»Jeder Zoigl schmeckt anders«, sagt Georg Mann. Ursprünglich brauten die Bauern des Oberpfälzer Walds das »Zoigl«-Bier für den Eigenbedarf, später schenkten sie es in ihren Häusern aus – wie in einer Besenwirtschaft für Bier statt Wein. Auch heute noch betreiben die Familien die aus der guten Stube entstandenen Gastwirtschaften als Nebenerwerb und mit Herzblut. Alle packen mit an, in der Küche oder beim Ausschank. Jeder Wirt hütet sein Bier-Rezept, das von Generation zu Generation weitergegeben wird. Nur er weiß, wie viele Säcke helles oder dunkles Malz in die Kessel kommen. So perlt der eine Zoigl heller im Glas, der nächste dunkler, und enthält er mehr konservierenden Hopfen, trägt er eine deutlich bittere Note.
Hauptstadt des Zoigls
Diesen Ehrentitel trägt Windischeschenbach, 115 Kilometer nordöstlich von Nürnberg. Und wenn sich einer auskennt mit Zoigl, dann Georg Mann, der als Stadtführer mit Leidenschaft und Humor davon erzählt: Um Arbeit und Geld zu sparen, errichteten die Bauern gemeinsame Brauhäuser und schafften Zutaten wie Hopfen und Hefe zusammen an. Im Kommunbrauhaus von Windischeschenbach muss man wegen der niederen Decken ab und an den Kopf einziehen, ein gewaltiger Ofen beheizt die Braukessel, es riecht nach Holz und ein bisschen nach Malz: gekeimter und dann getrockneter Gerste.
38 Braurechte bestehen hier noch

Kurioserweise liegt das Braurecht auf dem Grundstück, nicht bei einer Person. »Man kann nur durch dreierlei an das Recht kommen: Kauf, Erbe oder Heirat«, erklärt Ge- org Mann und schmunzelt verschmitzt unter seinem grauen Schnurrbart. Am besten lernt man die Heimat des Zoigl beim Verkosten in den Stuben kennen – oder beim Wandern. Und gerade von Windischeschenbach aus geht das bestens: nach Süden zur Hutzlmühle etwa, zum GEO-Zentrum mit dem tiefsten Bohrloch der Welt oder durchs Waldnaabtal. Das Flüsschen schlängelt sich von Nordosten heran; zwischen Falkenberg und Windischeschenbach folgt eine 14 Kilometer lange Etappe des Fernwanderwegs Goldsteig ihrem Lauf - eine perfekte Tagestour. Trittsichere verlassen an der Gaststätte »Blockhütte « auf der Hälfte der Strecke die Forstwege der offiziellen Route und folgen dem Uferpfad auf wurzeligen Steigen direkt am Wasser. Jetzt wird die Waldnaab wild, und die Klippen reichen rechts und links bis zu 40 Meter hoch hinauf. Dicke, rundgewaschene Felsen liegen im Fluss, der sich in immer engeren Schleifen seinen Weg sucht, Wasserläufer huschen in ruhigeren Winkeln auf der Oberfläche dahin. An manchen Stellen führen Stege ans andere Ufer. Farne und Moose setzen Akzente in verschiedenen Nuancen von Grün.
Goldsteigwanderer kommen um einen Zoiglgenuss fast nicht herum
Der Steig führt am Abend im Windischeschenbacher Ortsteil Neuhaus vorne in den lauschigen Biergarten des Schafferhofs hinein und hinten wieder hinaus. Die meisten nehmen unter den hellen Sonnenschirmen Platz und probieren ein, zwei Krüge. Und selbst in den großen Räumen des Haupthauses fühlt man sich heute noch wie in der guten Stube des Bauern. Buntgewürfelt sitzen die Gäste an großen Holztischen. Wenn es voll ist, wählt man einfach den nächstbesten freien Platz, oft neben wildfremden Leuten. Das macht automatisch gesellig. Schilder und Bilder, Krimskrams aus der Landwirtschaft und auch mal ein hölzernes Kruzifix schmücken die Räume.

Ob der Schafferhof offen hat, erkennen Wanderer am Zoigl-Stern. Zoigl kommt von »Zeiger«; der Stern hängt an der Fassade oder am Wirtshausschild der Stuben, die an diesem Wochenende mit dem Ausschank an der Reihe sind. Wie beim Davidstern liegen zwei Dreiecke übereinander und bilden so sechs Zacken. Eins steht für die Zutaten Wasser, Hopfen und Malz, das andere für die Elemente Feuer, Wasser und Luft. Diese Zutaten und Elemente reichen für einen guten Zoigl aus. Für dessen Qualität ist jeder Wirt selber verantwortlich, denn beim Reifen des Bieres muss er akribisch auf die Hygiene achten: Der Zoigl gärt offen in den Kellern unter den Zoiglstuben; nur eine geringe Verunreinigung, und die Hefe kippt, und bis zu 3000 Liter verdorbenes Bier fließen in den Ausguss.
Der Zoigl soll da getrunken werden, wo er herstammt
Seinen Zoigl hegt und pflegt auch der »Käck’n«-Wirt in seinem Keller. Er schenkt gleichzeitig mit dem Schafferhof aus; nur ein paar Schritte trennen die beiden Häuser. Vor einer Einbauküche aus den 80er-Jahren sitzt ein Lederkutten-Rocker mit seiner Mutter neben einer Dame im Glitzerstrickpullover, Fremde und Einheimische sprechen mit- und durcheinander, essen Kesselfleisch und hausgemachte Würste. »Darum geht’s beim Zoigl: Dass man zusammensitzt, eine gute Brotzeit hat und sich mit allen unterhält«, sagt Georg Mann. Genau diese Heimeligkeit rundet eine Wanderung in der Oberpfalz ab, und das bei unschlagbaren Preisen: Ein Bier kostet 1,80 Euro, eine große Brezn mit Obatzdem 2,50 Euro. Am besten hört man auf die weisen Worte von Georg Mann: »Der Zoigl soll da getrunken werden, wo er herstammt«.