Interview mit Survival-Experte Bear Grylls
Bear Grylls: „Am schlimmsten ist es, Aas zu essen“

Er hangelt über Abgründe, filtert Wasser durch seine Socken, isst Maden und Yak-Augen. outdoor sprach mit dem britischen Survival-Star Bear Grylls.

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Foto: Discovery Channel

Die neue Staffel von "Ausgesetzt in der Wildnis" läuft seit 18. September sonntags um 20.15 Uhr auf DMAX. Im Gespräch mit outdoor erzählt Bear Grylls über die Drehs zur Survival-Serie, die Todesgefahr und sein Erfolgsrezept für seine Touren ins Ungewisse.

outdoor: In Ausgesetzt in der Wildnis isst du zuweilen ganz schön eklige Dinge. Aber was ist eigentlich deine Lieblings-Survival-Nahrung?

Grylls: Am besten sind Beeren. Und außerdem bin ich ja Engländer und liebe Tee. Gut sind Fichten- oder Piniennadeltees. Am schlimmsten ist es, Aas zu essen.

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Bist du schon mal krank geworden durch diese Kost?

Grylls: Ziemlich oft. Im Lauf der Jahre hatte ich einige Male Durchfall und habe mich oft übergeben. Aber das waren eigentlich immer nur Ausnahmen. In den meisten Fällen war es ok.

Gab es auch schon mal etwas, das du nicht gegessen hast?

Grylls: Wenn etwas wirklich faul ist, sollte man die Finger davon lassen. Aber wenn man merkwürdige Sachen isst, sei es nun Schlangenhaut oder irgendetwas anderes, tut man das aus einem bestimmten Grund: um zu überleben. Es wird nicht gut schmecken und manchmal wird man auch krank davon. Aber genau das macht doch die Wildnis aus; sie gibt dir keine Garantien.

Welche Umgebung findest du am härtesten?

Grylls: Sümpfe und Dschungel sind immer ziemlich hart, wegen dieser Ungewissheit. Wenn du bis zum Hals im Schlamm steckst, dann kannst du manches nicht sehen, und es gibt wirklich fiese Tiere dort. Dazu kommen die Schlangen und Krokodile. Im Dschungel und in Sümpfen bin ich immer ziemlich nervös. Und extreme Kälte ist natürlich hart, ich hatte ein paar leichte Erfrierungen am Everest, und ich musste mich wirklich anstrengen, um meine Finger und Zehen warm zu halten.

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Discovery Channel
Wenn Bear Grylls in die Wildnis geht, wird es dreckig.

Hilft dir die Tatsache, dass du vor der Kamera stehst dabei, dich zu irgendetwas zu überwinden?

Grylls: Wenn ich etwas partout nicht tun will, dann filmen wir es auch nicht. Und: Neulich traf ich den Chef vom Discovery-Channel. Er sagte: Weißt du eigentlich, dass 1,5 Milliarden Leute deine Sendung schauen können? Und ich sagte: Wenn ich das wüsste, wäre ich so nervös, dass ich vor lauter Angst vor laufender Kamera gar nichts mehr tun könnte.

Wenn man dich in der Show sieht, siehst du immer gut rasiert aus ...

Grylls: Danach werde ich oft gefragt. Das liegt an meinem spärlichen Bartwuchs. Mehr wächst bei mir einfach nicht.

Anders gefragt: Was ist real an deiner Show und was ist gestellt?

Grylls: Wir filmen, was kommt. Natürlich gibt es schon bestimmte Ideen, was wir tun werden, weil das Team ja schon vor mir die Örtlichkeiten erkundet hat und mich entsprechend informiert. Manchmal weiß ich eben schon, dass es einen Wasserfall gibt, und vielleicht mag es auch einen einfacheren Weg ins Tal geben, aber ich will ja zum Beispiel zeigen, wie man einen Wasserfall überwinden kann, indem man eine Kletterpflanze benutzt. So gesehen suchen wir natürlich schon die spektakuläreren Sachen aus, das ist einfach Teil der Show.

Wie bist du Survival-Experte geworden?

Grylls: Vor allem durch meine Ausbildung beim Militär. Ich war Überlebenstrainer bei einer Spezialeinheit der Britischen Armee (Anm. d. Red.: beim Special Air Service). Doch viel habe ich auch schon als Kind gelernt.

Eigentlich heißt du Edward Michael Grylls. Wie kamst du zu deinem Spitznamen?

Grylls: Meine Schwester gab ihn mir, als ich einen Tag alt war.

Was hältst du für deine bislang größte Leistung?

Grylls: Ich denke, der Mount Everest war schon etwas Besonderes. (Anm. d. Red.: Bear Grylls bestieg den Berg 1998 im Alter von 23 Jahren als jüngster Brite). Es brauchte einiges, um dorthin zu kommen, und in der Zeit während ich am Berg war, starben vier Bergsteiger. Es war sehr harte Arbeit, und die Vorbereitung dauerte Jahre. Aber es war auch ein großer Traum.

Mehr über Bear Grylls:

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Discovery Channel
Die gefährlichsten Regionen der Welt üben auf Bear Grylls eine magische Anziehung aus.

Edward Michael Grylls, wie der Abenteurer mit bürgerlichem Namen heißt, wurde am 7. Juni 1974 in Großbritannien geboren. Von 1994 bis 1997 diente Grylls beim Special Air Service, einer Eliteeinheit der Britischen Armee. Nach einem Fallschirm-Unfall, bei dem er sich das Rückgrat brach, rappelte er sich wieder auf und erklomm zwei Jahre später mit 23 Jahren als jüngster Brite den Mount Everest – eine Erfahrung, die Bear Grylls bis heute geprägt hat. Seitdem bereist der Ex-Soldat auf der Suche nach immer neuen Herausforderungen den ganzen Erdball.

Weltweit bekannt wurde Grylls neben zahlreichen Büchern zum Thema Survival vor allem durch die Discovery-Serie Ausgesetzt in der Wildnis (engl. Man vs. Wild), die nun bereits in der 6. Staffel im Fernsehen anläuft.

Bear Grylls: "Ich liebe das Abenteuer"

outdoor: Brauchst du diesen Kick, wenn du gefährliche Sachen machst? Diese Todesgefahr?

Grylls: Todesgefahr kommt immer dann, wenn etwas schief läuft. Ich liebe das Abenteuer, ich liebe es, mit guten Freunden in der Wildnis zu sein, und ich mag das Gemeinschaftsgefühl, wenn man in einer menschenfeindlichen Umgebung ist. Aber ich mag nicht diese Nahtoderlebnisse. Nein.

Wie oft hast du Angst, bei dem was du tust?

Grylls: Oft. Es wäre nicht normal, wenn man vor schwierigen Kletterstellen, Stromschnellen oder vor Krokodilen keine Angst hätte. Doch ich bin oft in solchen Situationen. Ich versuche, meine Angst als ein Gefühl zu begreifen, das meine Aufmerksamkeit schärft. Aber trotzdem habe ich Angst, zum Beispiel beim Fallschirmspringen. Dabei hatte ich mal einen schweren Unfall. Seitdem kostet mich das Abspringen jedes Mal Überwindung.

Wann hast du zum letzten Mal geweint?

Grylls: Was das betrifft, bin ich ein ziemlicher Softie. Mein zweitältester Sohn ist vor einer Woche in einem Schultheaterstück aufgetreten, während der Vorführung war ich ein nervliches Wrack. Ich habe die ganze Zeit geheult. Noch vor zwei Tagen weinte ich bei einem Film in einem Flugzeug. Es war noch nicht einmal ein besonders rührseliger Film. Er hieß »Wie ein einziger Tag«, kennt man den?

Das ist ein Schmachtfetzen...

Grylls:Das habe ich gar nicht gewusst, als ich es mir angeschaut habe! Ich war echt fertig, sogar die Stewardess kam und fragte mich, ob alles in Ordnung ist. Naja, erzähle das bitte nicht herum.

Wie bist du versichert?

Grylls: Der Vertrag ist ganz schön dick. Und der Beitrag beansprucht fast die Hälfte der Produktionskosten. Ich hab auch mal versucht, eine private Reiseversicherung zu bekommen. Ich rief kurzfristig an, weil ich irgendwohin wollte. Und die Dame sagte: »Klar, kein Problem, hundert Pfund. Wie heißen Sie?« »Grylls«, habe ich gesagt und sie: »Und der Vorname?« Ich habe es mit »Michael« versucht, weil das mein zweiter Vorname ist, aber die Fragerei ging weiter, und sie irgendwann: »Sie sind doch Bear Grylls!« Und so bekomme ich nie eine Versicherung. Andererseits denke ich mir: Wenn ich eine Versicherung benötige, dann ist es sowieso zu spät. Und dann mache ich im Urlaub eben ohne Versicherung, was ich machen will.

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Discovery Channel
Wenn sich Grylls einmal für etwas entschieden hat, dann gibt er alles!

Was sagen deine Kinder eigentlich zu deinem Job?

Grylls: Mein Vater sagte immer zu mir, dass es darauf ankommt, seinen Träumen zu folgen und auf seine Freunde zu achten. Meine erweiterte Regel ist: Das ist in Ordnung, solange deine Träume nicht gefährlich sind. Meine Kinder sagen sich natürlich jetzt: »Ah ja...« Einer meiner Söhne hing vor kurzem hoch in einem Baum an einem Ast. Ich sagte: »Lass das!« Und er ließ auch noch eine Hand los. »Was ist dein Plan B?«, rief ich hinauf. »Was tust du, wenn der Ast bricht?« Er sagte: »Du hast auch nicht immer einen Plan B!« Ich antwortete: »Ich habe immer einen Plan B! Wenn der Ast bricht, würde ich den anderen da greifen, oder einen Fuß auf den da stellen.« Manchmal bekommt man das bei den Filmen nicht mit, weil alles so schnell geht, aber wenn man wirklich darauf achtet sieht man: ich habe immer einen Plan B!

Was ist das Erfolgsrezept für eine Tour ins Ungewisse?

Grylls: Wenn meine Kollegen und ich einmal vor Ort sind, geben wir 120 Prozent. Mir kommt das immer wie bei einem Rugby-Spiel vor. Wenn du zögerst während du angreifst, dann verletzt du dich. Aber wenn du 100 Prozent bei der Sache bist, dann läuft das schon irgendwie. Ich glaube, so ähnlich ist das auch, wenn wir in der Wildnis sind. Wenn ich mich einmal für etwas entschieden habe, dann gebe ich alles und laufe zu Hochform auf.

Welche drei Dinge würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?

Grylls: Das Ultimate Survival Knife aus meiner Gerber-Kollektion, mein i-Phone mit einem Survival-App und das kleine laminierte Bild von meiner Familie, das immer unter der Einlegesohle meines Schuhs steckt.

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07 / 2023

Erscheinungsdatum 06.06.2023