Er ist wohl einer der ältesten Rennradfahrer Deutschlands: der 94-jährige Karl Zenger aus Eiselfing. Nachdem er mehrere Hundert Amateur-Rennen absolvierte, hat er seine Räder inzwischen mit Elektro-Unterstützung nachgerüstet. Schließlich seien die 5000 Kilometer, die der rüstige Rentner noch immer jedes Jahr strampelt, "nicht verhandelbar". Dafür unternimmt er alles: Tagsüber pedaliert der Mann mit seinen "Mädels" rund um Wasserburg, was er "betreutes Radfahren" nennt. Abends steht Gymnastik an: Klappmesser, Liegestützen, das volle Programm. Für die Zukunft wünscht sich Karl Zenger nur, dass der liebe Herrgott ihm im Himmel "a gscheids Radl" bereitgestellt hat.
Karl Zenger: Durch meinen Vater. Er war immer ein begeisterter Rennradfahrer, hat schon renommierte Rennen wie das um den Bodensee gewonnen. Er war wirklich ein sehr sportlicher und ein sehr fescher Mann. Beides hat er mir vererbt, wie Sie sehen können (lacht).
Das war 1949 in Gars am Inn, das liegt im oberbayerischen Landkreis Mühldorf, zwischen München und Salzburg. Da bin ich auf Anhieb Dritter geworden. Beim zweiten Rennen in Wasserburg, also hier um die Ecke, wurde ich Zweiter. Aber nur weil mich der Sieger im Schlusssprint von der Straße abgedrängt hat, der blöde Sauhund. Erst das dritte Rennen, in Rosenheim, habe ich dann für mich entscheiden können.
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Ich hatte ja nicht mal ein Rennrad.
Zu der Zeit, ich war gerade 19, habe ich als Knecht auf dem Bauernhof von Franz Herzog gearbeitet. Ich habe Kühe gemolken, den Stall ausgemistet. Am Hof gab es noch einen weiteren Knecht, den Stephan. Der hatte ein Rennrad. Das war ein Bismarck, ein ganz ein nobles Stück. Wenn also immer ich ein Rennen fuhr, hab ich es von ihm ausgeliehen.
Ich kann mich noch an ein Rennen 1951 in Rosenheim erinnern. Eigentlich wollte ich an dem Tag nur das Straßenrennen über 120 Kilometer fahren. Das habe ich gewonnen. Und weil ich so gut drauf war, bin ich an dem Tag halt die beiden Bahnrennen am Nachmittag auch noch mitgefahren. Gewonnen habe ich beide. In den kommenden Jahren darauf gehörte ich zu den besten Amateurfahrern in Deutschland.

Sie dürfen nicht vergessen: Deutschland hatte gerade den Krieg verloren und damit gab es nun wahrlich andere Probleme. Irgendwann habe ich mir dann eins zusammengeschraubt. Und wenn ich mal freihatte, dann bin ich kurz nach München reingefahren. Am Wochenende zum Bodensee. Ist ja nicht weit.
Das geht schon. Im Vergleich zu den Carbon-Rädern, die heute hier überall herumfahren, hatte ich es allerdings deutlich schwerer. Ich weiß noch, das erste Rennrad, das Bismarck, hatte drei Gänge. Drei! Eine unfassbar wilde Zeit war das. Und eine unfassbar schöne!
Wenn ich ein Rennen in München hatte, bin ich erst dorthin geradelt, dann das Rennen gefahren, im Anschluss wieder heimpedaliert. Da kamen echt Kilometer über die ganze Radsaison zusammen, kann ich Ihnen sagen.

Mei, wie viele werden das gewesen sein? Vielleicht 300, 400. Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht mehr. Gewonnen habe ich auf jeden Fall einige.
30, 40. Natürlich wollte ich, wenn ich an der Startlinie stand, auch gewinnen. Ich war übertrieben ehrgeizig. Für mich gab es nur eines: Gewinnen! Dann war es aber noch so, dass mein Sport schon immer viel mehr war als nur ein Sport. Ich lebe und atme das Rennradfahren, seit ich denken dann. Und: Es wurde sogar noch besser.