Schreiend rauscht eine Gruppe im voll besetzten Kanadier an mir vorbei, die Wellen der Bootsrutsche schnappen nach Kanu samt Insassen, schieben ihre Fracht dann aber doch schnurstracks weiter nach unten in das ruhige Wasser am Fuß des Wehrs. Das Gekreische erreicht einen Höhepunkt, als der Bug eintaucht und die Gischt links und rechts der Seitenwand in die Höhe spritzt. Dann geht es zügig in euphorisches Gegröle und Gekicher über. Das Spektakel an der Hammermühle – eine von zwei Bootsrutschen auf der Altmühl zwischen Solnhofen und Dollnstein – lässt mich schmunzelnd am Ufer stehen. Eigentlich wollte ich nur meine beiden Freunde in ihren Kajaks fotografieren, doch nun bestaune ich schon seit einer Weile die aufgeregten Gesichter oberhalb, die gelösten Grinser unterhalb und das Gebrüll dazwischen. Herrlich. Am Anlegeplatz vor besagter Stelle sammeln sich mittlerweile einige Boote. Alle, die die Bootsrutsche zuerst besichtigen oder gar umtragen wollen, müssen erst einmal aussteigen. Ebenso die Campingplatz- und Biergartengäste. Tumult und Stau sind auf der Altmühl eher ungewöhnlich, der Fluss schlängelt sich meist unaufgeregt durch die malerische Landschaft.
Ruhe pur. Und gerade deswegen haben wir die Altmühl gewählt. Ein paar Tage runterkommen; mit dem Kajak langsam im Wasser treiben, sich mit gleichmäßigen Paddelschlägen den Alltagsstress von der Seele schütteln und dabei den schneeweißen Wolken hinterherschauen. Ich wundere mich, dass ich hier noch nie war, obwohl ich in Augsburg wohne – keine Autostunde entfernt. Caro und Jan, meine Freunde aus Ingolstadt, leben noch näher an dem grünen Strom und kennen die Region bereits vom Paddeln, Biken, Wandern und Klettern. Möglichkeiten, ein vergnügtes Wochenende zu verbringen, gibt es hier viele.

Vor allem für Paddler ist der Fluss ein echtes Schmankerl: Auf über 120 Kilometern kann man ihn befahren, Rast- und Zeltplätz reihen sich in kurzen Abständen aneinander, und in fast jedem Ort lockt ein Gasthof mit einer Nacht im warmen Bett oder ein Biergarten mit bayrischer Hausmannskost. Am Oberlauf der Altmühl, unterhalb des gleichnamigen Sees, fehlt noch etwas Wasser unterm Kiel – aber spätestens ab Treuchtlingen führt sie genug davon, selbst in den Sommermonaten. Viel Erfahrung braucht man nicht, die Altmühl hat eine der niedrigsten Fließgeschwindigkeiten in ganz Deutschland. Blindlings aufs Wasser sollte sich trotzdem niemand begeben: Ein paar Wehre fordern ein wachsames Auge und wollen umtragen werden. Aber müsste ich Punkte für Anfängerfreundlichkeit verteilen, bekäme der gemächliche Strom Höchstwerte. Selbst die beiden Bootsrutschen überstehen die meisten Novizen unbeschadet. Dazu die einfache Logistik: Man bewegt sich zwar ständig inmitten schönster Natur, doch die Straße ist meist nicht weit entfernt, und zurück zum Auto kommt man bequem mit dem Zug oder dem Shuttle- Service eines Verleihers.
Wem Paddeln allein nicht reicht, findet im Altmühltal auch ein Alternativprogramm: Auf der Tour säumen imposante Bauten die Ufer und laden ein, sich die Füße zu vertreten. Highlights sind die Burg Pappenheim und die Altstadt von Eichstätt mit ihrem barocken Marktplatz und dem 300 Jahre alten Wilibaldsbrunnen. Wer solchen Denkmälern wenig abgewinnen kann, gerät vielleicht bei Baumeister Natur ins Schwärmen: zum Beispiel bei Eßlingen, wenn in einer leichten Kurve die markanten Felsenformationen der Zwölf Apostel in Sicht kommen und für ein Foto posieren. Archäologen und Historiker wandeln indes auf den Spuren der Römer durch uralte Kastelle entlang des Limes.

Ich bin allerdings Paddler und vollends damit zufrieden, mich mit meinem Kajak treiben zu lassen. Schon komisch, wenn man sich vorstellt, dass hier vor langer Zeit die Römer durchs Unterholz krochen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich gerade einen Kanadier mit römischen Legionären die Rutsche befahren. Ob die Soldaten hier wohl auch so gekreischt hätten? »Papa, Papa, können wir noch mal hoch?« Ich werde abrupt aus meinen Gedanken gerissen: Immer noch stehe ich an dem Bootsrastplatz Hammermühle. Ein kleiner Lockenkopf will unbedingt noch einmal die Rutsche herunterfahren und zieht seinem Papa unentwegt am T-Shirt. Der verdreht zwar die Augen, scheint aber innerlich bereits nachgegeben zu haben. Ich kneife im hellen Sonnenlicht die Augen zusammen und blicke gedankenverloren um mich. Keine Römer zu sehen. Wie lange stehe ich hier eigentlich schon? Ich glaube, sowas nennt man Urlaub.
Bootsverleih & Touren:
Aktivmühle in Solnhofen,
Telefon: 0821/3434640
aktivmuehle.de
Weitere Infos:
Buch: Kanu Kompakt Altmühl,
Thomas Kettler Verlag, 9,95 Euro
Internet: naturpark-altmuehltal.de









