Bouldern am Meer
Mit Board und Bürste - Kerlouan

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Bouldern in der Bretagne und Normandie: Die Blöcke an der französischen Küste sind nicht von schlechten Eltern. Ein Überblick übers Bouldern bei Kerlouan und Calais.

KL Bouldern bei Calais
Foto: Daniel Pohl

Bouldern in der Bretagne

(Text: Udo Neumann)
Im Supersommer 2003, der ja für Kletterer gar kein Supersommer, sondern einfach nur unerträglich heiß war, „entdeckten“ wir die Bretagne. Praktisch die ganze Küste besteht aus boulderbarem Granit, und die Surfspots sind fantastisch. Beim Bouldern sticht besonders Kerlouan heraus, das man sich wie Hampi am Ozean vorstellen muss. Über 14 Kilometer erstreckt sich hier eines der ganz großen Bouldergebiete Europas, das aber noch weitgehend unbekannt ist.

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Impressionen vom Küstenbouldern in Frankreich:

Landschaftlich ist die Bretagne ohnehin der Hammer, und das Bouldern ist wirklich gut. Nicht gut genug, um aus dem Averstal oder dem Tessin nur fürs Bouldern anzureisen, aber dafür voller Möglichkeiten für Erforschungen und Erstbegehungen. Der Granit ist ähnlich dem des Fichtelgebirges, ihm fehlt für die höchste Qualitätsstufe der veredelnde Gletscherschliff. Spots wie der Point de Grouin laufen bei Flut wegen des 14 Meter hohen Tidenhubs komplett zu und geben einem bei Ebbe den Eindruck, man wäre der erste Mensch hier.

Ich genieße es, von Block zu Block zu springen und die attraktivsten Linien zu klettern. Dabei suchen wir nicht nach besonderen Schwierigkeiten, erstmal alles probieren, was gut aussieht, ob's klappt, sehen wir dann ja …
Wenn alles so läuft, wie ich mir das wünsche, sprich morgens geil bouldern und nachmittags surfen (andersrum funktioniert gar nicht!), dann bin ich zwar happy und ausgeglichen, allerdings nach ein paar Tagen körperlich am Ende! In der Bretagne ist’s eigentlich immer ein Traum, eben weil man dort die unterschiedlichen Aktivitäten kombinieren kann.

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Info Bretagne

Wo isses?

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De facto gibt es entlang der gesamten Küste der Bretagne Granitblöcke, die größte Konzentration findet sich aber nahe des Städtches Kerlouan an der Nordküste. Für surfende Boulderer ist St. Guénolé südwestlich von Quimper ein heißer Tipp, wartet hier doch direkt nebenan einer der Topspots in Europa. Etwas weiter östlich, bei Lesconil, gibt‘s weitere geniale Blöcke.

Impressionen vom Küstenbouldern in Frankreich:

Wie isses?

Vom verblockten Highball bis zum Plaisirboulder am Sandstrand ist hier alles geboten, dazu alle erdenklichen Griffformen und Boulder vom reinen Bewegungsproblem bis zum Fingerkiller. Wer sich nur für Grade interessiert, wird hier kaum glücklich, ein wenig Abenteuerlust und Freude am Entdecken sollte man schon mitbringen. Die meisten Gebiete sind auch ideal mit Kindern, ein Seekajak hilft bei Erkundungstouren. Beste Zeit zum Bouldern sind Frühjahr und Herbst, im Prinzip kann man aber das ganze Jahr bouldern – wenn es Gezeiten und Wetter zulassen.

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Hinter der Steilküste - Calais

Bouldern in der Normandie

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Archiv Pohl
Daniel Pohl genießt den Sandstein der Pointe du Riden.

(Text: Daniel Pohl)
Die Suche nach Boulderblöcken kann wunderbar sein. Vor allem wenn man einen guten Anhaltspunkt hat. Seit fast 20 Jahren bin ich nun auf der Suche. Früher war das ein ziemlich erfolgloses Herumstochern. Nach und nach habe ich Tricks und Kniffe gelernt. Und zum Schluss stand dann plötzlich die große Belohnung vor mir: die Blöcke vom Cap Gris-Nez.

Impressionen vom Küstenbouldern in Frankreich:

Fragt mich bitte nicht, wie die vorher übersehen werden konnten. Drei Kilometer Blockmeer zwischen Paris und London, 200 Kilometer von Brüssel und Antwerpen entfernt. Tag für Tag fahren Fähren auf dem Weg von Boulogne-sur-Mer nach Folkstone an der Küste vorbei. Aber kein Hinweis, dass vor uns schon ein Mensch mit Boulderschuhen hier war. Eine Veröffentlichung gibt es jedenfalls nicht. Umso größer war die Überraschung, als uns klar wurde, dass sich hier hinter der Steilküste ein Paradies erstreckt.

Eine Karte über die Gezeiten, gutes Schuhwerk und Zeit sind nötig. Zum Teil erreichen die Blöcke sechs Meter Höhe, an anderen Stellen sind sie zu riesigen Steinmännern übereinander gestapelt. Ein wenig Abenteuerlust gehört halt dazu, wenn man sich an der nordfranzösischen Küste herumtreibt.

In Calais ist der große Vorteil, dass die Sandsteinblöcke nicht von Flechten bewachsen sind. Man braucht praktisch nicht zu putzen. An den zerbrochenen „Donuts“ gibt es tolle, oft überhängende Kanten. Auch kniffelige Platten mit kaum sichtbaren Slopermulden und runde Mantleausstiege gibt es in allen Variationen. Dass man im Blockmeer auch bestialisch schwierige Linien finden kann, hat Jérôme de Boeck aus Brüssel zeigen können. Sein tolles Projekt am „Doigt du titan“ wartet noch auf einen Durchstieg.

Das nordfranzösische Leben, der Sandstein, der raue Wind und die Wellen, das Meer und die Strände, es gibt viele Gründe hier am Cap Gris-Nez mal vorbeizuschauen. Die Zeit und die Kletterer werden hoffentlich diesen traumhaften Küstenabschnitt zu einer wunderbaren Boulderadresse werden lassen. Ein Stück Abenteuer wird hier aber wohl immer dabei bleiben, so dass auch in Zukunft noch viele ihrem Entdeckerdrang freien Lauf lassen können.

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Info Calais (plus Topo)

Wo isses?

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Das Cap Gris-Nez befindet sich zwischen Calais und Boulogne-sur-Mer. Der Zugang erfolgt über einen steilen Abstieg vom kleinen Weiler Cran aux Oefs, der zwischen dem netten Ort Audresselles und dem Kap liegt.

Impressionen vom Küstenbouldern in Frankreich:

Wie isses?

Der Sandstein ist feinkörnig und rau. Am ersten Klettertag fühlt er sich im Gegensatz zum grobkörnigen Granit der Bretagne sehr angenehm an. Allerdings wirkt die Reibung wie Schmirgelpapier. Ein bis zwei Tage reichen meist, um die Haut herunterzuklettern. Im Hauptsektor rund um die Pointe du Riden existieren derzeit etwa 35 erschlossene Probleme, ringsherum gibt es aber noch viel mehr zu entdecken.

Topos:

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10 / 2023

Erscheinungsdatum 12.09.2023