- Etappenübersicht Ortler-Höhenweg
- Tourenbeschreibungen + Karten
- Tipps zur Planung eurer Reise
- Übernachtungsmöglichkeiten
- Tipps von Reiseautor Florian Sanktjohanser
- Ein Kranz für den König – unser Reisebericht vom Ortler Höhenweg
- Videoimpressionen aus dem Vinschgau in Südtirol
- Weitere tolle Wanderungen in Südtirol
Die hochalpine Wanderroute "Ortler Höhenweg" beeindruckt Wanderer mit Ausblicken auf das Ortler-Massiv und die Südtiroler Bergwelten. Der Ortler-Höhenweg umrundet den namensgebenden Berg Ortler (3905 m) in sieben Etappen mit insgesamt 119,5 Kilometern und 8126 Höhenmetern (Details siehe unten). Die Route erfordert alpine Erfahrung, Trittsicherheit, Kondition und Hochgebirgsausrüstung – stellenweise bewegt man sich über 3000 Meter, ein Teilstück führt über Gletschergebiet. Unterwegs begeistern immer wieder die Blicke auf Ortler und Co. Der Weg ist beschildert, übernachtet wird in Berghütten.
- Beste Zeit: Juli und August sind die besten Monate. Zuvor liegt im Hochgebirge oft noch viel Schnee. Im September geht die Saison langsam zu Ende.

Etappenübersicht Ortler-Höhenweg
- Etappe 1: Von Stilfs zur Düsseldorferhütte, ca. 9h
- Etappe 2: Von der Düsseldorferhütte zur Zufallhütte, ca. 8h
- Etappe 3: Von der Zufallhütte zur Pizzinihütte, ca. 6,5h
- Etappe 4: Von der Pizzinihütte nach Sant’Antonio, ca. 8,5h
- Etappe 5: Von Sant’Antonio zum Rifugio Monte Scale, ca. 8h
- Etappe 6: Vom Rifugio zum Stilfserjoch / Garibaldihütte, ca. 8h
- Etappe 7: Vom Stilfserjoch nach Stilfs, ca. 7,5h
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Tourenbeschreibungen + Karten
1. Von Stilfs zur Düsseldorferhütte
Aus dem Dorf hinab zur Stilfser Brücke, auf der anderen Flussseite hinauf zur Kälberalm (2253 m). Von dort nimmt man den Eselsteig und folgt dem neuen Steig ums Hintere Schöneck. Kurz zu Hochweide an einem Bach absteigen, dann in Serpentinen hoch zur Düsseldorfer Hütte (2721 m).
Länge | 18,64 km |
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Dauer | 5:58 Std |
Schwierigkeitsgrad | Schwer |
Höhenunterschied | 279 Meter |
Höhenmeter absteigend | 1749 Meter |
Tiefster Punkt | 2762 m ü. M. |
Höchster Punkt | m ü. M. |
Diese Tour findest du auch bei unserem Partner

2. Von der Düsseldorferhütte zur Zufallhütte
Die Serpentinen wieder absteigen und den Hang zur Bergstation des Kanzellifts queren. Über die Rosimböden führt ein neuer Geröllsteig hinauf zum Schöntaufjoch (3168 m). Mit Blick auf die Cevedale-Gletscher zum Madritschjoch (3123 m) queren, in langen Kehren ab zur Zufallhütte (2265 m).
Länge | 16,91 km |
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Dauer | 7:35 Std |
Schwierigkeitsgrad | Schwer |
Höhenunterschied | 1683 Meter |
Höhenmeter absteigend | 247 Meter |
Tiefster Punkt | 1272 m ü. M. |
Höchster Punkt | m ü. M. |
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3. Von der Zufallhütte zur Pizzinihütte
Vorbei an einer alten Staumauer und über die Moräne des Langenferners zum Talschluss des Martelltals hinauf. Unterhalb der Ruine der Halleschen Hütte Steigeisen anlegen und über den Gletscher hinauf zur Casatihütte (3269 m). Übers Langenferner Joch gleich dahinter wandert man hinab zur Pizzinihütte (2706 m).
Länge | 14,81 km |
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Dauer | 6:59 Std |
Schwierigkeitsgrad | Schwer |
Höhenunterschied | 814 Meter |
Höhenmeter absteigend | 1260 Meter |
Tiefster Punkt | 2699 m ü. M. |
Höchster Punkt | m ü. M. |
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4. Von der Pizzinihütte nach Sant'Antonio
Über den Passo di Zebrù Nord (3001 m) zum Rifugio Quinto Alpini (2878 m) – oder gleich den Weg 529 hinab zur Alm Bàita del Pastore (2168 m). Von hier durchs Zebrùtal hinunter zum Weiler Sant’Antonio (1347 m).
Länge | 11,77 km |
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Dauer | 5:59 Std |
Schwierigkeitsgrad | Schwer |
Höhenunterschied | 989 Meter |
Höhenmeter absteigend | 561 Meter |
Tiefster Punkt | 2255 m ü. M. |
Höchster Punkt | m ü. M. |
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5. Von Sant'Antonio zum Rifugio Monte Scale
Kurz vor der Kirche den Bach überqueren und ins Val d‘Uzza hinauf. Oberhalb von Bormio den Hang traversieren, auf der Ponte Forni über den Fluss Adda und hinauf zur Berghütte Rifugio Monte Scale (1950 m).
Länge | 21,12 km |
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Dauer | 7:15 Std |
Schwierigkeitsgrad | Schwer |
Höhenunterschied | 597 Meter |
Höhenmeter absteigend | 1928 Meter |
Tiefster Punkt | 2677 m ü. M. |
Höchster Punkt | m ü. M. |
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6. Vom Rufugio Monte Scale zum Stilfser Joch
Über den Staudamm des Lago di Cancano, die Alm Pedenolo und die Bocchetta di Pedenolo zur Bocchetta di Forcola (2768 m). Auf dem Friedensweg zum Stilfser Joch (Garibaldihütte, 2845 m).
Länge | 16,27 km |
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Dauer | 6:27 Std |
Schwierigkeitsgrad | Schwer |
Höhenunterschied | 1051 Meter |
Höhenmeter absteigend | 458 Meter |
Tiefster Punkt | 1342 m ü. M. |
Höchster Punkt | m ü. M. |
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7. Vom Stilfser Joch nach Stilfs
Über den Goldsee (2708 m) hinunter zur Furkelhütte (2153 m) und in sanftem Auf und Ab bis kurz vor die Stilfser Alm. Es folgt der lange Abstieg nach Stilfs.
Länge | 22,09 km |
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Dauer | 7:11 Std |
Schwierigkeitsgrad | Schwer |
Höhenunterschied | 1309 Meter |
Höhenmeter absteigend | 486 Meter |
Tiefster Punkt | 1939 m ü. M. |
Höchster Punkt | m ü. M. |
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Tipps zur Planung eurer Reise
- Hinkommen: Mit dem Zug fährt man nach Spondinig, was allerdings mit häufigem Umsteigen verbunden ist (ab Stuttgart zum Beispiel mindestens vier Mal). Von dort per Bus nach Stilfs (suedtirolmobil.info/de). Mit dem Auto dauert es von München vier Stunden bis Stilfs, von Stuttgart gut fünf, von Frankfurt sieben.
- Herumkommen: Grundsätzlich kann man an vielen Punkten auf den Höhenweg einsteigen. So sind zum Beispiel Sulden oder der Lago di Cancano (Ende Etappe 5) per Bus erreichbar. Manche Etappen lassen sich abkürzen, etwa gleich die erste. Wer sich die knapp 1800 Höhenmeter Aufstieg nicht zutraut, startet von Sulden zur Düsseldorfer Hütte und spart sich mehrere Stunden und 1000 Höhenmeter. Auch der Abstieg von gut 2300 Höhenmetern durchs Zebrùtal (Etappe 4) lässt sich entschärfen, indem man sich von einem Shuttleservice von der Alm Bàita del Pastore abholen lässt. Das verkürzt die Strecke bis Sant’Antonio um neun Kilometer (zum Beispiel mit AlpinTaxi, Tel. 0039/3334706865)
- Orientieren: Eine topografische Karte des Ortler Höhenwegs im Maßstab 1:25.000 erhält man für 9,90 Euro in den Tourismusbüros der Ferienregion Ortler, Ferienregion Latsch- Martelltal, Ferienregion Ultental und in allen fünf Besucherzentren des Nationalparks Stilfserjoch. Sie informiert auch über Zustiege und Übernachtungsmöglichkeiten.
- Informieren: Auf vinschgau.net findet sich unter »Aktivurlaub« eine Seite zum Ortler Höhenweg mit detaillierten Beschreibungen der Etappen.
- Anforderungen: Der Ortler Höhenweg erfordert Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und vor allem sehr gute Kondition. In sieben Tagen legt man knapp 120 Kilometer und je 8126 Höhenmeter im Auf- und Abstieg zurück. Pro Tag beträgt das Wanderpensum zwischen sechs und neun Stunden, zum Teil in 3000 Metern Höhe.
- Mehr Infos: vinschgau.net
Übernachtungsmöglichkeiten
- In Stilfs: Die Zimmer des Hotel Sonne in Stilfs bieten einen herrlichen Blick auf das Dorf, das Frühstück ist selbst nach Südtiroler Maßstäben hervorragend (DZ/F ab 57 Euro, Tel. 0039/0473611750, stilfs.it
- Am Berg: Mehrere Etappen enden an Berghütten. Die Düsseldorfer Hütte auf 2721 Metern Höhe hat eine herrliche Terrasse mit Blick auf Ortler, Zebrù und Königsspitze – und zum Paddeln einen Einbaum in einem winzigen See (DZ/F 34,50 Euro pro Person, Halbpension 48 Euro, Tel. 0039/3332859740, duesseldorferhuette.com). Die Zufallhütte auf 2265 Metern punktet mit Wasserfall- Blick und – in normalen Jahren – einer Saunahütte (Halbpension im Lager 46 Euro pro Person, im DZ 56 Euro, Tel. 0039/3356306603, zufallhuette.com). Auch das Rifugio Pizzini auf 2706 Metern hat eine Sauna – und liegt grandios am Gletscher (DZ/F 75 Euro, Tel. 0039/0342935513, rifugiopizzini.it).
- Nach der Tour: Das Hotel Gallia an der Stilfserjochstraße ist eine Unterkunft, in der man nach dem Höhenweg gerne die Beine ausstreckt (Zimmer pro Person mit Frühstück ab 58 Euro). Im Restaurant kommen traditionelle Südtiroler Küche, leichte mediterrane Kost und Internationales auf den Tisch. hotel-gallia.it
Tipps von Reiseautor Florian Sanktjohanser
- Sicher gehen: Für den Abschnitt von der Zufallhütte zur Pizzinihütte (Etappe drei des Höhenweges) lohnt es sich, einen Bergführer zu engagieren. Er stellt Steigeisen und Seile und führt Gäste sicher über das Eis. Der Guide Olaf Reinstadler ist über die Alpinschule Ortler zu buchen, 0039/3357302228, alpinschule-ortler.com
- Eisfrei: Wer die Ortler-Region auf einer kürzeren und gletscherfreien Variante kennenlernen will, der wandert die ersten beiden Etappen des Ortler-Höhenweges bis zur Zufallhütte. Nun weiter auf dem Weg zur Pizzinihütte, aber vor dem Gletscher abbiegen und über die Eisseespitze und den Stecknerweg nach Sulden wandern – drei schöne Wandertage.

Ein Kranz für den König – unser Reisebericht vom Ortler Höhenweg
Mitten in den steilen Serpentinen, auf gut 3000 Metern Höhe, packt Olaf Reinstadler plötzlich einen Felsbrocken und wuchtet ihn auf den Geröllsteig. »Hier müssen wir eine Reservestufe einbauen«, sagt er leise, halb zu sich selbst, und geht weiter – während wir uns, keuchend und schmunzelnd, anschauen. Und uns einmal mehr wundern über diesen Mann. Olaf, 56, ist sein halbes Leben Bergführer, so wie vier Generationen von Reinstadlern vor ihm. Seit es in Sulden Alpintourismus gibt, mischt seine Familie mit. Chef der Bergwacht ist Olaf natürlich auch. Und nebenbei arbeitete er bis vor kurzem noch als Bäcker. Um Mitternacht stand er auf, buk bis zum frühen Morgen, dann ging er mit Gästen eine Tour. Nach vier Stunden Schlaf ging es von vorne los. »Nur noch Bergführer zu sein«, sagt Olaf, »ist wie Urlaub.«
Genug Muße also für sein neuestes Projekt, das zugleich sein Vermächtnis werden könnte: den Ortler Höhenweg. »Die Idee brodelte schon lange«, sagt Olaf. Andere berühmte Berge haben seit Jahrzehnten ihre Rundtouren – die Tour de Mont Blanc ist einer der beliebtesten Fernwanderwege der Alpen. Am 3905 Meter hohen Ortler aber verhinderten die Gletscher lange einen Rundweg in hochalpinen Lagen. »Noch vor zehn Jahren wäre das nicht möglich gewesen«, sagt Olaf. Seit Sommer 2019 hat nun auch König Ortler seinen Ehrenkranz - und was für einen: Auf knapp 120 Kilometern umringt er den höchsten Gipfel Südtirols, mehr als 8000 Höhenmeter steigen Wanderer auf und wieder ab. Stundenlang wandert man in dünner Luft in 3000 Metern Höhe, sogar ein Gletscher ist zu queren. Anspruchsvollere Höhenwege wird man in den Alpen kaum finden.
Ein Bär auf Durchreise
"Ein bisserl Fitness braucht man schon", sagt Olaf. Schönstes Bergführer-Understatement. Aber beim Start in Stilfs könnte man ihm glatt noch glauben. Über Wiesen spazieren wir zur Stilfser Brücke hinab, zum tiefsten Punkt der Runde. Es ist ein herrlicher Herbstmorgen, die Sonne flutet das Dorf oben auf dem Hang, im Talschluss leuchtet die schneegekrönte Weißkugel. Unter Fichten, Kiefern und Lärchen wandern wir einen jahrhundertealten Pfad zu den Almen hinauf. Bartflechten hängen von den Ästen, am Wegesrand stehen Steinpilze, Bovisten und Fliegenpilze. Ein Reh nimmt Reißaus, ein Birkhuhn flattert auf, ein Specht fliegt trillernd über uns hinweg. "Am frühen Morgen sehe ich hier immer wieder Hirsche", sagt Olaf. Ab und an streifen auch Braunbären umher, die von der Brenta in den Schweizer Nationalpark ziehen. Einmal sah Olaf einen Bär wenige Meter vor sich, als er im Sessellift an der Bergstation ankam. "Da sind wir schnell wieder eingestiegen." Die ersten Stunden sind beschauliches Eingehen. Wir passieren Almen, auf denen junge Milchkühe grasen, andere Wanderer sind nicht zu sehen. "Weil die Almen nicht bewirtschaftet sind", erklärt Olaf. Und weil bisher erst wenige Urlauber vom Ortler Höhenweg gehört haben. "Bis sich das einläuft, dauert es mehrere Jahre."

Mit jeder Gehminute wird die Aussicht nun grandioser. Wir wandern durch ein Spalier aus Wacholder und Almrosen, die Blätter der Heidelbeeren tupfen Rot, das Heidekraut Rosa ins kniehohe Gebüsch. Von dem sanft ansteigenden Pfad blicken wir übers Tal auf den breitschultrigen Ortler mit seinen Gletschern und auf den Eisfächer der Königsspitze dahinter. Den perfekten Logenplatz für dieses Panorama serviert uns die Kälberalm gleich am Wegesrand. Herrlich wäre es, sich jetzt in einen der Liegestühle zu fläzen, am Weißbier zu nippen, zu verweilen – würde nicht ein Wanderführer gerade von einem Bartgeier erzählen, den er oberhalb gesehen hat. Also schnell weiter. Auch wenn Olaf nicht ganz so enthusiastisch ist. »Geier siehst du hier jeden Tag«, sagt er. Und tatsächlich: Als wir kurz darauf den Eselsteig hinaufschnaufen, segelt einer der prächtigen Aasfresser mit ausgebreiteten Schwingen vorbei. »Ein Jungvogel«, sagt Olaf, er habe noch keine Markierung: gelbliche Striche in den Schwungfedern, wie ein Barcode im Supermarkt.
Die ergonomischen Holzliegen am Weg wären wie geschaffen, um die Flugshow zu genießen. Aber leider segelt der Geier davon, wahrscheinlich hinüber zu seinem Nest in der Felswand. 1986 wurden die ersten Bartgeier im Nationalpark Stilfserjoch ausgewildert, seit 1997 pflanzen sie sich munter fort. Steinadler meiden die Neuankömmlinge, sagt Olaf. »Die mögen sich einfach nicht.«
Harter Einsatz mit der Spitzhacke
Gleich hinter den Liegen beginnt der erste Abschnitt, den Olaf neu für den Höhenweg angelegt hat. Auf schottrigem Steig queren wir zwischen Lawinenzäunen den Hang. Den Verlauf gaben die Schieferklippen vor, doch um die Feinheiten zu planen, ging Olaf immer wieder auf und ab, malte Punkte auf und schlug Pflöcke ein. »Das sieht jetzt einfach aus«, sagt er. »Aber wenn ein größerer Stein kommt, hängst du fest.« Zumal der Nationalpark keine Bagger erlaubte. Tagein, tagaus gruben sich die Arbeiter deshalb mit Spitzhacke und Schaufel durchs felsige Terrain. In vier Wochen hatten sie das eineinhalb Kilometer lange Teilstück vollendet. Und waren zu Recht zufrieden mit ihrem Werk. Statt hunderte Höhenmeter ins Tal ab- und wieder aufzusteigen, spazieren wir nun fast eben dahin. Bald sehen wir die Düsseldorfer Hütte, sie scheint nah auf ihrem Felsenthron. Doch die Serpentinen ziehen sich noch mal elendig. Erschöpft sinken wir schließlich auf die Holzbank vor der Hütte, ziehen die Stiefel aus und strecken die Zehen in die Nachmittagssonne. Zur Belohnung dreht der Geier noch mal ein paar Runden vor der Terrasse, als wir auf den schönen Wandertag anstoßen. Im Grunde seien alle Etappen etwa gleich lang und anstrengend, erklärt Olaf abends beim Drei-Gänge-Menü. Was auch an seiner Vor-gabe lag: eine Woche für die gesamte Runde. »Ich hätte sie eigentlich zwei bis drei Tage kürzer gemacht. Aber dann musste noch die und die Gemeinde dazu.« Damit jeder was vom neuen Prestigeweg hat.
Wo es nur mit Steigeisen weitergeht
Lange sitzen der Fotograf Fabian und ich noch eingemummt auf der Terrasse und schauen in den Sternenhimmel über den fahl leuchtenden Gletschern. Und frühmorgens stehen wir schon wieder draußen: um die Parade der Eisriesen in den ersten Sonnenstrahlen glühen zu sehen. Und um genug Zeit zu haben für die nächste lange Etappe. Zwischen verkeilten Felsen voller Farne und Moose wandern wir hinüber zur Bergstation eines Sessellifts, wo Olaf Steigeisen und Gurte abholt. Wir werden sie brauchen. Denn nun beginnt der hochalpine Teil des Höhenwegs. Und die längste neue Passage. Vom Rosimboden bis zum Madritschjoch wurde ein sechs Kilometer langer Steig frisch angelegt, »zwei Monate haben sie hier durchgearbeitet«.

In gleichmäßigem Zickzack steigt der Pfad zunächst über den Geröllhang an. Aber das könne sich noch ändern, sagt Olaf. »Jetzt wird er zwei, drei Mal ausgewaschen, dann wird er neu gemacht. Und wenn er ein paar Winter hinter sich hat, kannst du sagen, dass er so bleibt.« In puncto Höhe und Steilheit wird sich freilich wenig ändern. Kehre um Kehre schnaufen wir bergauf, schon wölbt sich über uns der Schöntaufferner. Der Puls hämmert, ein naher Felssturz jagt mir einen Schreck in die Glieder. Doch als wir auf die Schöntaufscharte treten, ist jede Mühsal weggeblasen. Vor uns breitet sich eine grandiose Ödnis von Schotterhängen und schwarzen Felsen aus, über weiten Schneehängen stechen die Eishörner von Zufallspitze und Cevedale in den Himmel. Olaf rattert all die anderen Berge in Sichtweite her- unter: Schrötterhorn, Schöntauf- und Suldenspitze, in der Ferne die Gipfel des Unterengadins und die dunklen Silhouetten der Brenta. Angedüdelt von Höhenluft und Ausblick stapfen wir unterhalb des Kamms quer über den Schotterhang. Vereinzelte Blumen krallen sich in den Glimmerschiefer: ein pinker Gletscher-Hahnenfuß, rosa Leinkraut und weiße Steinbrech-Blümchen, über denen Schmetterlinge schwirren. Ob die Mountainbiker am Madritschjoch ein Auge dafür haben? Die einen schieben und tragen gerade ihr Rad zur Passhöhe herauf, andere hoppeln die gerölligen Serpentinen hinunter. »Seht ihr den Wasserfall da hinten?«, fragt Olaf. »Direkt darunter liegt die Zufallhütte.« Mit Blick auf Gletscher und rötliche Berge spazieren wir vergnügt entlang eines glitzernden Bachs hinab. Zur Begrüßung bekommen wir vom Hüttenwirt Uli Müller gleich mal einen Schnaps eingeschenkt. »Die Fernwanderer werden immer mehr«, sagt er. Die meisten seiner Gäste gingen aber weiter Tagestouren auf die 3000er ringsum. »Ich glaube, dass viele das Stück über den Gletscher vom Ortler Höhenweg abschreckt.«
An der Grenze zwischen Pasta und Knödeln
Es wäre schade. Denn so hübsch die bisherige Tour auch war – die Überschreitung des 3266 Meter hohen Langenferner-Jochs am nächsten Tag ist die Königsetappe. Durch vereinzelte Silberdisteln, grüne Polster und weiße Wurmflechten steigen wir über die Schuttmoräne auf. Der Langenferner hat sich weit zurückgezogen, erst unterhalb der Eisseescharte legen wir die Steigeisen an. Der Gletscher sei hier flach und ungefährlich, sagt Olaf. Vor allem im Frühjahr, wenn der Schnee noch die Spalten füllt. »In ein paar Jahren wird er so dünn sein, dass es überhaupt keine Spalten mehr gibt«, sagt Olaf. Einstweilen aber können wir weder auf Steigeisen noch aufs Seil verzichten. Brav schlüpfen wir also in den Gurt und lassen uns verschnüren. Im Gänsemarsch stapfen wir abwechselnd über Eis und kleine Geröllkämme, vorbei an Brettern, rostigem Stacheldraht und zerbrochenen Weinflaschen. Sie stammen von den Geschützständen der Halleschen Hütte, die österreichische Kaiserjäger 1918 bei ihrem Rückzug niederbrannten. »Vor ein paar Jahren haben wir einen ganzen Haufen Munition weggebracht und entschärft«, erzählt Olaf.
Sein Großvater kämpfte hier oben im Gebirgskrieg an der Front. Der Enkel führt nun Wanderer auf dem Höhenweg hinüber zu den einstigen Feinden. Die Casatihütte vor uns liege schon in der Lombardei, sagt Olaf und deutet in die Richtung. Dort drüben, jenseits der Sprachgrenze, gebe es Pasta und Pizoccheri statt Knödeln. Beim langen Abstieg durchs Zebrùtal werde man mit 99 Prozent Sicherheit Steinböcke sehen. Man werde urige Almen passieren, Stauseen und heiße Quellen, in denen schon die Römer badeten. Und am Schluss werde man am Stilfser Joch mit dem Premiumblick aufs ganze Ortlermassiv belohnt. Wir freuen uns schon drauf.
Videoimpressionen aus dem Vinschgau in Südtirol
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