und niemand anders darin klettern zu lassen. Wer sein Seil (oder Express-Schlingen) hängenlässt und nicht auffindbar ist, muss damit rechnen, dass es abgezogen wird und die Exen benutzt werden.
Anderen hineinreden
Sowohl das unaufgeforderte Zurufen von Tipps als auch lautes Debattieren über Religion, Politik oder Krankheiten hat am Fels absolut nichts verloren. Auch eklatantes und anhaltendes Fluchen muss wirklich nicht sein.
Jawohl, das gilt auch für Anfeuerungsrufe. Ausnahme: Frankreich; hier darf man immer allen und gern auch Unbekannten mit einem ekstatischen "Allez, allez!" auf den Wecker gehen. In allen anderen Situationen sollte man sich das Anfeuern für den eigenen Kletterpartner aufsparen, und die Energie lieber in die Abteilung für Aufmerksames Sichern umlenken.
Lösung: Offensichtlich. Das Erholungs- und Ruhebedürfnis von Mensch und Natur respektieren, sich verkneifen, jemand eine Lösung für eine Kletterstelle zuzurufen - selbst wenn man so am elegantesten zeigen kann, dass man die Route schon gemeistert hat...
Vorfahrt missachten
Prinzipiell ist es ja einfach. Wer als erster einsteigt, darf als erster klettern, als erster den Stand belegen, als erster den Umlenker klippen, oder als erster ins Gipfelbuch schreiben. Doch es gibt Ausnahmen. Wer im Toprope, beim Ausbouldern oder beim Aufwärmen ist, sollte möglicherweise kollidierende Durchstiegsversuche vorlassen.
Jawohl, das gilt auch für schwere Routen. Und starke Kletterer. Vorfahrt hat nicht der höchste Schwierigkeitsgrad, sondern die sauberste Begehungsform.
Lösung: Sich vor dem Einsteigen vergewissern, ob Kletterwege sich eventuell kreuzen und was die Seilschaften in der unmittelbaren Nähe so vorhaben (Stichwort Kommunikation!). Im Zweifel gilt Onsight vor Flash vor Durchstiegsversuch; und Rotpunkt vor Pinkpunkt vor Toprope.
Übertriebenes Zurschaustellen
Gilt für alle und jeden, überall. Man ist nichts Besonderes, nur weil man Grad X oder Y klettern kann. Weil man überhaupt klettert. Weil man X oder Y auf der Jacke stehen hat. Die üblichen Regeln der Höflichkeit und des sozialen Zusammenlebens gelten auch und gerade beim Klettern.
Jawohl, das gilt auch anders herum. Wer dringend mit Tape an den Fingern in die Kneipe muss oder das Seil demonstrativ über der Schulter trägt, darf sich über amüsierte Blicke nicht wundern. Und wer sich kleinmacht, weil er "nur" Grad Z klettert, hat auch noch was nicht verstanden.
Lösung: Man muss sich nicht ausschließlich über Äußerlichkeiten definieren. Die unter Menschen übliche Höflichkeit und respektvolles Miteinander hat sich auch an Berg, Fels und sogar in der Kletterhalle als praktikable Form der Koexistenz etabliert.
Hunde
Die meisten Kletterer sind naturverbundene und tierliebe Menschen. Das heißt aber nicht, dass es toll finden, wenn Fido ihnen das Proviant wegfrisst, während sie gerade mit der Schwerkraft ringen. Daher gebietet es die Rücksicht, Hunde grundsätzlich an der Leine zu führen, und in jedem Fall zu beaufsichtigen und gegebenenfalls nicht mit an den Fels zu bringen.
Jawohl, das gilt auch für kleine Hunde, liebe Hunde, Welpen, Mischlinge, süße Hunde, gut erzogene Hunde, beliebte Hunde, entspannte Hunde, braune Hunde, Hunde die nicht stinken, Rasse-Hunde, große Hunde, Hunde, die nur spielen wollen, sportliche Hunde - also, genau: das gilt für alle Hunde.
Lösung: Wer Hundebesitzer ist, findet den eigenen Hund meist sehr symphatisch. Meist reicht es, sich kurz zu vergegenwärtigen, dass dies nicht automatisch allen Menschen so geht, und dass es gar Menschen mit ausgeprägter Angst vor Hunden gibt.
Kinder
Klar, Eltern wollen auch klettern. Und manchmal ist es nicht ganz einfach, einen Babysitter zu finden. Trotzdem ist es ein bisschen unfair gegenüber den Menschen, die beim Klettern Erholung suchen, mit schreienden Kindern am Fels auszuharren, bis auch der letzte Mensch Kopfweh hat.
Jawohl, es ist bekannt, dass wir alle einmal Kind waren. Es wird auch gewiss niemand ein Problem damit haben, wenn die Kids ihre gute Laune kundtun, spielen oder klettern.
Lösung: Gemeinsam mit anderen Eltern oder mit Babysitter sowie auch mit etwas Spaß und Geduld sind Kinder und Klettern sehr gut vereinbar. Rücksichtnahme hat bislang weder Eltern noch Kinder-Gegnern geschadet.
Den letzten Haken zum Umlenken benutzen
Schnell ein Toprope eingerichtet, am sichersten durch den letzten Haken gefädelt, und dann alle 18 Gruppenmitglieder daran klettern lassen? Oder das Seil nur schnell in den Sauschwanz oder fixen Schrauber geworfen, und dann im nächsten Go wieder benutzt? Das ist die beste Methode, Umlenker möglichst schnell zu zerstören und den Locals oder den betreibenden Alpenvereins-Sektionen viel Arbeit zu bereiten.
Jawohl, es gibt einen Ausnahme-Fall: Der Nachsteiger ist unerfahren und man möchte sicherstellen, dass die betreffende Person nicht umbauen muss. Und natürlich, wer die Route 'abbaut', also als letzter Kletterer alles Material entfernt, der benutzt selbstverständlich den letzten Haken oder fixes Gear zum Umlenken. In allen anderen Fällen ist es schlecht, am letzten Haken oder fixes Material zu benutzen. Es nutzt sich viel zu schnell ab!
Lösung: Bei wiederholtem Klettern in der gleichen Route eine Express-Schlinge einhängen und benutzen (oder mehrere, beim Topropen). So reduziert man die Abnutzung des letzten Hakens oder Sauschwanzes auf ein Minimum. Außerdem lässt sich eine Exe meist leichter klippen. Der letzte Kletterer baut ab.
Das allerwichtigste: Klettern gehen
Die schlechteste Angewohnheit von Kletterern überhaupt ist: Klettern gehen.
Jawohl. Denn wenn alle anderen nicht ständig klettern gehen würden, dann hätte ich die Kletterhalle oder den Fels für mich allein. Und hätte meine Ruhe. Und dann müsste ich mich nicht über Tickmarks und Abfall am Fels aufregen. Und dann hätte mir der doofe Köter letztens am Fels auch nicht meinen Käse, das Brot und die Würstchen weggefressen. Und ich hätte mich nicht hungrig mit dem Typen angelegt. Und... Ihr seht, was ich meine.
Die Lösung ist einfach: Bleibt zu Hause, guckt in den Fernseher, geht Fußball-Spielen. Schon mal dran gedacht, Fahrrad fahren zu gehen?