Eigentlich ganz einfach: „Im Eis kann man überall stehen und die Geräte überall setzen. Und weil die Geräte so ergonomisch sind, hat man immer einen guten Griff. Eisklettern ist also eigentlich banal.“ Solche Aussagen kann man manchmal hören, meist von Kletterern, die noch nicht viel im Eis unterwegs waren. Denn die gefrorene Materie stellt sich natürlich längst nicht so uniform dar.
Wenn ein Wasserfall gefriert, bildet er viele Strukturen und Übergänge: glattes, kompaktes Eis, welliges Eis, Röhreneis, Blumenkohleis, Schnee auf Eis, Schnee unter Eis. Viel bekletterte Eisfälle sehen anders aus als wenig begangene. Nimmt man noch die Mixedrouten dazu, so ergibt sich ein abwechslungsreiches Betätigungsfeld, das den Begehern die Beherrschung einer ganzen Reihe von Techniken abverlangt. Doch mit der Anforderung steigt bekanntlich der Reiz. Der folgende Auszug aus dem Lehrbuch „Eisklettern“ des kanadischen Profis Will Gadd zeigt, wie es richtig geht.
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Das Setzen des Eisgeräts
Ein gut gesetztes Eisgerät hält locker ein Mehrfaches des eigenen Körpergewichts. Doch erst einmal will es gut gesetzt sein. Zunächst gilt es, die Stelle anzuvisieren, wo man einschlagen will. Beim Ausholen liegen Schulter, Ellenbogen, Handgelenk und der Kopf des Geräts dann in einer Linie. Wir holen aus, bis das Gerät hinter den Rücken fällt. Dann wird es mit Schwung nach vorne geführt, der Arm wird dabei weitgehend gestreckt. Kurz vor Erreichen des Eises wird das Handgelenk schnell nach vorne gedreht.


Wichtig dabei ist, das Gerät nicht zu verkrampft zu packen, sondern es auf dem letzten Stück seinen Schwung entfalten zu lassen. Die Haue muss senkrecht aufs Eis treffen, sonst springt sie seitlich weg.
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Richtig stehen mit den Eisen
Wie beim Felsklettern auch kommt es im Eis darauf an, möglichst viel Gewicht auf die Beine zu verlagern. Grundsätzlich sucht man sich im Eisfall dabei - wie am Fels - Vorsprünge und Unebenheiten, wo man die Steigeisen kraftsparend setzen kann. Findet man keinen Vorsprung sondern nur glattes Eis, so tritt man fest dagegen, um eine kleine Delle zu erzeugen. So "schafft" man sich seine Tritte im Eis.

Wichtig ist, man dies nicht blindlings tut. Schaut hin, wo ihr steht, bis die Eisen sitzen. Der Schwung zum Setzen der Steigeisen kommt überwiegend aus dem Kniegelenk. An sehr glatten Stellen müsst ihr vielleicht mehrfach einschlagen, ehe das Eisen sicher greift. Beim Stehen auf Steigeisen sollen die Fersen leicht nach unten hängen, so trägt auch das zweite Zackenpaar zum guten Stand bei. Der Fuß sollte nach dem Setzen des Eisens möglichst nicht mehr bewegt werden.
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Grundtechniken und -Stellungen
Beim Eisklettern unterscheidet man die Parallel- und die Dreieckstechnik. Bei der Paralleltechnik werden beide Eisgeräte auf gleicher Höhe gesetzt, dann mit beiden Beinen hochgestiegen, dann wieder beide Geräte höher gesetzt. Effektiver ist die Dreieckstechnik, bei der die Geräte abwechselnd höher gesetzt werden: Ein Gerät wird über dem Kopf gesetzt, dann wandern beide Füße höher, wobei sie so platziert werden, dass sie mit dem oben gesetzten Gerät ein Dreieck bilden, so wie es die Position im rechten Bild zeigt.


Diese stabile Position verhindert, dass euch die Tür aufgeht, wenn ihr das untere Gerät löst. Nun den nächsten Einschlagpunkt anvisieren, das untere Gerät lösen, am oberen hochziehen und das vormals unteren Gerät weiter oben setzen. Ebenfalls in eine stabile (und recht kraftsparende Position) kommt man, wenn man wie am Fels eindreht – vorausgesetzt, die Steigeisen sitzen gut (siehe links).
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Hooken in allen Richtungen
Schlagen ist gut, Hooken ist besser: Besonders in viel begangenen Wasserfällen sind häufig schon die Einschlaglöcher der Vorgänger zu finden. Darin lassen sich die Eisgeräte kraftsparend einhängen. Allerdings müsst ihr aufpassen, die Geräte dann sauber nach unten zu belasten, denn gehookte Geräte können sich bei Belastung nach außen (und nach oben sowieso) plötzlich lösen. Gehookte Geräte sollte man eventuell mit einem kräftigen Ruck testen, bevor man das gesamte Körpergewicht daranhängt. Mit etwas Übung, am besten im Toprope, bekommt ihr schnell ein Gefühl dafür, was geht.

Captain Hook

Auch an großen Eisstrukturen lässt sich häufig hooken: hinter Eissäulen (die dann aber wenigstens einige Zentimeter dick sein sollten; gehookt wird ganz unten, am Ansatz der Säule) oder am Rand von Eisstrukturen (Bild links). Auch mit den Beinen kann gehookt werden, selbst ohne einen Fersendorn am Steigeisen kann man an Säulen so oft eine stabile Position finden. Auch das Stemmen zur Seite oder nach unten ist eine hilfreiche Technik, um die Arme zu entlasten.
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Kreativität gefragt
Mit zunehmender Übung und Schwierigkeit des Geländes werdet ihr euch neue Tricks und Bewegungsformen erschließen: Warum nicht Haue auf Haue hooken, wenn nochmaliges Einschlagen zu heikel wäre oder die Stelle nur ein Placement hergibt? Warum nicht mal am Kopf des Geräts festhalten (mit Zug nach unten), um weiter oben einschlagen zu können? Wie am Fels gilt es im Eis, die Möglichkeiten und Gegebenheiten kreativ zu nützen. Es muss ja nicht gleich die Figure-of-Four sein.

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Lehrbücher zum Thema Eisklettern
Eisklettern – Eis, Mixed, Drytooling
Will Gadds Standardwerk umfasst fast alles, was es zum modernen Eis- und Mixedklettern zu wissen gibt. Ein Lehrbuch übers Eisklettern, das alles beinhaltet: Infos für Anfänger und Expertentipps für Fortgeschrittene. Das reich bebilderte Buch ist 2006 beim Panico Alpinverlag erschienen, erhältlich im klettern-shop, 24,80 €.


Alpinlehrplan Hochtouren – Eisklettern
Neu aufgelegt wurde der Alpin-Lehrplan 3. Peter Geyer und Andi Dick, beide Berg- und Skiführer, schildern ebenfalls stark bebildert Eis- und Mixedklettertechniken und vieles mehr. BLV Buchverlag, 28,00 €.
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Profi-Tipp von Katrin Winkler
"Das Setzen der Eisgeräte sollte erst mal in Bodennähe geübt werden. Der Schlag sollte immer präzise sein. Hinzu kommt die Gefahr, durch einen ungezielten Schlag das eigene Seil (im Toprope oder Nachstieg) zu treffen, besonders wenn man eine Hohlhaue benutzt.
Nütze die Eigendynamik deines Eisgerätes aus. Versuche nicht, das Gerät mit all deiner Kraft ins Eis zu schlagen, lass es die Arbeit selbst machen. Der Schlag selbst kommt in erster Linie aus dem Handgelenk. Je mehr Schwung du aus der Schulter holen willst, umso mehr störst du deine Balance. Oft hat man eine schwächere und eine stärkere Hand, wenn du müde wirst, wird sich das noch stärker zeigen. Dart spielen ist ein gutes Training für deine Feinmotorik. Zum Treffen braucht man keine großen Muskelgruppen, die kleinen Muskeln und ihr Zusammenspiel entscheiden über die Zielgenauigkeit.

Eisneulinge schlagen die Geräte oft viel zu tief ins Eis. Beim Toprope-klettern kannst du ausprobieren, wie wenig die Klinge im Eis sein muss, um noch sicher zu halten. Wichtig ist dabei immer das Placement und eine gute Belastungsrichtung: gerade nach unten gerichtet sparst du am meisten Kraft. Direkt auf einem Eisbuckel platzt das Eis oft großflächig ab, versuche, dein Eisgerät deshalb immer in Mulden oder großen Eisflächen zu platzieren. Als Faustregel gilt immer: im rechten Winkel aufs Eis schlagen.
Ein Tipp, wenn das Eis gar zu spröde ist: Versuche mit Hohlhauen zu klettern – die sind so geformt, dass sie das Eis deutlich weniger sprengen.
Wenn ihr euch gegenseitig sichert beziehungsweise du deinen Nachsteiger sicherst, achte immer darauf, das Seil nicht während der Schlagbewegung einzuholen, denn dann nützt auch der gezielteste Schlag nichts mehr, wenn dir das Seil unter die Haue gezogen wird."
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