Idyllische Ufer, unbändige Natur, barocke Kunstwerke: Dem Charme der bayerischen Donau kann sich kaum einer entziehen. Die vielleicht schönste Art für ein Rendezvous mit der »Königin unter Europas Flüssen« ist eine beschauliche Kanutour von Vohburg nach Kelheim – durch bayerische Lebenskultur und Ursprünglichkeit, garniert mit den besten Plätzen und einem spektakulären Schlussakt.
Ohne großen Kraftaufwand schwebt das Kanu auf der dunklen Donau stromabwärts, leise gurgelt das Wasser unter dem Kiel. Das Geräusch mischt sich mit Blätterrauschen, das von der Uferböschung herübertönt. Dichte, sattgrüne Auwälder und artenreiche Feuchtwiesen säumen die Flussufer. Flott ziehen wir an Weiden und Pappeln vorbei. Hin und wieder ein Steuerschlag – mehr ist nicht nötig. Die starke Strömung der Donau trägt uns fort, mit gut acht Stundenkilometern. Wasserwandern haben wir uns anstrengender vorgestellt.
Ist das Kanu erstmal auf der Donau, erledigt sie den Rest fast von alleine. So dürften die 28 Kilometer zum Ausstieg bis nach Kelheim nicht zu einem Kraftakt ausarten. Statt schweißtreibend zu paddeln, lehnen wir uns gemütlich zurück und genießen die einsame Talaue, halten nach dem seltenen Eisvogel Ausschau oder planen im Geiste schon den nächsten Biergartenbesuch. Auf jeden Fall lohnt es sich, Augen und Ohren offen zu halten, denn an den Ufern gibt es viel Natur und Kultur zu entdecken.

Paddeln auf der bayerischen Donau gleicht einer vier- bis fünfstündigen Live-Tour durch die Geschichte. Wir gleiten durch ein Open-Air-Museum, vom schon in der Bronzezeit besiedelten Burgberg am Startort Vohburg über Spuren des römischen Limes bis zu geologischen Einblicken in die Erdgeschichte bei Kelheim. Kein Kurator hätte sich das besser ausdenken können. Und das Beste daran: freier Eintritt und exklusive Platzwahl!
Aber keine Sorge, die Wanderfahrt ist nicht nur für Geschichtsinteressierte ein Vergnügen. Sie ist eine pure Genusstour: Augenschmaus und Gaumenfreuden sind in viele feine Häppchen verteilt. Vor zwei Stunden haben wir in Vohburg an der Donaulände unterhalb der Agnes-Bernauer-Brücke bequem das Kanu ins Wasser gesetzt, sind eingestiegen und losgepaddelt. »Die Richtung dürfte ja wohl klar sein«, habe ich zu Jens gesagt, meinem Paddelpartner.
Selbst Orientierungslosen weist die Strömung den Weg. Außerdem gibt es auf der Donau keine Abzweigungen, die wir verpassen können. Dennoch: Ganz ahnungslos sollte niemand starten, denn bereits nach wenigen Kilometern, kurz nach Schloss Wackerstein, heißt es aufpassen! Am Bundeswehr-Wasserübungsplatz Wackerstein sind die Ufer auf zwei Kilometern Länge militärisches Sperrgebiet, und in Manöverzeiten queren Pontonbrücken und Spannseile die Donau.
Durch eine wilde Auenlandschaft
Ähnliche Hindernisse finden sich in ihrem gesamten Lauf. Denn war der Fluss bis in die 50er Jahre unter Kanuten noch beliebt für mehrtägige Paddeltouren mit dem Faltboot, wurde er in den folgenden Jahren zunehmend kanalisiert und durch zahlreiche Staustufen gezähmt. Von 2857 freifließenden Kilometern sind heute nicht mehr viele übrig geblieben, aber der Abschnitt von Vohburg nach Kelheim zählt dazu und gilt nicht umsonst als eine der schönsten Kanuwanderstrecken Bayerns. Keine Schleuse trübt den Paddelgenuss, und die Donau darf bei Hochwasser hier noch über die Ufer treten und eine Auenlandschaft aus Wald und gefluteten Wiesen schaffen, in der sogar der extrem seltene Purpurreiher brütet.
Zu Besuch bei den Römern

Nach etwa der Hälfte der Paddelstrecke erreichen wir Eining. An der Anlegestelle der Seilfähre verführt ein urgemütlicher Biergarten zu einer Pause. »Hunger?«, fragt Jens. Ich schüttele den Kopf. Also besuchen wir das nur fünf Gehminuten entfernte ehemalige Römerkastell Abusina – der Zutritt ist frei. Wir streifen durch die Überreste der Wehranlagen. Sie gehören zu einem Kohortenkastell und sind heute Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes Limes. Von hier erstreckte sich die römische Grenzlinie bis zum Rhein und sicherte das Römische Reich gegen die Germanen. Die Region ist übersät mit Spuren vergangener Jahrtausende, mit Steinzeithöhlen, bronzezeitlichen Befestigungen, Keltensiedlungen und spätrömischen Funden, denn die Donau ist eine der ältesten europäischen Handelsrouten.
Zurück auf dem Fluss erreichen wir bald den landschaftlichen und kulinarischen Höhepunkt der Tour. In einer Donauschlinge wachsen aus einem Kiesstrand die hellen Mauern des Klosters Weltenburg in den Himmel. Dort wollen wir unbedingt einkehren. Der Biergarten in der barocken Klosteranlage gehört zu den schönsten Fleckchen Bayerns. In der ältesten Klosterbrauerei der Welt wurde schon 1050 das dunkle, süffige Bier gezapft. Eine Brise raschelt in den Kastanienbäumen, und wir entspannen im Schatten bei einem gut gekühlten Weltenburger Klosterbier und einer knusprigen Schweinshaxe. Alleine sind wir nicht, der Biergarten fasst etwa 1000 Gäste.
Anspruchsvoller Endspurt

»Auf zum Finale!«, sagt Jens und schiebt seinen Stuhl zurück. Vor uns liegen die letzten sechs Kilometer, sie führen durch die Weltenburger Enge. Über 80 Meter hohe Kalksteinwände rücken an die Donau heran und zwängen sie auf 100 Meter Breite zusammen. Das Wasser schäumt, schlägt Wellen und strömt schneller flussab.
Bis Weltenburg sind Kanuten meist die einzigen Wassersportler auf der Donau, ab dem Kloster kommt reger Ausflugsverkehr auf – die größte Gefahr auf dem Wasser. Zillen – motorisierte, lange Holzkähne – und die Ausflugsschiffe der Weißen Flotte befördern im Sommer Touristen durch die Engstelle. Wir versuchen, das Fahrwasser der Berufsschifffahrt zu meiden und halten uns lieber in Ufernähe und in den Innenkurven auf. Wenn ein Ausflugsdampfer passiert, werfen die Wellen chaotisch zurück, Strudel und Kehrwasser saugen am Boot. Zum ersten Mal haben wir richtig zu tun.
Der »Grand Canyon« Ostbayerns

Mit jedem Paddelschlag tauchen wir tiefer in die Geschichte des Flusses ein, das Kanu wird zur Zeitmaschine. Die Felsen aus Jurakalk tragen poetische Namen. Wir treiben an der »Versteinerten Jungfrau« vorbei, an den »Drei feindlichen Brüdern« und am »Bienenhaus«. An der »Langen Wand« hängen alte, schwere Eisenringe, mit deren Hilfe die Schiffer früher ihre Zillen flussauf zogen. Die Wände entstanden vor über 100 Millionen Jahren und zählen zu den fossilienreichsten Felsschichten weltweit.
Vorbei am Gasthaus Klösterl – last exit for Biergarten – und schon öffnen sich die versteinerten Pforten der Donau und geben den Blick auf Kelheim frei. Kurz hinter dem Hafen legen wir an und steigen auf den Michelsberg zur Befreiungshalle empor. 34 Siegesgöttinnen, alle 3,30 Meter groß, reichen sich im Inneren im Kreis die Hand, dahinter tragen Marmortafeln die Namen der Feldherren des Befreiungskriegs. Hier oben gibt es keinen Biergarten, dafür aber den schönsten Ausblick auf den »Grand Canyon« Ostbayerns.
Tipp: Wer kein Kanu dabei hat, kann sich bei erlebnismax.de eins ausleihen.