Neues Reglement im Wettkampfklettern
„Fauler Kompromiss“: Interview mit Kilian Fischhuber

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Wie wird Klettern zu Olympia 2028 aussehen? Interview mit dem mehrfachen Weltcupgewinner und Nationaltrainer zum Modus für Olympia.

Wettkampfklettern
Foto: Lena Drapella IFSC

Kilian Fischhuber ist optimistisch, dass Klettern bei Olympia 2028 mit Einzeldisziplinen vertreten sein wird. Der österreichische Nationaltrainer und fünffache Gewinner des Boulder-Weltcups über den bestmöglichen Modus, die Leiden der Boulderbauer und den holprigen Weg nach Los Angeles.

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So funktioniert das Bewertungssystem fürs Wettkampfklettern bei den olympischen Spielen in Paris 2024

Punkte statt Platzierung: Beim Lead-Boulder-Combined 2024 in Paris gibt es ein völlig anderes Wertungssystem als in Tokio.

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Lena Drapella IFSC
Wie wird sich das Wettkampfklettern entwickeln, welchen Einfluss hat Olympia? Nach Tokio kommen jetzt neue Regeln und eine neue Kombination für Paris 2024.

Bei nur zwei Combined-Disziplinen wären bei der Multiplikation der Platzierungen (wie in Tokio geschehen) Gleichstände wahrscheinlich. Deshalb sind nun im Bouldern und Lead jeweils maximal 100 Punkte zu erreichen, die Punkte der Disziplinen werden addiert. Im Lead bekommt man 100 Punkte, wenn der Top-Griff gehalten und die oberste Sicherung geklippt wird. Vom Top abwärts werden die Griffe mit absteigenden Punkten belegt (Stand 2022: oben minus 5 Punkte, darunter minus 2 Punkte, ganz unten minus 1 Punkt). Wer von einem Griff eine Aktion startet, bekommt 0,1 Punkte hinzu.
Beim Bouldern bekommt 100 Punkte, wer alle vier Boulder im ersten Versuch klettert. Pro weiteren Versuch gibt es je 0,1 Punkte Abzug. Dies gilt genauso für die zwei Zonenwertungen. 2022 gab es für Zone 1 drei Punkte, für Zone 2 sechs Punkte, abzüglich von jeweils 0,1 Punkten pro weiterem Versuch. Die Punkte von Zone 1 und 2 werden nicht addiert.

Weitere Neuerungen seit der Saison 2022:
• Zwischen den Startern beim Bouldern gibt es in allen Runden 15 Sekunden Wechselzeit.
• Von allen Bouldern können Fotos oder Skizzen in der Isozone oder in der Transitzone für den jeweiligen Boulder gezeigt werden.


Interview mit Coach Kilian Fischhuber

Kilian Fischhuber
Elias Holzknecht Austria Climbing
Kilian Fischhuber, 39, ist seit 2019 gemeinsam mit Katharina Saurwein Nationaltrainer Österreichs, neuerdings ist Fabian Leu im Team. Seit 2020 ist Kilian in der IFSC Coaches Commission. Er lebt mit Partnerin Anna Stöhr und Tochter in Innsbruck.
Ist das Wettkampfklettern auf einem guten Weg?

Im Großen und Ganzen: ja. Es gibt viele "aber", doch die Vorteile der Entwicklung mit Olympia – gegen die ich ja lange war – überwiegen.

Was sind die negativen Seiten?

Es war von Anfang an klar, dass die Kombination der drei Disziplinen ein fauler Kompromiss ist. Aber nur so konnte Klettern olympisch werden. In Paris wird’s sicher besser, da zumindest Speed ausgelagert ist. Und im Idealfall wird es 2028 in Los Angeles perfekt. Wenn wir mal die Einzeldisziplinen haben, wird Wettkampfklettern durch die Decke gehen! Ich bin kein Fan des neuen Punktesystems und der zwei Zonen beim Combined-Bouldern, aber mein Blick geht über Paris hinaus. Und wenn dies dazu führt, in Los Angeles drei Disziplinen zu haben, dann ist es der richtige Weg. Den Lead und Boulder Weltcup verändern wir ja nicht groß. Hoffe ich zumindest! Speed wird sich auch nicht groß ändern. Es ist nur diese Kombination: das Nadelöhr, durch das wir müssen, um in Paris olympisch zu sein.

Gibt es positive Signale für 2028?

Ich denke schon. Klettern hat echt eingeschlagen bei den Fernsehzuschauern, obwohl die Herren-Kombination in Tokio schlecht lief.

"Punktesystem" klingt weniger fehleranfällig als die Multiplikation der Platzierungen in Tokio …

Auch das Punktesystem ist fehleranfällig! Diesmal zwar nicht hinsichtlich möglicher Verletzungs-Ausfälle, dafür wird der Routenbau noch entscheidender. Pro Disziplin gibt es maximal 100 Punkte. Sind die Boulder zu schwierig, holt keiner 100 Punkte. Ist die Lead-Route dann zu leicht, und viele holen 100 Punkte, verzerrt das alles. Holen dagegen viele Boulderspezialisten 100 Punkte, sind sie generell im Vorteil, dafür verliert der beste Boulderer den Trumpf eines Punkte-Vorsprungs. Soviel ich weiß, soll die Wertung für 2023 verändert werden – aber egal wie, man wird es nicht wirklich gut hinkriegen!

Hast du eine Ahnung, welche Änderungen geplant sind?

Wahrscheinlich werden die Zonen im Bouldern aufgewertet und die Punkteverteilung im Lead verändert. Bei der 2022 eingeführten Zwei-Zonen-Regel im Combined-Bouldern war die Idee, dass vier zweite Zonen keinesfalls mehr wert sein sollten als ein Top. Vier zweite Zonen bringen 24 Punkte, ein Top 25. Das habe ich total unterstützt, denn beim Bouldern geht’s darum, oben anzukommen, Punkt! Aber bei der EM in München habe ich gesehen, dass das in der Kombination keinen Sinn ergibt. Nur 24 Punkte für vier zweite Zonen passt nicht zum Lead, wo du für jeden Zug ein paar Punkte mehr bekommst, weiter unten zwei, weiter oben fünf. Deshalb müssten die Zonen beim Combined-Bouldern aufgewertet werden. Aber wie man’s auch macht, es ist nicht ideal. Ideal ist, wenn es Einzeldisziplinen gibt und meinetwegen noch eine Kombination mit weiß der Teufel welchem Modus.

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Lena Drapella IFSC
Finalteilnehmer bei der Besichtigung der Finalboulder (links Yannick Flohé).
Beim ersten Worldcup 2022 sorgten Fotos der Quali-Boulder vor dem Wettkampf für scharfe Kritik. Wie siehst du das?

Das war in Meiringen einfach schlecht umgesetzt. Ich finde, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen. Ich bin von 1999 bis 2014 Weltcups geklettert, und wir haben fast immer die Boulder irgendwie vorher gesehen. Alles andere ist Heuchelei! In Innsbruck am Marktplatz siehst du die Wand, in Chamonix haben Teams das Hotel so ausgewählt, dass sie vom Zimmer auf die Wand sehen. In München hast du von oben im Beach-Volleyball-Stadion alle Boulder gesehen. In Villars, BrianÇon, Salt Lake City, Jakarta, bei allen Outdoor Worldcups ist das so. Wichtig ist, dass niemand sieht, wie gebaut und getestet wird, weil das die Lösung verrät. Die Quali im Lead ist schon ewig im Flash, beim Bouldern werden die Finalboulder besichtigt, die Startgriffe angefasst. Ich denke, dass viele Athleten dies als Schritt wahrnehmen, die Iso-Zonen ganz abzuschaffen. Da bin auch ich strikt dagegen! Das Herausfinden der richtigen Beta macht Klettern gerade so interessant! Dass man aber anhand eines Fotos genau weiß, wie ein Boulder geht, ist Bullshit! Du weißt nur, das ist ein Sprung, eine Platte oder eine Mehrfachbewegung.

Was lief in Meiringen schief?

Die Fotos waren schlecht und wurden zu spät aufgehängt. Einige haben sie gar nicht gesehen, andere nur kurz, andere stundenlang. Natürlich geht die Überraschung verloren, aber wenn du das gut machst, hat es auch Vorteile: Du kannst dich spezifisch aufwärmen und den richtigen Schuh anziehen. Ich finde es lächerlich, wenn die Leute rauskommen und als erstes ihre Schuhe wechseln.

Wurden auch bei weiteren Boulder Weltcups 2022 Fotos gezeigt?

So weit ich mich erinnere, nicht. Man sollte die Regeln generell pragmatischer sehen! Ich weiß nicht, wie viele Stunden meines Lebens ich in der Iso verbracht habe, teils sechs, sieben Stunden. Das ist unmenschlich! Ich war immer für zwei Quali-Gruppen, was wir nun seit einigen Jahren haben. Nun gibt es Leute, die sagen, das sei total unfair, weil die Gruppen nie gleich sein werden. Das stimmt absolut, aber was ist mir lieber? Wenn 150 Leute über die selben Griffe klettern, sind die zum Schluss nur noch Seife. Ist das fair? Auch wenn etwas nicht ideal ist, aber eine Verbesserung, ist das ein Fortschritt! Das ist Veränderung von unten, so wächst der Sport. Ich denke, mit den Bildern ist es sogar fairer, denn irgendwer kommt immer irgendwie an Fotos.

Wurden die Athleten wirklich nicht vorher gefragt?

Anscheinend nicht, was dumm ist.

Wie sieht es in der IFSC generell mit der Mitsprache aus?

In der Coaches Commission arbeiten drei, vier Leute richtig gut mit. Viele schreien immer, aber sich einzubringen ist ihnen zu viel Arbeit. Auch die Athletes Commission ist stark, besonders Sean McColl. Der kann es auch gut mit Klaus Bach, dem IOC-Chef. Die sind in Tokio zusammen über das Wettkampfgelände gegangen, und wenn Sean den Daumen hebt, wird das gemacht. Das Thema mit den Bildern ist wohl von der Kommunikation bis zur Umsetzung verkackt worden. Aber wie gesagt: Ich finde das nicht so wichtig.

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Austria Climbing
Die Routenbauer haben immer einen kniffligen Job und die Verantwortung für das Gelingen des Wettkampfs.
Die IFSC Europe ist bereits weiter: Bei europäischen Bouldercups soll die Quali im Flash-Modus erfolgen. Sprich, es werden Videos gezeigt, wie die Boulder zu klettern sind.

Das war auch bei der Jugend-WM 2022 so, und 2023 soll das wohl auch bei den Europacups der Erwachsenen kommen. Die Wenigsten wissen, wie schlecht die Bedingungen in Iso-Zonen manchmal sind: Dixie-Klos, eng, schlechte Luft – wenngleich es immer besser wird. Jeder sollte sich fragen, ob es adäquat ist, erwachsene Menschen, vor allem aber Jugendliche sechs Stunden in einem Raum zu isolieren, weil angeblich nur onsight "richtiges Klettern" ist? Manche Athleten schaffen anschließend nur zwei Züge, haben niemand gesehen und fahren wieder heim.


Ist es gerecht, wenn eine Lösung auf Video gezeigt wird, die aber nicht für alle Körpergrößen passt?

Sicher nicht. Aber im Lead wird meist irgendwann für eine schwierige Stelle eine leichtere Lösung gefunden. Da sind alle benachteiligt, die früher starten. Man muss sich fragen: Was ist der Sinn einer Qualifikation? Das Aussieben, damit im Lead 26 und beim Bouldern 20 ins Halbfinale kommen. Wenn sich die Fittesten durchsetzen, dann ist für mich das Regelwerk in gewisser Weise legitimiert. Solange im Halbfinale und Finale im Onsight geklettert wird, ist das für mich okay. Denn dort geht’s darum, wer gewinnt. Ich denke, die Zahl der Starter wird angeglichen werden, dass beim Lead und Bouldern 20 ins Halbfinale kommen und acht ins Finale. Dann müssen beim Bouldern im Finale zwei Leute gleichzeitig klettern wie bei der EM in München, sonst dauert es zu lang. Bislang wurde argumentiert, dass das fürs Fernsehen schlecht sei, weil Regie-technisch nicht machbar. Aber dafür brauchst du nur mehr Kameras und eine gute Regie. In München hat das gut funktioniert.

Ich dachte, dass beim Bouldern zu viel rumgestanden wird …

Derzeit ist das mit nur einem Athleten auf der Matte ein Problem, das ist richtig. Aber auch da wäre es machbar, andere Bilder einzuspielen. Dafür braucht es aber eine gute, sachkundige Bildregie. Vermutlich gibt es weltweit nur zwei Regisseure, die das hinbekommen. Sonst sieht das natürlich langweilig aus. Aber wie es in München gemacht wurde, das war wirklich gut! Ich denke, das wird auf europäischer Ebene beibehalten. Ob es auch bei Worldcups kommt, weiß ich nicht.



Kritiker befürchten, dass hinter der Regel, Fotos von den Qualibouldern zu zeigen, eine Scheibchen-Taktik in Richtung genereller Flash- oder gar After-work-Modus steht. Siehst du das auch so?

Ja! Die IFSC argumentiert mit zwei Punkten: Erstens, dass es keine andere Sportart mit einer Isolationszone gibt, wo du Leute für Stunden wegsperrst. Zweitens, dass spätestens, wenn es um Millionen geht, geschummelt wird. In Innsbruck hatten wir fast fünf Millionen Zuschauer. Sollte sich das verzehnfachen, geht es um so viel, dass alle Optionen ausgeschöpft werden, verboten oder nicht. Zudem hat die IFSC Angst, dass – wie bei den Herren in Tokio – die Boulder zu schwer sind und nichts geschieht. Mit After-work-Modus würde das nicht passieren. Beim Rockmaster in Arco werden Lead und Bouldern im After work ausgetragen. Das ist auch nicht unattraktiv, aber mir hat onsight viel mehr getaugt. Ich war da auch immer besser (lacht).

Was kann man tun, damit auch im Onsight-Modus das Verhältnis von Selektivität und Tops stimmt?

Ich schätze die Arbeit der Routesetter Commission sehr! Das sind nur Kletterer, während in allen anderen IFSC-Kommissionen immer mehr Manager und Leute aus anderen Sportarten hinzukommen. Die Routensetzer stehen bei vielen Veränderungen auf der Bremse, die wissen, worum es geht. Wenn bei einem Wettkampf etwas schief läuft, ist niemand mehr angefressen als die Routensetzer. Sie geben immer ihr Bestes, aber dass immer alle Boulder genau schwer genug sind, ist nicht kontrollierbar. Im Lead ist das anders: Da wird es anstrengender, noch anstrengender, dann kommt eine harte Einzelstelle … Im Combined darf es die allerdings nicht geben! Damit das Punktesystem funktioniert, müssen die Routen homogen sein, wodurch sie weniger interessant sind. Im Lead kannst du die Leute sukzessive aussortieren, beim Bouldern nicht, da ist es schwarz oder weiß.

Ich finde, bei Quali- und Halbfinalbouldern werden mehr Kletter-Styles gefordert als in den Finals, wo "Show-Boulder" mit Dynos dominieren? Wie siehst du das?

Ich weiß nicht, ob es hauptsächlich Dynos sind, aber ich teile die Einschätzung, dass die Halbfinalboulder meistens besser sind. Das liegt auch daran, dass du im Halbfinale 20 Athleten hast, die leistungsmäßig dicht beieinander sind. Dort kannst du härtere Boulder schrauben, weil die Chance größer ist, dass jeder geklettert wird. Bei nur sechs Finalisten sind die Chancen geringer, weshalb ich denke, dass acht Finalisten eine gute Lösung wäre. Aber ja, ich sehe auch die Tendenz, dass in den Finals immer mehr auf die Show und die Optik geachtet wird. Beides ist wichtig, aber nicht das Wichtigste!

Verträgt sich die zweite Zone im Combined mit der Bouldershow?

Die zweite Zone im Combined wurde eingeführt, damit keiner, der den halben Boulder schafft, ohne Punkte bleibt. Kommst du beim Lead bis zur Hälfte, hast du schon reichlich Punkte. Andererseits sind die Zonengriffe für die Schiedsrichter das Heikelste, dort gibt es die meisten Einsprüche. Ist das gehalten oder nicht? Bei einer Zone hast du viele Probleme, bei zwei Zonen noch mehr. Das ist natürlich schlecht. Zudem sollte sich die Schwierigkeit deutlich steigern: Derzeit gibt‘s für die erste Zone drei Punkte, für die zweite sechs, fürs Top 25. Dementsprechend sollten die härtesten Züge erst oben kommen. Bisher war es aber oft so, dass das Erreichen der Zone am schwierigsten war. Hattest du sie, bist du auch durchgestiegen – sprich null Punkte oder 25, und das ist natürlich nicht sinnvoll. Das Problem in Tokio war, dass alles von der Platzierung abhängig war. Jetzt ist der Routenbau noch viel entscheidender geworden, was noch mehr Druck für die Routensetzer bedeutet – die es ohnehin schon am schwersten haben.

Klettern bei Olympia
IFSC Dimitris Tosidis
Bei der Besichtigung der Leadroute bei den Olympischen Spielen in Tokio.

Anderes Thema: Janja Garnbret hat sich beim IFSC Summit im November für strikte Body-Mass-Index-Regeln (BMI) ausgesprochen. Siehst du das auch so?

Ja, es ist eine Dringlichkeit vorhanden, da etwas zu tun. Der BMI ist nicht ideal, ein ideales Kriterium zu finden, ist aber sehr schwierig. Vermutlich wird es eine Regelung werden, die einige falsch bestraft. Aber ich habe das elfjährige Mädchen vor Augen, das seinem Vorbild nacheifert, nichts mehr isst und vor die Hunde geht. Dann ist es besser, wenn drei Leute zu Unrecht ausgeschlossen werden! Die Medical Commission der IFSC ist voll dran, eine Regelung zu finden.

Warum ist der BMI als Kriterium problematisch?

Vor allem im Wachstum ist der BMI schwierig. Fett- und Muskelanteil, generelles Essverhalten und ausgewogene Ernährung werden nicht berücksichtigt. Zudem ist es nicht unproblematisch, einen einheitlichen BMI für alle Ethnien zu definieren. Aber zu sagen, es gibt keine ideale Lösung, deshalb machen wir nichts, wäre die falsche Einstellung!

Was erwartest du von der Saison 2023 mit der Weltmeisterschaft in Bern als Highlight?

Highlight ja, aber vor allem wegen der Qualifikation für Olympia. Was früher das Höchste war, ist nun nur noch das Zweithöchste. Wir müssen schauen, dass sich dort österreichische Athleten für Olympia qualifizieren! Du kannst dich auch noch später über andere Wettbewerbe qualifizieren, aber am besten tust du das gleich in Bern. Dann ist der Druck weg, und du kannst planen. Ich hoffe sehr, dass Jakob Schubert und Jessica Pilz sich qualifizieren – und dass es noch weitere Österreicher nach Paris schaffen!

Werden weitere Änderungen im Regelwerk nötig sein, um bei Olympia 2028 in Los Angeles Einzelmedaillen zu bekommen?

Ich hoffe, nichts Wesentliches. Ich denke, wir verkaufen uns oft zu schlecht. Klettern ist so gut angekommen, da muss es doch möglich sein, unsere Sportart 2028 mit drei Disziplinen an den Start zu bringen! Regeländerungen wird es sicher geben, vielleicht sieht das Halbfinale anders aus, vielleicht ändert sich die Kletterzeit. Damit kann ich leben. Ich hoffe nicht, dass wir in Los Angeles stehen, und es gibt keine Isozone mehr! Man muss aber mit allem rechnen.

Gibt es "rote Linien", wo du sagst: Das ist nicht mehr mein Sport!

Es gibt Sachen, die ich schwer verdauen könnte, aber wenn ich als Coach sagen würde "Ich lasse es, weil die Regeln mir nicht gefallen", wäre das problematisch. Athleten können das sagen! Mir ist natürlich lieber, wenn Semifinale und Finale onsight bleiben und Lösungsfinden Teil des Wettkampfkletterns bleibt. Aber von roten Linien mag ich nicht sprechen. Nicht gut würde ich finden, wenn sich die Disziplinen immer mehr angleichen – leichte Lead-Routen zum Schnellklettern oder Boulder als kurze Routen. Die Disziplinen sollten in ihrer Essenz erhalten bleiben! Man muss aber aufpassen, wenn man sagt, das ist nicht mehr Klettern. Klettern hat so viele Spielarten. Sich anzumaßen, den Sport definieren zu können, wäre überheblich. Der Sport entwickelt sich weiter, wir werden alt. Klettern ist so cool! Ich glaube, unser Sport ist stark genug, um in seiner Essenz erhalten zu bleiben.

Kletter-WM in Bern Anfang August 2023

Vom 1. bis 12. August findet in Bern die Weltmeisterschaft im Sportklettern und Paraclimbing statt.

750 Athletinnen und Athleten im Speed, Lead, Bouldern und Combined, 150 weitere bei den Paraclimbing-Wettbewerben sowie rund 400 freiwillige Helfer werden beim Saison-Höhepunkt in der Schweizer Hauptstadt am Start sein. Die Qualifikation im Bouldern findet in der Curlinghalle Bern statt, der Eintritt ist kostenlos. Alle anderen Wettbewerbe steigen in der PostFinance-Arena, normalerweise Heimat des Eishockeyclubs SCB. Für beste Bedingungen ist also gesorgt, bei der WM finden 8.000 Zuschauer Platz. Eintrittskarten sind unter ticketcorner.ch erhältlich. Neben Weltmeister-Ehren geht es in Bern auch um die Qualifikation für Olympia 2024. Wer im Combined-Wettbewerb auf das Podium klettert, sichert sich sein Ticket für Paris, im Speed werden in Bern jeweils zwei Olympia-Plätze bei Frauen und Männern vergeben. Die restlichen Olympia-Tickets – insgesamt sind es je 20 Starter im Boulder-Lead-Combined und je 14 im Speed – werden bei kontinentalen Quali-Wettkämpfen von September bis Dezember 2023 sowie bei der Olympic Qualifier Series von März bis Juni 2024 vergeben.

Die Entwicklung der Zuschauerzahlen beim Wettkampfklettern

Millionenpublikum: Die Entwicklung der Zuschauerzahlen in Fernsehen und Internet ging im Jahr 2022 steil nach oben.

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Dimitris Tosidis IFSC
Volles Haus beim Worldcup 2022 im slowenischen Koper. Aber auch auf dem Sofa fesselt Klettern immer mehr Zuschauer.

Für die Entscheidung der IFSC, die internationalen Fernsehrechte an Discovery zu verkaufen, gab es Anfang 2022 mächtig Kritik. Doch die Entwicklung scheint dem Verband recht zu geben. 13 Events mit 243 Live-Stunden wurden auf Eurosport übertragen, insgesamt 30 Millionen Menschen sahen zu. Damit war Klettern bei Eurosport hinsichtlich der Reichweite die fünftgrößte Sportart des Jahres. Worldcup-Primus war der Weltcup in Innsbruck mit 4,7 Millionen Zuschauern, und bei den vom Öffentlich-Rechtlichen-Rundfunk übertragenen European Championships sahen allein in Deutschland über zwei Millionen Menschen das Boulderfinale der Frauen.

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07 / 2023

Erscheinungsdatum 06.06.2023