"Ich liebe Nordeuropa und das Fahrradfahren. So kam ich vor ein paar Jahren bei einer Tour durch Dänemark auf die Idee, zum Nordkap zu radeln. Das Zeitbudget: acht Wochen. Die besondere Motivation: Ich wollte unbedingt meinen 50. Geburtstag am Nordkap feiern. Im Juli ging es dann endlich los." ...
3.849 Kilometer und 27.767 Höhenmeter liegen zwischen meinem Wohnort Mönchengladbach-Giesenkirchen und dem Nordkap. In Deutschland schlage ich das Zelt auf Campingplätzen auf, da wildcampen hier eher schwierig ist. Außerdem lässt der Zustand der Radwege ziemlich zu wünschen übrig. Das ändert sich dann im Fahrradland Dänemark schlagartig.
Schneller als angenommen erreiche ich bereits nach neun Tagen Hirtshals, von wo aus es per Fähre nach Bergen geht. Den Plan, die Stadt zu besichtigen,verwerfe ich schnell: Sechs große Kreuzfahrtschiffe haben angelegt, das Gewusel ist mir zu viel. Doch schon zwei Kilometer später genieße ich Ruhe und eine traumhafte Landschaft: Fjorde, Fjorde, Fjorde!

Auf der Strecke gibt es einige Tunnel, im Süden teilweise für Fahrradfahrer gesperrt, sodass man auf den alten Straßen am Fjordufer entlangfahren darf. Später werde ich im Norden noch eine Komfortvariante kennenlernen: Dort sind die Tunnel mit Fahrradampeln ausgerüstet. Sobald man einen Button drückt, werden die Autofahrer gewarnt, dass im Tunnel Fahrradfahrer unterwegs sind.
Ohnehin stelle ich fest, dass die norwegischen Pkw-Fahrer viel rücksichtsvoller sind als die deutschen. Als super Übernachtungsmöglichkeit erweisen sich in Skandinavien auch die sogenannten Shelterhütten.

Viele Privatleute bieten sie in ihrem Garten an. Besonders gastfreundlich zeigt sich ein Lehrer namens Are. »Where are you going?«, fragt er mich auf einer Passhöhe. Als ich ihm von meinem Reiseplan erzähle, ist er so begeistert, dass er mich in sein 50 Kilometer entferntes Sommerhaus einlädt. Damit ich nicht daran vorbeifahre, stellt er ein großes Pappschild auf.
Abgesehen von sechs Regentagen zeigt sich das Wetter von seinen besten Seiten. Allerdings zehrt der Wind ab und zu an meiner Kraft, vor allem auf Pässen in Fjordnähe, da dort oft Fallwinde wehen. Zum Glück herrschen Traumbedingungen, als ich rund 200 Kilometer südwestlich von Trondheim über den Atlanterhavsveien radle, eine acht Kilometer lange Brückenstraße über die Inseln zwischen Molde und Kristiansund.

Die Mitternachtssonne scheint, und die Blicke über das ruhige Meer sind unbezahlbar. Weiter Richtung Norden geht es über die Vesterålen und die Lofoten. Ein defekter Schalthebel zwingt mich zu einer dreitägigen Pause, da das Ersatzteil aus Oslo geschickt werden muss. Auch das hat sein Gutes: Ich treffe Kate, eine Langstreckenradlerin aus England, und besuche mit ihr das Svolvær Lamholmen Festival, ein großartiges Musikevent.
Kurz vor dem Ziel erweist sich der Norkapptunnelen mit fast sieben Kilometern Länge als Herausforderung. Er schraubt sich bis zu 212 Meter unter dem Meeresspiegel hinab, ist eng und bietet keinen Fahrradweg. Zum Glück herrscht im August bereits Nebensaison und somit wenig Verkehr. Vor dem Nordkapplateau sorgt ein Sturm für eine weitere Zwangspause, sogar Wohnmobile landen im Graben.
Am nächsten Tag jedoch erreiche ich bei sonnigen 20 Grad das felsige Kap – einen Tag vor meinem Fünfzigsten. Ein überwältigender Moment! Pünktlich gesellt sich als Geburtstagsgast mein guter Freund Daniel dazu. Dass wir gebührend feiern, versteht sich von selbst.