Mit Kajakspezialist Jörg Knorr im Interview
outdoor: Jörg, du bist am liebsten mit dem Kajak unterwegs. Was sind die Vorteile?Jörg Knorr: Ja, weil ich gerne auf dem Meer fahre und sich dafür Seekajaks eignen. Sie sind durch ihre schlanke Form spurtreuer als zum Beispiel Kanadier. Zudem schätze ich am Kajak, dass es geschlossen ist. Man steigt durch die Luke ins Boot und kann mit der Spritzdecke alles abdichten. So kommt bei Regen und sogar bei der Rolle kein Wasser ins Boot. Einzig der Stauraum ist beim Kanadier größer, sodass es für ausgedehnte Familienausflüge besser geeignet ist.

Ich empfehle, nicht gleich mit einer mehrtägigen Tour einzusteigen. Besser eignen sich Tagestouren mit einem Leihboot auf ruhigen Gewässern. Hilfreich ist auch ein Einsteigerkurs, den man in Kanuschulen absolvieren kann. Man lernt das Boot kennen, erfährt alles zum richtigen Material und wie man sich auf dem Wasser bewegt. Wer sich ernsthaft mit dem Sport auseinandersetzen will, der kann auch in einen Kanuverein eintreten. Da lernt man Leute kennen, die den Sport schon länger betreiben und einem wertvolle Tipps geben. Übung macht den Meister, je häufiger du mit dem Kajak unterwegs bist, desto steiler steigt die Lernkurve, und man merkt, wie das Boot in bestimmten Situationen reagiert. Das Wichtigste ist aber der Spaß an der Sache. Für mich bedeutet Kanufahren Leidenschaft und den Horizont erweitern.
Am besten sucht man sich einen ruhigen Badesee aus, also da, wo auch die Kinder mit der Luftmatratze planschen. Der Kajakverleiher gibt eine kurze Einweisung, und dann kann es schon losgehen. Bei schönem Wetter stört es dann auch nicht, wenn du mal kenterst. Eine Schwimmweste für alle Fälle ist aber Pflicht. Zudem sollte man auch schwimmen können. Was man auch bedenken sollte: Die Bedingungen auf dem Wasser sind immer verschieden. Bei uns im Norden sind die Binnengewässer meist ruhig, da kann man im Fluss sogar stromaufwärts paddeln. Reißende Gletscherbäche wie in den Alpen kennen wir hier gar nicht.
Ich bin in Rostock geboren, damals durfte man nicht an der Küste paddeln. 1991 bin ich nach Flensburg gezogen und bald mit dem Kajak um die Insel Rügen gefahren. Mittlerweile sitze ich schon seit 40 Jahren regelmäßig im Kajak und unternehme auch längere Touren. Einmal bin ich in achteinhalb Wochen von Flensburg nach Finnland gepaddelt, zudem war ich auch weiter weg, unter anderem in Norwegen, Tasmanien, auf Island und an der Westküste Kanadas. Über meine Abenteuer halte ich auch regelmäßig Vorträge. Mein nächstes Ziel ist die Umrundung der schwedischen Insel Gotland in der Ostsee.

Im Norden bietet sich die Ostseeküste an. Für Einsteiger eignet sich zum Beispiel die Flensburger Förde, die dann in dänische Gewässer übergeht, außerdem die Insel Poel bei Wismar. Auch in den Ostseefjorden kann man erste Küstenerfahrungen sammeln, zum Beispiel auf der Schlei, ein Fjord zwischen Flensburg und Kiel. Ein wunderschönes Paddelgebiet sind auch die Masuren in Nordostpolen sowie die deutschen Flüsse Saale, Werra, Warnow, Peene, Elbe und Weser. Auch schön, aber eher in der Nebensaison empfehlenswert: die Mecklenburgische Seenplatte. In Schweden laden Dalsland und Värmland zu Touren ein. In Süddeutschland eignen sich für den Einstieg die Obere Donau, der Neckar, der Bodensee, die Altmühl und die Lahn.
Das Paddelgebiet wählt man anhand seiner und der Fähigkeiten des Teams aus. Zusätzlich setze ich mich eingehend und über einen längeren Zeitraum mit dem Wetterbericht auseinander. Am Tag der Tour checke ich zudem die Bedingungen vor Ort, dazu gehört zum Beispiel auch die Waldbrandgefahr. Ist die sehr hoch, muss man auf Kochen unterwegs verzichten. Zur Navigation verwende ich eine Karte und Kompass. Dafür bearbeite ich die Online-Karten so, dass ich sie zusammenhängend ausdrucken und wasserdicht laminieren kann. Zudem kann man mit GPS navigieren. Zur Planung verwende ich Google-Earth, weil es einen guten Überblick über das Revier gibt. Tourentipps findet man in Kajakführern sowie auf Foren und Online-Portalen.

Die Planung richtet sich grundsätzlich am schwächsten Teammitglied aus, was bei Familien die Kinder sind. Kinder sollten schwimmen können und zusätzlich eine Rettungsweste tragen. Im Gegensatz zur Schwimmweste hält sie den Kopf selbst dann über Wasser, wenn der Verunfallte bewusstlos ist. Man sollte bei der Planung und Umsetzung immer im Kopf haben, was mit dem Kind passieren könnte, und entsprechend defensiv planen. Bei einem Ausflug mit der Familie sollten Entspannung, Entdeckungsfreude und Wohlfühlen an erster Stelle stehen, sonst drohen Stress und Streit.
Kajakfahren ist ein materialintensiver Sport, und man muss auch für Notfälle gewappnet sein. Neben der persönlichen Ausrüstung wie Bekleidung, Zelt, Matte, Schlafsack und Kochutensilien gehört Sicherheitsausrüstung ins Gepäck. Dazu gehört eine Handlenzpumpe, mit der man das Wasser aus dem Boot befördern kann, ein Reservepaddel und eine Sicherheitsleine, die es als Wurfsack gibt. Als hilfreich erweisen sich auch Mückenspray und Paddelschuhe. Bei viel Sonne gehört außerdem dem Sonnenschutz in Form einer Kappe, Sonnencreme und UV-Shirt dazu. Falls man bei kühleren Temperaturen unterwegs ist, lohnt sich auch ein Neopren- oder Trockenanzug. Zudem empfehle ich einen zerlegbaren Bootswagen, der bei eventuellen Umtragepassagen (vor der Tour unbedingt informieren!) zum Einsatz kommen kann.
Vor allem Anfänger sollten das Kenterrisiko gering halten. Falls man doch ins Wasser fällt und die Rolle nicht beherrscht, dreht man das Boot wieder in Schwimmlage um und versucht, wieder einzusteigen. Wenn das Ufer nicht weit weg ist, sollte man versuchen, so schnell wie möglich an Land zu kommen. In Notfällen die 112 rufen, oder man speichert sich die Nummern der DLRG oder anderer Rettungsgesellschaften im Gebiet ab. Wenn man anlandet und nicht weiterkommt, ruft man aber seine Freunde an, dass sie einen abholen kommen. Damit das Handy immer einsatzbereit bleibt, gehört es in eine wasserdichte Tasche und eine Powerbank ins Gepäck.
Das Gepäck sollte in Säcken mit Rollverschlüssen so weit wie möglich komprimiert sein. Um das Bootsvolumen so gut wie möglich auszunutzen, sollte man jede Ecke nutzen, also eher viele kleine Packstücke packen anstatt wenige große. Das Gewicht gleichmäßig hinten und vorne verteilen, damit das Boot gerade im Wasser liegt, sonst verändert sich das Fahrverhalten. Wenn geplant ist, weiter weg von der Anlegestelle zu übernachten, erweist sich eine große Tragetasche als nützlich, um die kleinen Packsäcke zu transportieren. Wenn diese Packsäcke unterschiedliche Farben haben und ihnen entsprechend Ausrüstung zugeordnet ist, weiß ich immer genau, wo was verstaut ist. Auch beim Packen hat Ordnung oberste Priorität: Dinge, die ich unterwegs brauche wie Handy, Erste- Hilfe-Paket, Essen und Trinken, gehören in leicht und schnell erreichbare Bereiche. Was ich beim Anlegen zuerst benötige, kommt zuletzt in die Gepäckluken, um nicht lange danach suchen zu müssen.

Wichtig bei längeren Touren ist das Energie-Gewichts-Verhältnis, weil man sein Boot nicht überladen will. Als Basis nehme ich immer Pasta, Reis und Kartoffelpüree mit, Tütensuppen und -soßen, Ölsardinen und Gemüse als Beilage. Bei längeren Touren plane ich entsprechend Rationen pro Tag, Person und Mahlzeit. Will man unterwegs die Vorräte auffüllen, sollte sichergestellt sein, dass geöffnete Geschäfte in der Nähe sind. Sobald die Checkliste abgearbeitet ist, kann das Abenteuer auf dem Wasser beginnen.
Die richtige Kajak-Ausrüstung
Die Lust auf das erste Abenteuer mit dem Kajak ist groß, nun fehlt noch die passende Ausrüstung. Vier Produkte, die für den Einstieg wichtig sind.
Lebensretter Schwimmweste

Eine Schwimmweste gehört immer dazu. Fällt man ins Wasser, verleiht sie Auftrieb. Kleinkinder sollten eine ohnmachtssichere Rettungsweste tragen. Wichtig ist der bequeme Sitz der Weste und genügend Bewegungsspielraum. (z. B. Hiko, hikosport.com)
Leichte Doppelpaddel

Beim Kajakfahren verwendet man Doppelpaddel. Die Länge des Paddels bestimmt sich nach der Körper- und Bootsgröße. Beim Kauf sollte man auf das Gewicht achten, je leichter, desto besser, aber entsprechend auch teurer. (z. B. Werner, wernerpaddles.com)
Spritzdecke für das Cockpit

Eine Spritzdecke aus Neopren oder Nylon bildet die Dichtung zwischen Paddler und Cockpit und verhindert, dass Wasser ins Boot läuft. Die Größe bestimmt sich nach dem Bauchumfang und der Cockpitgröße des Kajaks. (z. B. YAK, yakgear.com)
Wetterfeste Paddeljacke

Wasser- und winddicht, dabei atmungsaktiv, diese Eigenschaften besitzen gute Paddeljacken aus abriebfestem, mehrlagigem Material. Latex-Abschlüsse an Hals und Handgelenken dichten zusätzlich ab, können aber den Schweißfluss erhöhen. (z. B. NRS, nrs.com)
Das richtige Boot für den gewünschten Zweck
Besonders schnittig: Seekajaks

Richtungsstabil, schlank, zwischen fünf und fünfeinhalb Meter lang: Seekajaks eignen sich für Touren auf großen Gewässern (See, Meer) mit Wellengang und Wind. Sie bieten wenig Angriffsfläche, zudem kann man aufgrund ihrer Abschottung Gepäck wasserdicht verstauen. Merkmale beim Kauf: Länge der Wasserlinie (Auflage des Rumpfes), Kielsprung (Biegung der Kiellinie zu den Spitzen), Sitzausstattung, Gewicht und Material. Hersteller: Prijon, P&H, Lettmann, Norse, Kaitts. Preise ab 1000 Euro.
Praktisch und stabil: Tourenkajaks

Klassische Tourenkajaks sind mit vier bis viereinhalb Meter Länge kürzer als reine Seekajaks, obwohl der Übergang zwischen den Bootstypen fließend ist. Kürzere Modelle eignen sich für kleinere Flüsse, mit längeren lässt sich schneller Strecke machen. Eine Steueranlage (Ruder, Fußsteuerung) verbessert den Geradeauslauf. Die mehrfache Abschottung verhindert das Sinken, Ladeluken erleichtern das Beladen. Hersteller: Dagger, Prijon, Lettmann, Venture Kayaks. Preise ab 800 Euro.
Kultig und Kompakt: Faltkajaks

Durch die flexible Bootshaut und das zerlegbare Innengerüst sind Faltboote klein verpackbar und easy im Transport. Noch simpler: Origami-Faltkajaks aus einem Element. Faltboote eignen sich für längere Touren, nur die Laufeigenschaften sind schlechter als beim Seekajak. Nachteil: Die Abschottung fehlt, was auf offenen Gewässern sicherheitsrelevant ist. Extra Auftrieb schafft man mit Seitenschläuchen und Spitzenbeutel. Hersteller: Klepper, Nortik, Oru Kayak, Triton. Preise ab 1400 Euro.
Leicht mit kleinem Packmass: Luftkajaks

Luft- oder auch Schlauchkajaks eignen sich für den Einstieg in den Sport auf ruhigen Gewässern, weil die Boote recht windanfällig sind. Je nach Hersteller und eigenem Qualitätsanspruch kann man Luftkajaks auch schon recht günstig erstehen, der Auf- und Abbau ist einfach, der Transport aufgrund des kleinen Packmaßes und moderaten Gewichts ebenso. Zudem gibt es sowohl offene als auch geschlossene Luftkajaks. Hersteller: Grabner, Advanced Elements, Gumotex. Preise ab 500 Euro.
Wind, Wetter, Wellen
Kajakfahren kann je nach Bedingungen richtig anspruchsvoll sein.Grundregeln: Know-how aneignen, konservativ planen, Schwimmweste an.

Wind und sein Einfluss
Kajaks haben kaum Tiefgang, somit kann Wind antreiben, aber auch ausbremsen (Winddrift). Gegenwind verlangt mehr Energie beim Paddeln und kühlt aus. Seitlicher Wind und Wellen können zum Kentern führen. Starker Wind erzeugt hohe Brandungswellen, die Start/Anlanden erschweren. Bis Windstärke drei (Beaufort-Tabelle) geeignet für Anfänger. Apps: Windfinder, Windy.
Wetterkapriolen
Egal wo es hingeht: Ein Blick in die Wetter-App gibt Aufschluss über Gefahren wie Sturm, Gewitterneigung und Hitze. Bei Gewitter Gewässer meiden, falls man überrascht wird, gleich zum Ufer zurückpaddeln. An wetterfeste Kleidung, Sonnenschutz und Lenzpumpe denken. Handy in wasserfeste Hülle. Hilfreich: WarnWetter-App vom DWD.
Faktor Strömung
Bei Gezeitengewässern den Ebbund Flutstrom in Planung einbeziehen (bsh.de). Auf Flüssen geben Durchflussraten Info zur Strömung. RiverApp zum Abrufen von Pegelständen nutzen, vor allem nach Unwettern oder Schneeschmelze. Alle Gefahrenstellen kennen und bei Tourenplanung berücksichtigen.