Dolomiten Wandern: Hüttentour rund um das Grödental

Südtirol - Grödental - Gröden
Curona de Gherdëina: Traumhafte Hüttentour in den Dolomiten

Update
Zuletzt aktualisiert am 16.09.2024
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Foto: Jens Klatt

Für das ganz große Alpenkino in der Übergangszeit vom Sommer zum Herbst bieten sich keine Berge besser an als die Dolomiten, deren wilde, bizarr geformte Spitzen und Zacken, Türme und Steilwände Wanderer und Kletterer seit jeher begeistern.

Das Grödental in Südtirol, ein 25 Kilometer langes Seitental des Eisacktals, lockt nicht nur mit namhaften Massiven wie der Puez-Geisler-Gruppe, dem Sellastock und dem Langkofel, sondern auch mit reichlich Sonnenstunden und einem noch recht neuen Weitwanderweg: der "Curona de Gherdëina", auf Deutsch "Krone des Grödentals".

Der Name ist sozusagen Programm, denn in großer Höhe führt die Route als viertägige Rundtour mit Start in St. Ulrich im Uhrzeigersinn um den östlichen Teil des Tals herum: erst zur Geislergruppe, die das Grödental im Norden vom Villnösstal abgrenzt, über die Puez-Hochebene zum Sellastock im Osten und dann weiter durch das Langkofelmassiv, das sich zusammen mit dem Plattkofel südlich des Tales erhebt. Über die Seiser Alm, Europas größte Hochalm, nähert man sich St. Ulrich an Tag vier schließlich wieder von Süden her. Das viele Auf und Ab, das die Tour zur Herausforderung macht, kann man dabei durchaus als die zahlreichen Zacken dieser Krone betrachten.

Mächtige Wände & Traumaussichten

Immerhin: Die ersten 850 Höhenmeter, vom Talort St. Ulrich (1236 m) bis zur Bergstation Raschötz (2093 m) im Naturpark Puez-Geisler, lassen sich bequem mit der Standseilbahn zurücklegen. Und das genießt man am besten bewusst, denn bis mit der Puez-Hütte das erste Etappenziel erreicht ist, stehen gute 17 Kilometer und fast 1200 Höhenmeter bevor, darunter zwei steile Scharten.

Die Kabinentür öffnet sich, um ein paar Grad frischer als der Talgrund heißt der Naturpark Puez-Geisler Wanderer willkommen. Rucksack schultern und los geht es, schnell sind die Baumgrenze und die weiten Grasflächen der Innerraschötzer Alm erreicht – entspanntes Einwandern mit ersten Prachtaussichten.

Weit im Süden scheint die markante Locomotiva (2405 m) gleich losdampfen zu wollen, daneben strecken sich die Sellatürme (2598 m) in den blauen Himmel. Fast zum Greifen nah dagegen ragt rechter Hand die Nordwestflanke der Seceda (2518 m) auf, zerklüftet, brüchig und steil, ein paar niedrige Wolkenfetzen umspielen sie. Sie gehört zu den westlichsten Gipfeln der Geislergruppe, deren langgezogenes Massiv das Grödental im Norden begrenzt. Der Name Seceda wurde, wie zumindest Sprachinteressierten auffällt, nicht unschön übersetzt: Wie hart Deutsch im Vergleich zum Italienischen und der hier noch lebendigen Minderheitensprache Ladinisch wirkt, fällt beim direkten Vergleich immer wieder auf. Raschötz versus Rasciesa und Resciesa, Grödental versus Val Gardena und Gherdëina …

"Oh, wie süß!" Ein begeisterter Ausruf lenkt die Aufmerksamkeit auf andere Dinge beziehungsweise Tiere. Ein halbes Dutzend Esel weidet links vom Weg, freundlich ausschauende kleine Gesellen in Schattierungen von Weiß über Grau bis fast Schwarz. Sie lassen sich gerne streicheln, fotografieren, und auch im eigenen Garten würden sie wahrscheinlich gut aussehen. Da Esel in den vergangenen Jahrzehnten kaum noch als Nutztiere eingesetzt wurden, drohten sie ganz aus dem Landschaftsbild zu verschwinden. Jetzt bekommen Bauern als Eselbesitzer Zuschüsse vom Staat, und man sieht die Tiere wieder häufiger auf den Südtiroler Bergweiden.

Wenig später grüßen an der Brogleshütte freundlich die draußen auf der Terrasse sitzenden Wanderer. Wie nett es doch wäre, sich hier ebenfalls im Sonnenschein hinzusetzen, mit Blick auf braunweißes Fleckvieh, dessen Halsglocken hin und wieder läuten. Aber der Weg ist noch weit und die erste echte Herausforderung in Sichtweite: das steile Zickzack, das durch die Geröllhänge hinauf zur Panascharte (2447 m) führt, dem Weg von der Nord- auf die Südseite des Geislermassivs. Umso gemeiner, dass es zunächst noch durch etwas Kiefernwald bergab geht, selbst als Fan unverbauter Berge denkt man plötzlich, dass hier ein Flyingfox ganz praktisch wäre.

Und dann beginnt der Puls zu rasen, während der Schweiß wie bei einem Brauereipferd rinnt, die Füße fühlen sich schwer an, die Höhenluft trägt vermutlich auch dazu bei – aber ja, das alles hatte man sich gewünscht! Seilversicherte Passagen und Stufen erleichtern im oberen Teil den Aufstieg, und endlich angekommen, gibt es für jene, die sich nicht gründlich auf die Tour vorbereitet haben, eine Überraschung. Denn vor einem breitet sich nicht etwa eine felsige Mondlandschaft aus, sondern die ausgedehnten, lieblich gewellten Weiden der Aschgleralm.

Spielzeugkleine Holzhütten verteilen sich darüber, aber auch auf Lifte fällt der Blick. Man ist eben nicht in der Wildnis unterwegs, sondern in einem der beliebtesten Wander- und Skigebiete der Dolomiten. Zum Glück lässt sich das beim weiteren Weg Richtung Osten schnell wieder vergessen, und beim Anblick der zwei eselsohrähnlichen Pieralongia-Felsen, die das Spielzeug eines Riesen sein könnten, tut sich kurz eine Fantasy-Welt auf. Den würdigen Hintergrund bilden die leuchtend hellgrauen Südhänge der Geislergruppe. Dass man diese Schönheit mit anderen teilen muss, spürt man umso deutlicher beim ersten Etappenziel, der Puez-Hütte. Sie ist ein populäres Ziel von Tagestouren, und an sonnigen Wochenenden herrscht ziemlicher Rummel. Umso schöner, wenn am Abend Ruhe einkehrt.

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Jens Klatt

Und wer dann am nächsten Morgen trotz steifer Beine früh in Richtung Grödner Joch aufbricht und die fantastische Felslandschaft auf dem Dolomiten-Höhenweg Nummer 2, auf dem die Route hier verläuft, ganz für sich hat, am Ufer des klaren Crespëina-Sees die erste kleine Pause macht und sich mit ein paar Keksen für den Anstieg zur Crespëina-Scharte (2528 m) stärkt, der spürt wieder: "Alles richtig gemacht." Das Gleiche denken sich auch manche Wanderer, wenn sie an Tag drei in der Langkofelscharte bei der Toni-Demetz-Hütte aus der urigen Standseilbahn steigen. Ja, man hätte den steilen Weg vom Sellajoch wieder hinauf in die schroffe Gipfelwelt auch zu Fuß gehen können, aber nach einem sehr langen Abstieg aus der Sellagruppe, davon das letzte Stück auf Asphalt, fühlt sich das sanfte Hinaufschaukeln mehr als verdient an.

Die Toni-Demetz-Hütte ist mit 29 Schlafplätzen angenehm klein. Gegründet hat sie ein Bergführer namens Giovanni Demetz im Jahr 1954 – nachdem sein Sohn Toni, ebenfalls Bergführer, 20-jährig auf dem Langkofel verunglückt war. Hüttenwirt Enrico »Heini« Demetz, der Bruder von Toni, betreibt das Schutzhaus heute mit Frau und Tochter. »Die ganze Saison sind wir hier, freie Tage gibt es eigentlich nicht«, sagt er über das passionierte Familienteam. Im Holzofen lodert ein Feuer. Und während Heini Geschichten von Bergrettungen erzählt, zu denen es hier vor allem in Kletterrouten oft kommt, und von den aufwendigen Arbeiten im Frühling, wenn der Boden der Hütte stets unter Wasser steht, verschiebt sich die geplante Schlafenszeit immer weiter nach hinten. Aber was macht das schon – man lebt im Jetzt.

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Jens Klatt

Unsere Reisetipps zur "Curona de Gherdëina"

Fakten
Die Curona de Gherdëina ist ein anspruchsvoller viertägiger Hüttentrek und verläuft oberhalb des Südtiroler Grödentals. Auf 60 Kilometern sind 4155 Hm im Aufstieg und 3936 Hm im Abstieg zu bewältigen. (siehe Komoot-Karte unten) Achtung: 2024 war die Panascharte geschlossen, evtl. vorher nochmal nachfragen. Alternativ geht es über die Mittagsscharte.

Die "Bergkrone-Tour" in vier oder fünf Etappen

Man kann die Trekkingtour in zwei Komfortstufen gehen – entweder in vier Tagen von Schutzhütte zu Schutzhütte, wobei man in gemütlichen Bettenlagern schläft, oder in der fünftägigen Genussvariante mit Übernachtung in Almhotels. Die "Curona de Gherdëina" beginnt in der Ortschaft St. Ulrich und fordert Kondition für 4155 Höhenmeter im Aufstieg. Am längsten dauert die zweite Etappe: Sie führt in sieben bis acht Stunden über das Grödenjoch hinauf zur Boèhütte auf gut 2800 Meter Höhe.

Etappenübersicht Hütten-Trekking Grödental

Tag 1: Im Naturpark Puez-Geisler: von den Raschötzer Almen über die schroffe Panascharte zur Seceda Alm und auf das Puez-Hochplateau – Gehzeit 6-7 Std / 17,2 km. Ausgangspunkt: St. Ulrich Bergstation Standseilbahn Raschötz (2.093 m). Ziel: Puez Hütte (2.475 m) mit Übernachtung.

Tag 2: Vom Puez-Hochplateau zum Piz Boè, der höchsten Spitze des Sellastocks über den Dolomiten Höhenweg Nr 2. bis zur Bamberger/Boè Hütte (2.871 m) mit Übernachtung. Gehzeit: 7-8 Std / 14,1 km.

Tag 3: Vom Sellastock, dem Berg der Ladiner, durch die Langkofelscharte. Teils über den Dolomiten Höhenweg Nr. 9 und Langkofelscharte bis zur Toni Demetz Hütte oder Langkofelhütte – Übernachtung. Gehzeit: 5,5-6,5 Std / 12,3 km.

Tag 4: Von der facettenreichen Langkofelgruppe über die Seiseralm zur Bergstation Seiser Alm (2.005 m). Abfahrt mit der Umlauf-Bahn nach St. Ulrich. Gehzeit: 5-6 Std / 15 km.

Varianten
Es sind Einstiege von St.Ulrich, St. Christina und Wolkenstein aus möglich und man kann die schwierigsten Abschnitte (zum Beispiel des Sella-Hochplateaus) über leichtere Varianten umgehen. So können Gehzeiten verkürzt werden und es ist möglich die persönliche Trekking-Planung auf 2-3 Tage zu verkürzen.

Beste Zeit Wegen der hohen Lage der Route (bis fast 3000 m) beginnt die Saison, je nach Schneelage, Anfang Juli und dauert bis zur Schließung der Hütten Anfang Oktober.

Hinkommen
Auto: Über A7, Fernpass und Brenner erreicht man St. Ulrich von Stuttgart aus in fünf Stunden.
Bahn: nach Bozen (ab Stuttgart 6,5h), dann per Bus weiter nach St. Ulrich (1h10).

Schlafen
Wer mehr Komfort wünscht, als Puez-Hütte, Boé-Hütte und Toni- Demetz- oder Langkofelhütte bieten, bucht die fünftägige "Deluxe"-Variante mit Übernachtung in Almhotels.

Essen
Viele Einkehrmöglichkeiten am Weg. Tipp: Kuchen auf der Terrasse des Almhotels Col Raiser (colraiser.com) .

Die einzelnen Etappen im Detail

Infos und Karten

Findest du auf valgardena.it
Kartentipp: Tabacco Wanderkarte "Gröden-Seiser Alm/ Sella Runde", 1:25.000, 13,90 Euro.

Weitere Dolomiten-Highlights im PDF