Südfrankreich ruft: Klettern in der Tarnschlucht

Klettern in der Tarnschlucht
Südfrankreich ruft: Klettern in der Tarnschlucht

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Zuletzt aktualisiert am 03.04.2014

Gorges du Tarn! Schon allein die Erwähnung des Namens der Tarnschlucht im Süden Frankreichs lässt die Hände eingefleischter Sportkletterer automatisch Richtung Chalkbag zucken. Kein Wunder, hat doch zumindest jeder, der schon einmal dort war, das Bild der wilden, mit Löchern übersäten, graugelben Kalkwände über dem wunderschönen Fluss Tarn im Kopf.

Die Vorstellung von langen, überhängenden Routen, die so sehr zur Beliebtheit des Klettergebiets Tarnschlucht beigetragen haben. Ein Fakt, der wie in vielen anderen Gebieten auch nicht ohne Folgen blieb. So machte die Gorges du Tarn in den letzten Jahren dann mehr durch Sperrungen, Unfälle und ausgenagelte Sektoren von sich reden, als durch Kletterspaß an sonnenverwöhnten Felsen.

Hier gleich mal die gute Nachricht: So wie es aussieht, haben wir das jetzt größtenteils hinter uns. Notwendig aber auch, euch das Warum und Weshalb der Probleme und Maßnahmen im Klettergebiet Tarnschlucht im Folgenden einmal klar darzustellen.

Los ging es auch bei uns mit dem Beginn des Sportkletterbooms in den 80er-Jahren. Die Kletterer kamen, wie anderswo ebenfalls, bohrten, kletterten, nahmen die Felsen der Tarnschlucht in Beschlag ohne zu fragen. Eine wilde Horde, die sich teilweise leider auch genau so benahm. Früher oder später galt es also rings um den Cirque des Baumes, Natur, Tourismus und die Rechte der Eigentümer unter einen Hut zu bringen.

Der Punkt Naturschutz ist schnell abgehandelt. Die Gorges du Tarn sind als Randgebiet dem Parc National des Cevennes zugeordnet, und es gibt eine klare Zonierung, an welchen Felsen geklettert werden darf und wo nicht. Zudem gilt ein absolutes Verbot von offenem Feuer und wildem Campieren, wozu auch das Übernachten im Campingbus zählt.

Wem gehört die Tarnschlucht?

Der heikelste Punkt, den es im Hinblick auf die Zukunft des Klettergebiets Tarnschlucht zu klären galt, waren die Eigentumsverhältnisse, denn nach französischem Recht sind die Besitzer des Landes verantwortlich für alles, was auf ihrem Grund und Boden passiert, auch für die Sicherheit und die Ursachen etwaiger Unfälle. Es mussten also Vereinbarungen mit Gemeinden und Landbesitzern an der Tarnschlucht ausgehandelt werden.

Aufgrund der Größe und der internationalen Bedeutung des Klettergebiets Tarnschlucht gab sich der Gemeinderat von Saint Georges de Lévejac aber nicht nur mit einem Vertrag mit der lokalen Sektion Causses et Cévennes des französischen Alpenvereins zufrieden, sondern verlangte eine Garantie des Dachverbandes, die Verantwortung für das Klettern zu übernehmen. Im Zuge dessen konnte die Gemeinde Lévejac größere Parzellen Land von Privateigentümern ankaufen.

Aber nicht alle Eigentümer von Landabschnitten der Tarnschlucht konnten zu diesem Schritt bewegt werden. Auslöser für die Diskussionen und Probleme in der Gorges du Tarn war aber der Punkt Sicherheit. Denn in juristischem Sinne ist der Landeigentümer auch für die Sicherheit der Bohrhaken und Umlenker an den Wänden auf seinem Grund und Boden verantwortlich. Nach einem Unfall im September 2010 musste rasch gehandelt werden.

Ein einheimischer Kletterer war in einer relativ neu eingerichteten Route aus acht Metern Höhe auf den Boden gestürzt, weil ein 12-Millimeter-Bohrhaken ausgebrochen war. Was halten dann ähnliche Bolts in alten Routen, war die Frage. In der Folge wurden rund 200 Routen mit zweifelhafter Absicherung ganz oder teilweise ausgenagelt und die Kletterei in der Schlucht stand eine Zeit lang auf der Kippe.

Wie sollte in Zukunft die Sicherheit von über 700 Routen garantiert werden? Ein Plan für die Sanierung musste her und Vorschriften, welches Material in Zukunft verwendet werden darf und welches nicht. Erneut kam ein ganzer Berg Arbeit auf diejenigen Locals zu, denen die Kletterei in ihrer Schlucht am Herzen lag.

Das Ergebnis der ganzen Mühen waren dann 250 sanierte Routen und das Bewusstsein, dass man in einem modernen Klettergebiet nichts mehr dem Zufall überlassen kann. Routen, Ausrüstung und Zustiege werden inzwischen regelmäßig kontrolliert. Das Einbohren neuer Routen ist nur in Absprache mit den Verantwortlichen des Alpenvereins möglich, und jährlich wird ein Arbeitsplan über die erforderlichen Maßnahmen erstellt. Management eines Klettergebiets – man könnte auch sagen, die wilden Horden wurden gezähmt.

Klettern in der Tarnschlucht, neu aufgelegt

Heute können wir aufatmen: Es gibt eine frisch herausgeputzte Gorges du Tarn. Auch der Mangel an Infos hat ein Ende, seit im Sommer 2012 der neue Kletterführer heraus kam. Und wer den aufmerksam studiert, wird merken, dass nicht nur viel saniert wurde, sondern dass rund 200 neue Routen hinzu gekommen sind. Darunter sogar eine ganze Reihe an neuen Sektoren, in denen das Klettern bisher noch nicht offiziell erlaubt war.

Gleich am Anfang der Schlucht, von Les Vignes flussaufwärts, bieten die Wände beim beliebten Aussichtspunkt Pas de Soucy fünf neue Sektoren mit über 70 Routen. Darunter auch die weithin sichtbare Felsnadel Roc Aiguille, bei deren Anblick sich wohl jeder schon gefragt hat, ob man dort nicht klettern kann. Man kann. Drei Mehrseillängenrouten mit bis zu 120 Metern Länge führen auf den markanten Gipfel. Darunter mit Iseki eine für Tarnverhältnisse erstaunlich leichte Route, die einem in der ersten Länge den Grad 5c abfordert. Der Rest ist Genuss im vierten Grad.

Die übrigen vier Sektoren bieten steile, tarntypische Kletterei an perfektem, mit Löchern gespicktem Fels. Die Länge der Routen variiert zwischen 15 und 30 Metern, die Grade in der Hauptsache zwischen 6b und 7b. Im Sektor Tire jus finden sich aber auch noch ein paar härtere Linien. Für eine schlechte Nachricht muss zwischendurch dann aber doch noch Platz sein. Der Sektor Gymnase mit so beliebten Wänden wie Shadocks oder Grand Toit bleibt bis auf weiteres gesperrt, weil hier noch keine Einigung mit den Landeigentümern erzielt werden konnte.

Im Sektor Foetus wurden einige kurze Einsteigerrouten im 4. und 5. Grad erschlossen, während der neue Sektor Triplex denen vorbehalten bleibt, die sich in den Graden von 6c aufwärts bewegen. Neu sind ebenfalls die Sektoren Puerta del Sol im linken Bereich von Dé qué fas aqui und Goomy Land am Ende der Schlucht im Bereich Baumes Hautes. Wer am liebsten im französischen sechsten Schwierigkeitsgrad unterwegs ist, wird sich besonders über die neuen Routen im Bereich l‘entre deux freuen.

Obwohl einige Sektoren mit kürzeren Routen und auch eine ganze Reihe an mittelschweren Kletterrouten dazu gekommen sind, bleibt die Spezialität der Gorges du Tarn Routen, die scheinbar nicht enden wollenden – Ausdauerhämmer mit mehr als 40 Metern Länge, manchmal sogar viel mehr. Hier scheiden sich dann auch die Geister. Viel zu lang und ein völliger Quatsch sagen die einen, ein Riesenspaß, die anderen.

Der Sektor Dé qué fas aqui hat in diesem Punkt einiges Neues zu bieten. Auch die Länge der benötigten Kletterseile ist mit den Routen gewachsen. 80 Meter sind da schon das Minimum, 100 Meter Standard. Viele der langen Routen werden inzwischen mit zwei Seilen geklettert. Ein Seil für die erste Hälfte, das andere für die zweite Hälfte der Route. Eine Technik, die man sich besser vorher genau durchdenkt, bevor man sie zum ersten Mal in der Wand umsetzt.

Im Klettergebiet Gorges du Tarn ist eine neue Ära angebrochen. Aus einem Gebiet, das aus der Kletterszene heraus geboren und unkontrolliert erschlossen wurde, ist ein "professioneller" Kletterspot geworden. Was geblieben ist, ist der perfekte Fels mit fantastischen Routen inmitten einer wildromantischen Landschaft. Was wollen wir mehr?

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Tarnschlucht: Empfehlungen für Einsteiger

Stimmt schon. Die Gorges du Tarn war noch nie bekannt dafür, besonders viele Routen im fünften und unteren sechsten Franzosengrad zu bieten, und in der ersten Auflage des Tarnführers musste man schon etwas suchen um die wenigen leichten Wege zu finden. Ein Grund dafür war bestimmt auch, dass die geneigteren Wandpartien mehr Vegetation aufweisen und die Erschließung mehr Arbeit ist.

In den letzten Jahren haben die Erstbegeher in der Tarnschlucht aber keine Mühen gescheut, auch leichtere Kletter-Routen einzurichten. Extra für Kletternovizen wurden zwei Sektoren eingerichtet. Foetus École liegt links vom Sektor Foetus Bas und bietet zehn kurze Routen von 4+ bis 6a. Der zweite, Face au Figues, mit sechs Routen von 4 bis 5b liegt direkt an der Straße gegenüber von Dés qué fas aqui.

Die restlichen leichteren Routen verteilen sich auf fast alle Sektoren der Schlucht. Manchmal gab der Fels, wie etwa im Sektor Oisif oder Planète Causse, nur eine oder zwei Routen im unteren sechsten Grad her. Die meisten leichteren Routen erblickten in den Sektoren Foetus Bas (zusätzlich zum Einsteigersektor), am Wandfuß von Dés qué fas aqui und an den Felsen von L‘Entre deux das Licht der Kletterwelt.

Klettern in der Tarnschlucht in allen Schwierigkeitsgraden

Heute gibt es etwa 70 Routen von 5 bis 6a+, wobei einige davon relativ kurz sind und nicht unbedingt eine Anreise von 1000 Kilometern lohnen. Manche aber sind echte Meilensteine in ihrem Schwierigkeitsgrad und gehören auf jeden Fall auf die Wunschliste.

Da wäre etwa Jeux de Plage im Sektor L‘Entre deux und Nulle part ailleurs im Sektor Dés qué fas aqui, zwei tarntypisch lange 6a-Routen (bis 38 Meter). Wer noch etwas Respekt vor den ganz langen Sachen hat, sollte sich im Sektor L‘Entre deux die Routen Just married (6a+), La Cave ou le Rock est fort (6a+), Convoqués pour le Bac (6a+) oder Jamais 203 (6a) anschauen sowie die Routen im Sektor Club House, alles Klettereien in bestem löchrigen Tarnkalk.

Noch nicht genug? Dann stattet doch einmal der Jonte-Schlucht oder dem Klettergebiet Boffi in der Gorges de la Dourbie einen Besuch ab (siehe nächste Seite). Die Auswahl an Genuss ist dort phänomenal.

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Tarnschlucht: Info rund ums Klettern in der Tarnschlucht

Die Gorges du Tarn befindet sich zwischen den Städten Millau und Mende rund 100 Kilometer Luftlinie nordwestlich von Montpellier. Der nächstgelegene Ort zu den Klettergebieten ist Les Vignes. Derzeit existieren rund 700 Routen.

In der Regel spielt sich die Kletterei an scharfkantigen Löchern ab. In manchen Sektoren sind zur Abwechslung aber auch mal Leisten oder Aufleger zu halten. Geneigte Platten sucht man vergeblich. Geklettert wird meist in der Senkrechten oder jenseits davon – von leicht abdrängend bis brachial überhängend ist alles geboten.

Anreise:
Von Deutschland am besten auf der A36 über Besançon, bis bei Beaune die A6 kreuzt. Weiter auf dieser nach Süden bis zur Ausfahrt Chalonsur- Saône Sud. Nun erst auf der N80, dann auf der N70, N79 und N1079 über Montceau-les-Mines Richtung Moulins, bis südlich der Stadt die N9 kreuzt (alles größtenteils drei- und vierspurig ausgebaut). Nun auf dieser Richtung Süden nach Gannat und hier auf die A719, die in die A71 mündet. Auf dieser über Clermont-Ferrand bis zur Ausfahrt 42 "Sevérac-le-Château". Von hier über Le Massegros nach Les Vignes. Von der Schweiz über Lyon und St.-Etienne nach Clermont-Ferrand und weiter wie oben.

Übernachtung:
Camping Le Beldoire, direkt südlich der Klettersektoren zwischen Les Vignes und dem Pas de Soucy: www.camping-beldoire.com. Camping La Blaquière (Spielplatz, kinderfreundlicher Strand), flussaufwärts zwischen den Klettergebieten und La Malène: www.campinggorgesdutarn.fr. Camping Terrados in Les Vignes: www.campingleterrados.fr. Camping Municipal de Brouillet in Le Rozier am Zusammenfluss von Tarn und Jonte (sinnvoll, wenn man auch in der Jonte- und der Dourbie-Schlucht klettert), www.camping-lerozier.com. Die Campingplätze sind meist von Ostern bis Mitte/Ende September geöffnet. Im Umkreis gibt es auch mehrere Gîtes (www.gites-de-france.fr). Oder: Gästehaus von Ruth & Jürgen Dewess in Cabrières, im Frühjahr ab Mitte April und im Herbst bis Anfang November geöffnet; Übernachtung ab 16 €/Person/Tag: www.cabrieres.net. Weitere Infos unter www.office detourisme-gorgesdutarn.com, www.gorgesdutarn-sauveterre.com oder www.lozeretourisme.com

Verpflegung:
Kleinere Läden gibt es in Les Vignes, La Malène und Le Rozier, größere Supermärkte und einen Kletterladen ("Horizon", 6 Place Lucien Grégoire – Place Foch, www.horizon-millau.com) finden sich im knapp 40 Kilometer entfernten Millau, dessen Altstadt außerdem zum Bummeln einlädt.

Material:
Da viele Routen 30 Meter oder länger sind, ist ein 70-Meter-Seil Pflicht. Teilweise ist sogar ein 80- oder 100-Meter- Seil erforderlich. Für manche der bis zu 70 Meter langen Routen benötigt man um die 20 Exen.

Absicherung:
Seit der Sanierung ausnahmslos mit guten Bohrhaken oder Bühlern. Die Hakenabstände werden allerdings in der Regel mit zunehmender Höhe immer größer – das heißt: zu Beginn der Routen gewohnt südfranzösisch, zum Umlenker hin sind Runouts von fünf oder mehr Metern nicht ungewöhnlich.

Tipp:
Da die Parkmöglichkeiten bei manchen Sektoren sehr begrenzt sind, empfiehlt es sich, ein Fahrrad dabei zu haben. Vom Camping Beldoire sind es weniger als vier Kilometer zum am weitesten entfernten Sektor!

Beste Jahreszeit:
Ende April bis Mitte Juni sowie September bis Mitte Oktober. An Ostern respektive im Spätherbst kann man Glück haben, es kann aber auch recht kühl sein. Im Sommer wird es in der Regel zu heiß.

Und sonst? Benachbarte Klettergebiete:

Gorges de la Jonte
Das kleine Flüsschen Jonte hat ebenso wie der Tarn eine tiefe Schlucht in die Hochebene der Causses gegraben. Die Felsen am Nordufer, die wegen ihrer Höhe und beeindruckenden Formen als erste der Region beklettert wurden, sind heute weniger besucht. Zu Unrecht, den die Routen mit bis zu sieben Seillängen bieten Kletterei der Extraklasse und spektakuläre Tiefblicke. Für Genusskletterer ist die Gorges de la Jonte ein Paradies, denn vor allem die leichten und mittelschweren Routen suchen ihresgleichen. Die Wände werden von Le Rozier aus erreicht und bieten rund 400 Routen, die die etwas längeren Zustiege definitiv lohnen.

Gorges de la Dourbie
Die dritte im Bunde ist die südlichste der Trois Vallées des Kletterns. Mit "Le Boffi" und "Cantobre" sind in der Gorges de la Dourbie derzeit zwei recht unterschiedliche Klettergebiete erschlossen. Cantobre ist den Hardmovern vorbehalten und bietet rund 80 Routen, vorwiegend in Schwierigkeitsgraden ab 7a aufwärts. Ganz anders Le Boffi. Das am Schluchtende gelegene Gebiet beherbergt über 200 Routen von 4b bis in den neunten Franzosengrad, darunter viele lohnende Klettereien von 5 bis 6b. Die längsten davon, wie etwa Retour au Source (5c) sind bis zu drei Seillängen lang.

Alternativen für Ruhetage

Die Tarnschlucht ist auch ein Paddelparadies, Kanus gibt‘s an jeder Ecke zu leihen. Die üblichen Strecken reichen dabei entweder von La Malène bis kurz vor den unbefahrbaren Pas de Soucy oder von Les Vignes weiter flussabwärts.

Auch unter der Erde hat die Gegend viel zu bieten. Die gewaltigen Tropfsteinhöhlen unter den Karsthochflächen der Causses sind schon fast Pflicht. Zu den schönsten gehören die Grotte de Dargilan (www.grotte-dargilan.com) und die Grotte de l‘Aven Armand (www.aven-armand.com)

Wer Geier einmal aus nächster Nähe sehen will, kann dies in der Gorges de la Jonte tun, wo sie beim Klettern ständig über einem Kreisen. Ein Besucherzentrum und ein Aussichtsspunkt laden dazu ein (www.vautours-lozere.com

So ganz nebenbei eignet sich die Gegend auch noch hervorragend zum Wandern und Radfahren. Ob mit Rennrad oder Mountainbike, ob über die einsamen Hochflächen oder durch die Schluchten bleibt dabei jedem selbst überlassen.

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