In vier Tagen entdecken Wanderer die bezaubernde Natur des Nationalparks Eifel – Abstecher in die bewegte Geschichte der Region inklusive.

Wildnis – da denken viele an die undurchdringlichen Regenwälder des Amazonas, die einsamen Weiten Kanadas oder Patagoniens windgepeitschte Fels- und Eiswelt – aber nicht unbedingt an die sanfte Wald- und Hügellandschaft der Eifel. Doch seit im Jahr 2004 ein etwa 110 Quadratkilometer großes Gebiet im Norden des Mittelgebirges zum Nationalpark erklärt wurde, kann sich auch dort die Natur wieder ihrem Urzustand nähern.
Sascha Wilden war begeistert, als ihm die Weiterbildung vom Forstwirt zum Eifel-Ranger angeboten wurde. Er teilt Abbeys Meinung, dass Wildnis kein Luxus sein dürfe, und erklärt: »Es ist unser Ziel, die Natur für alle Besucher erlebbar zu machen.« Zwar wird es noch Jahrzehnte dauern, bis sich das Schutzgebiet von den Eingriffen des Menschen erholt hat, doch auch heute schon können Wanderer den Urwäldern von morgen beim Verwildern zusehen: Auf dem Wildnis-Trail, der sich in vier Etappen vom Südwesten des Nationalparks bis zu seinem nördlichen Ende schlängelt. Zwar liegen nur rund 23 Kilometer Luftlinie zwischen dem Start der Wanderung in Höfen und ihrem Ziel in Zerkall, doch dass der Wildnis-Trail mit seinen 85 Kilometern die fast vierfache Distanz zurücklegt, hat gute Gründe: Er schickt den Wanderer nicht nur zu den eindruckvollsten Naturlandschaften des Nationalparks, sondern bisweilen auch auf eine Reise in die bewegte Geschichte der Eifel.

Der erste Höhepunkt des Eifeler Wildnis-Trails lässt nicht lange auf sich warten: Nach dem Abstieg zur idyllischen Perlenbachtalsperre folgt der Weg dem Lauf des Wassers in das bereits 1976 eingerichtete Naturschutzgebiet Perlenbach-Fuhrtsbachtal, ein Refugium zahlreicher bedrohter Pflanzen- und Tierarten. Besonders im Frühjahr bietet sich dort ein faszinierendes Naturschauspiel: Tausende von Gelben Wildnarzissen verwandeln die aromatisch duftenden Bärwurzwiesen in leuchtende Blütenmeere – das größte Vorkommen der auch als Osterglocke bekannten Pflanze in Deutschland. Nach diesem blumigen Auftakt zeigt sich der Wildnis-Trail an den Felsen der Leykaul von seiner raueren Seite. »Für mich eine der schönsten Stellen im Park«, meint Ranger Sascha, und wer den Höhenpfad nach Hirschrott unter die Sohlen nimmt, wird ihm zustimmen: Der Weg verengt sich zum schmalen Saumpfad, der sich zwischen schroffen Schieferfelsen entlangschlängelt, mal durch die dunklen Nadelteppiche des Fichtenforsts, mal durch den lichtdurchfluteten, mit Moosen, Flechten und Wildkräutern bewachsenen Boden des Eichenwalds. Wieder neue Eindrücke warten auf dem Kamm des Dedenborner Walds: Mit seinem hohen Anteil an Alt- und Totholz zeigt sich der majestätische Buchenwald bereits jetzt in einem herrlich naturnahen Zustand.
Im Nationalpark Eifel sehen Wanderer die Urwälder von morgen schon heute verwildern.
In Einruhr erreicht der Wildnis-Trail schließlich den Obersee. Zusammen mit dem Urft- und dem Rursee bildet er die Eifeler Seenplatte, deren Gewässer sich wie eine riesige Schlange zwischen den grün bewaldeten Hügeln hindurchwinden – mancher fühlt sich an einen »Amazonas der Eifel« erinnert. An dessen Ufer führt der Wildnis-Trail in das ehemalige Sperrgebiet Vogelsang. Das rund 33 Quadratkilometer große Areal – deckungsgleich mit der Dreiborner Hochfläche – war bis Ende 2005 tatsächlich ein »ein weißer Fleck auf der Eifel-Landkarte«, wie Ranger Sascha es ausdrückt. Das belgische Militär nutzte das Gelände als Truppenübungsplatz, für Zivilisten war es nicht zugänglich. Obwohl der Einfluss des Menschen hier so deutlich wie an kaum einem anderen Ort im Nationalpark seine Spuren hinterlassen hat, gehört der Streckenabschnitt zu den eindrucksvollsten des Wildnis-Trails. Weite, von Gebüschbrachen durchsetzte Freiflächen prägen die Landschaft, und auch hier erleben Wanderer im Frühjahr ein gelbes Wunder, wenn der Besenginster, auch Eifelgold genannt, seine Blütenpracht entfaltet. Ganz andere Eindrücke hinterlassen die den Weg säumenden historischen Bauten: Hat man die imposante Urfttalsperre hinter sich gelassen, führt der Weg zunächst zum Geisterdorf Wollseifen, dessen Einwohner 1946 dem Truppenübungsplatz weichen mussten, zu dem auch der Gebäudekomplex der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang gehörte, einer Schulungsstätte des NSDAP-Führungskaders. Heute ist hier ein Servicezentrum für Nationalparkbesucher untergebracht.
Hinter Gemünd geht es in den Kermeter, eines der größten Laubwaldgebiete des Rheinlands. Mit seinem ausgedehnten Bestand an Rotbuchen, – der Baumart, die das natürliche Gesicht Europas einst prägte – stellt er das ökologische Herzstück des Nationalparks dar. Einen Blick in die Zukunft gewährt die Naturwaldzelle »Wiegelskammer«: Seit 1971 darf sich der Wald dort ungestört entwickeln.
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Vom malerischen Städtchen Heimbach führt das letzte Wegstück der Wanderung durch den Hetzinger Wald, dessen knorrige Eichen die Landschaftspalette des Nationalparks komplettieren. Das Fazit am Ende des Wildnis-Trails: Auch wenn sein Name noch nicht überall der Realität entspricht, zeigt er Wanderern schon heute eine der schönsten Regionen Deutschlands – keine Frage, Ranger Sascha hat sich einen traumhaften Arbeitsplatz ausgesucht. Auch Edward Abbey hätte sich im Nationalpark wohlgefühlt. Denn hier zeigt sie sich, die Liebe zur Wildnis, die er beschrieb als einen »Ausdruck der Loyalität zur Erde – der Erde, die uns hervorbringt und ernährt, die einzige Heimat, die wir kennen sollten, das einzige Paradies, das wir benötigen«.
Wildnis-Trail Etappe 1: Höfen-Einruhr
24,7 Kilometer, 6,5 Stunden
Vom Nationalparktor in Monschau-Höfen kurz über offenes Feld, dann durch Fichtenforst zur Perlenbachtalsperre absteigen. Am Uferrandweg links halten, anschließend erst dem Perlenbach, dann dem Fuhrtsbach folgen. Hinter einem Stauweiher führt der Wildnis-Trail nach rechts durch die Döppeskaul, an deren Ende trifft er auf den Führtgesweg. Auf diesen nach links abbiegen und bis zur B 258 gehen. Nach der Querung der Straße zum Wüstebach wandern und dem Flusstal bis zur Ausschilderung Richtung Dreiborn folgen. Der Weg steigt nun bis zu einer Nationalparktafel an, dort links halten. Am Hof Leykaul vorbei und auf dem Höhenpfad nach Hirschrott wandern. Von dort den Schildern nach weiter bis ins Tal von Erkensruhr. Auf der Ortsdurchgangsstraße nach links zur Hubertus-Kapelle gehen, dort rechts halten und zum Kamm des Dedenborner Walds aufsteigen. An der Rasthütte »Fedder« weist die Markierung den Weg nach rechts zum Tagesziel in Einruhr.

Wildnis-Trail Etappe 2: Einruhr-Gemünd
20,5 Kilometer, 5 Stunden
Vom nördlichen Ortsende Einruhrs entweder auf der Uferstraße (Abkürzung) oder der Ausschilderung des Wildnis-Trails folgend bis zur Bootsanlegestelle Jägersweiler gehen. Die Wegführung im ehemaligen Truppenübungsplatz Vogelsang ist stets eindeutig (Wegegebot beachten!), zunächst geht es durch Wald- und Offenflächen bis zur Landzunge von Dickenauel. Dann führt die Strecke am Ufer des Obersees entlang, bevor bei einem steilen Anstieg die Urftstaumauer passiert wird. An einer Gabelung weist die Markierung Richtung Wollseifen, dort angelangt geht es der Ausweisung nach weiter bis zur ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang. Vom südlichen Ende des Gebäudekomplexes zieht der Wildnis-Trail über den Aussichtspunkt Kickley in Richtung Morsbach. Kurz vor dem Ort dreht der Weg Richtung Urft und führt parallel zum Fluss nach Gemünd.
Wildnis-Trail Etappe 3: Gemünd-Heimbach
22,4 Kilometer, 5,5 Stunden
Von Gemünd verläuft der Wildnis-Trail zunächst parallel zur Urft, nach Umrundung der Haarnadelkurve an der Hausley trifft man bald an die Einmündung des Großen Böttenbachs. Dort nach rechts abbiegen und dem Wasserlauf bis Wolfgarten folgen. Vom nordöstlichen Ende der Ortschaft weiter bis zum Forsthaus Mariawald, an der nächsten Gabelung den linken Abzweig Richtung Heimbach/Mariawald nehmen und anschließend stets auf dem Hauptweg bis zum Kloster Mariawald wandern. Von dort bergan über den Parkplatz bis zum Ehrenfriedhof gehen. Vom dahinter liegenden Parkplatz für etwa 500 Meter nach Süden halten, weiter geht es in westlicher Richtung. Es folgen drei weitere Bachüberquerungen, der Weg dreht nach Norden und führt anschließend durchs Steinbachtal. Hinter dem Herbstbach geht es parallel zur L 249 in den Etappenort Heimbach.
Wildnis-Trail Etappe 4: Heimbach-Zerkall
17,7 Kilometer, 4,5 Stunden
Die Rurbücke überqueren und Richtung Schwimmbad gehen. Weiter bis zum Fußballplatz, dort links, dann rechts bis zum Ortsrand von Hasenfeld wandern. Nun geht es in nordöstlicher Richtung bis zu einer Schutzhütte. An der dortigen Gabelung nach links abbiegen und nordwestwärts auf Schmidt zuhalten, bis der Weg an einer Kreuzung nach Nordosten dreht und an einer Schutzhütte vorbei in den Hetzinger Wald leitet. An der folgenden Kreuzung weiter geradeaus (Abkürzung nach links möglich) und in weitem Spitzbogen um den Rossberg herumgehen. An einer Gabelung rechts nach Norden abbiegen. Am Schliebach führt die Strecke bis zum Ortsrand von Harscheidt, von dort geht es in nördlicher Richtung weiter, bis man die Kall erreicht. Nun folgt der Wildnis-Trail dem Lauf des Flusses, bis am Nationalpark-Infopunkt in Zerkall das Ende der Wanderung erreicht ist.

WildnisTrail in der Eifel: alle Infos für die Planung
Lage:
Der Nationalpark Eifel liegt an der Westgrenze Deutschlands in Nordrhein-Westfalen. Sein 110 Quadratkilometer großes Gebiet erstreckt sich von der belgischen Grenze bei Wahlerscheid im Süden bis nach Nideggen im Norden. Mitten hindurch zieht sich der 85 Kilometer lange Wildnis-Trail. Schilder mit dem Wildkatzen-Symbol weisen Wanderern auf dem Wildnis-Trail den Weg.
Charakter: Die Wanderung führt in meist gemäßigtem Auf und Ab durch weite Wälder, vorbei an Seen und über die Dreiborner Hochfläche. Der Weg ist sehr gut ausgezeichnet und weist keine technischen Schwierigkeiten auf, die bis 25 Kilometer langen Etappen erfordern aber eine ausreichende Kondition.
Anreise: Von Köln auf der A 1 bis zur Ausfahrt Wißkirchen, dort auf die B 266 Richtung Schleiden-Gemünd. In Herhahn auf die L 207 abbiegen, nach gut sieben Kilometern führt die Strecke auf der B 258 bis Monschau-Höfen.
Beste Zeit: Ganzjährig machbar, am schönsten aber von Frühling bis Herbst.
Übernachtung: Viele Möglichkeiten in den Etappenorten. Besonders empfehlenswert sind die als Nationalpark-Gastgeber zertifizierten Unterkunfts- und Gastronomiebetriebe: Sie setzen sich für einen sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen ein, betreiben Maßnahmen zur Lärm- und Abfallreduzierung und verwenden überwiegend regionale Produkte. Auflistung unter: www.nationalpark-eifel.de
Literatur: Der Wildnis-Trail im Nationalpark Eifel. Themen-Touren Band 3. Hrsg. von Maria A. Pfeifer, J. P. Bachem Verlag 2007, 12,95 Euro.

Etappenübersicht auf der Eifel-Karte:

Kartentipps: Nationalpark Eifel. Wanderkarte Nr. 50 des Eifelvereins, 1:25000, 8 Euro. Die Karte deckt das gesamte Nationalpark-Gebiet ab, auch der Verlauf des Wildnis-Trails ist eingezeichnet.
Infos: Wissenswertes zum Nationalpark und die Kontaktadressen der Tourismusämter liefert www.nationalpark-eifel.de, telefonisch erreicht man die Natinalparkverwaltung unter 02444/95100.