- Info zum Klettern im Burgund
- Überblick: 9 interessante Klettergebiete rund um Dijon
- Story: Klettertrip zu den Gebieten rund um Dijon
Die Alpen – in den Sommerferien zu voll. Der Süden – zu heiß. Der Norden – zu weit weg. Wie wäre es stattdessen mit einem Trip in die Mitte Frankreichs? Rund um Dijon warten eine Reihe interessanter Klettergebiete – weit mehr, als wir hier vorstellen können. In diesem Artikel listen wir die neun spannendsten Gebiete, samt Info zu Unterkünften und sonstigen Aktivitäten.

Generelles zu Burgund & Co.
Burgund ist eine Region, die sich etwas östlich der geographischen Mitte Frankreichs rund um die Stadt Dijon erstreckt. Abgesehen von einigen Städten ist es überwiegend eine sehr ländliche und ruhige Gegend, die von Wein- und Ackerbau und von der Viehzucht lebt.
Das ebenfalls im Artikel beschriebene Baumes-les-Dames liegt unweit der Autobahn A36 in der Region Franche-Comté und damit im französischen Jura. Von Mulhouse an der deutsch-französischen Grenze ist es eine starke Fahrstunde entfernt.

Die besten Kletterziele in der Bourgogne
Die wichtigsten Kletterziele stellen wir euch unten im Detail vor. Es gibt aber noch viele weitere Möglichkeiten, insbesondere entlang der Côte d‘Or südlich von Dijon (z.B. Remigny, Bouilland, Mont Rome). Auch der französische Jura weist südlich von Besançon noch viele lohnende Wände auf wie Rurey, Brême oder Hautepierre.
Anreise: Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist schwierig bis unmöglich, da die meisten Felsen weit ab vom Schuss liegen. Entlang der Yonne und damit zu den Felsen von Saussois, Rochers du Parc und Surgy führt ein Radweg. Die Wände von Beaume-les-Dames sind vom Campingplatz gut mit dem Fahrrad und mit etwas Zeitaufwand (30 bis 60 ebene Minuten) auch zu Fuß zu erreichen.

Abseits des Kletterns
Radfahren und Kanalboote sind sowohl in Burgund als auch entlang des Doubs (Baume-les-Dames) sehr beliebt. Dijon und Besançon sind sehenswerte Mittel- bis Großstädte, besonders Dijon beeindruckt mit seinem mittelalterlichen Stadtkern. Nördlich von Saussois & Co. warten in Auxerre eine schöne Fachwerk-Altstadt, eine beeindruckende Kathedrale und ein weltberühmter Uhrturm ("Tour d‘horloge"). Wer es Richard Löenwherz und Franz von Assisi nachtun will, pilgert zur UNESCO-geschützten Basilika Ste-Madeleine in Vézelay, wo die Gebeine der heiligen Maria Magdalena liegen. Ebenfalls einen Besuch wert ist das Städtchen Avallon, rund 30 km von Saussois entfernt.
Unterkünfte für Kletterer
Saussois & Co: Camping Merry-sur-Yonne im gleichnamigen Ort. Kleiner, freundlicher und relativ ruhiger Zeltplatz mit Bar und Restaurant und sehr bescheidenem Lebensmittellädchen. Die Felsen von Saussois sind in 20 Minuten zu Fuß zu erreichen, Rochers du Parc ebenfalls nicht weit. Nach Surgy sind es etwa 20 Fahrminuten.
Saffres: Camping Municipale Vitteaux. Sehr ruhiger und einfacher Campingplatz im Grünen am Ortsrand von Vitteaux. Nach Saffres sind es ca. 10 Fahrminuten.

Cormot: Camping la Bruyère in Nolay: ruhiger, freundlicher Campingplatz ohne Einkaufsmöglichkeiten. Alternativ, wegen der Lage an einem kleinen Badesee aber viel voller: Camping les Chaumes Du Mont ebenfalls in Nolay.
Fixin: Camping Relais des Hautes-Côtes: liegt auf dem Plateau westlich von Fixin am Rand von Chamboeuf. Kühle, ruhige Lage, im Sommer sehr belebt; Pizzeria und Bar inklusive.
Baumes-les-Dames: Camping Domaine d‘Aucroix: schöner Platz in ruhiger Lage an der Doubs gegenüber von Baumes-les-Dames. Es gibt Bier und Brot zu kaufen, ansonsten nicht viel.
Überblick: 9 interessante Klettergebiete rund um Dijon
Franche-Comté: Direkt in Ortsnähe von Baume-les-Dames liegen die wichtigsten Sektoren.
Sous Buen

Einige schöne Pfeiler und eine langgezogene Wand dahinter mit rund 160 Routen von 3 bis 7c. Schwerpunkt zwischen 5b und 6c. Sehr schöne Wandklettereien an löchrigem Fels mit bis zu 35 Metern, senkrecht bis überhängend. Nur durch eine breite Wiese vom Doubs entfernt und angenehm ruhig (kein Straßenlärm).
Beste Zeit: Ausrichtung nach Osten, Wandfuß teils leicht bewaldet. Im Sommer ab Spätnachmittag gut, im Frühjahr und Herbst ideal.
Quint und Beaumerousse

Zwei rund 3 Kilometer westlich von Baumes-les-Dames gelegene Felsriegel überm Doubs. 180 Routen in Quint mit Schwerpunkt von 6b bis 8b. Rund 60 Routen in Beaumerousse, Schwerpunkt 5b bis 7b. Beide Wände sind vom gleichen Parkplatz in rund 3 bis 10 Minuten zu erreichen.
Beste Zeit: Ausrichtung nach Südwest. Beaumerousse ist bewaldet, daher auch im Sommer morgens möglich. Ansonsten für beide Frühjahr und Herbst ideal, klettern an warmen Wintertagen in Quint möglich.
Burgund (Bourgogne): Die schönsten Felsen im Tal der Yonne und rund um die burgundische Hauptstadt Dijon.
Rochers du Parc

Langer Felsriegel an der Straße D130, die von Saussois nach Mailly-le-Château führt. Im linken Teil eher kurze Kletterereien (10 – 15 m), im rechten Teil (Foto) bis zu 30 Metern. Sehr interessante Klettereien in mittleren Sportklettergraden (vorwiegend 5c bis 7c) an festem, löchrigem und kaum abgespecktem Kalk. Senkrecht bis plattig, gelegentlich auch überhängend und sportlich. Insgesamt circa 160 technisch eher anspruchsvolle Routen, aber immer gut gesichert.
Beste Zeit: Frühjahr und Herbst. Der Wandfuß ist vom Wald beschattet, dadurch auch an Sommertagen bekletterbar (oder zumindest sicherbar), im Winter eher zu kalt. Ausrichtung nach Westen.
Saussois

Eine Kette von bis zu knapp 60 Meter hohen Felsen direkt über der Yonne. Über 180 Routen von 4c bis 8c in meist perfektem, löchrigem Kalk und mit guter Absicherung. Wenige schöne leichtere Routen bis 5b/c, richtig interessant wird es aber erst ab 6b aufwärts. Überwiegend Einseillängen-Routen, die längsten Routen haben drei (kurze) Seillängen.
Beste Zeit: Ausrichtung nach Süden und kein Wald am Wandfuß, daher im Sommer zu heiß. Gut im Frühjahr und Herbst und an warmen Wintertagen.
Surgy

Große, klobig zergliederte Felsgruppe etwa 4 Kilometer nördlich von Clamecy. Rund 300 Routen von 2+ bis 8c, sehr breite Streuung der Grade, sehr viel im mittleren Bereich (5a bis 7a). Dunkler Kalk mit diversen Rissen und oft kleinen Löchern, dadurch ist oft eine gute Fußtechnik gefordert. Senkrecht bis überhängend. Die Absicherung ist manchmal etwas sparsamer als in Rocher les Parc, aber nicht gefährlich.
Beste Zeit: Frühjahr und Herbst. Nach Osten und Südosten orientiert, damit nachmittags schattig und teils Wald am Wandfuß, von daher auch im Sommer möglich. Allerdings wird der dunkle Fels sehr warm.
Cormot

Hauptwand: Langer, quergeschichteter Felsriegel mit 30 bis 40 Metern Höhe. Viele Risse und Verschneidungen. Generell senkrecht bis leicht überhängend. Rund 170 Routen von 4a bis 7c+. Im linken Teil viele leichte Routen von 4a bis 5c, sonst Schwerpunkt im sechsten Franzosengrad. Bequemer, fast ebener Zustieg vom Parkplatz (ca. 10 min.).
Beste Zeit: Ausrichtung nach Süden, Wald am Wandfuß. An heißen Sommertagen nur vormittags erträglich. Gut im Frühjahr und Herbst und an warmen Wintertagen.
Gateau: Kleine Felsgruppe wenige Minuten südlich des Parkplatzes für Cormot. Die relativ freistehenden Wände und Gipfelchen erreichen maximal 15 Meter und sind nach allen Seiten ausgerichtet. Rund 50 Routen von 2 bis 7b, Schwerpunkt 5a bis 6a. Insgesamt freundliches Gelände, auch für Kinder.
Beste Zeit: An warmen Sommertagen zu heiß. Gut im Frühjahr und Herbst und an warmen Wintertagen.
Le Bout du Monde:
Langer, steiler Felsriegel mit steilem Zustieg (10 – 15 min.). Weißer, überwiegend feinstrukturierter Kalk mit vielen kleinen Leisten und Löchern. Der Führer verzeichnet knapp 60 Routen von 7a bis 9a, es gibt aber schon einige mehr. Gute Absicherung.
Beste Zeit: Von Januar bis Ende Juli zum Schutz von Wanderfalken gesperrt! Ausrichtung nach Osten, gut im Herbst, im Winter zu kalt.
Saffres

Ähnlich wie Cormot ein langer Felsriegel mit teils ausgeprägter Querschichtung, teils kompakten Wänden und vielen Rissen. Senkrecht bis leicht überhängend und bis zu 35 Meter hoch, vereinzelt etwas blockig. Über 400 Routen von 2 bis 8a, breite Streuung der Schwierigkeiten. Der vorgelagerte große Turm (Foto) bietet eine schöne Auswahl an erstklassigen Routen zwischen 5c und 6b. Bewertungen insgesamt eher hart, aber gut gesichert.
Beste Zeit: Nach Süden ausgerichtet, Wandfuß aber vom Wald beschattet. Im Sommer möglich in der Schlucht zwischen Turm und Hauptmassiv, ansonsten Frühjahr und Herbst ideal.
Fixin

Von den Weindörfern entlang der Côte d‘Or südlich von Dijon aus haben sich mehrere kleine, felsbestandene Täler ins westlich gelegene Hochplateau gefressen. Eines davon liegt sehr schön und ruhig oberhalb des Örtchens Fixin. Längerer Felsriegel von sehr unterschiedlicher Felsqualität, teils kompakt, teils sehr blockig. Über 200 Routen von 3c bis 8c+ und bis 35 Meter Höhe, wobei generell gilt: je härter, desto fester.
Beste Zeit: Ausrichtung nach Süden. Im Sommer sehr heiß, ideal im Frühjahr und Herbst, auch an warmen Wintertagen möglich.
Ein Klettertrip zu den Gebieten rund um Dijon
Die Täler und Hügel Burgunds erinnern oft an heimische Gefilde. Mittelalterliche Städte erzählen von früher, und an vielen Ecken verstecken sich Felsen, an denen zu Beginn der Sportkletterära französische Klettergeschichte geschrieben wurde.

Hätte man mich als 12-Jährigen gefragt, was ich werden wollte, hätte ich ganz sicher nicht Alpinist gesagt, sondern Astronaut. Ich verschlang haufenweise Science-Fiction, Kosmos-Lehrbücher über Erde und Mond und fand ganz allgemein die Weiten des Weltalls ungeheuer faszinierend.
Spulen wir ein paar Jahrzehnte vor: Inzwischen ist meine ernsthafte Alpinistenkarriere schon eine Weile vorbei, ich schlage mich als sportkletternder Redakteur durchs Leben. Astronaut bin ich nicht geworden, aber ich spiele in einer Garagenband. Eins unserer Lieder – es stammt nicht von mir – heißt "Parallele Welten". Was mich an einen alten Science-Fiction-Film erinnert, in dem es eine Parallel-Erde gab, die sich genau hinter der Sonne versteckte, so dass wir sie nie entdeckten, und wo alles war wie auf unserer Erde, nur spiegelverkehrt – oder so ähnlich.
Zwischenstopp in Baumes-les-Dames
Sommer 2019: Sandra und ich brechen auf zu neuen Ufern. Die Alpen – in den Sommerferien zu voll. Der Süden – zu heiß. Der Norden – zu weit weg. Stattdessen beschließen wir, einen Trip in die Mitte Frankreichs zu machen, nach Burgund. 2004 flatterte ein englischsprachiger Kletterführer über die Region rund um Dijon in die Redaktion und machte mit vielen Bildern Lust, die Mittelgebirgsfelsen des Nachbarlandes persönlich auf Klettertauglichkeit zu überprüfen. Kaum 15 Jahre später machen wir uns auf den Weg, nicht wissend, dass wir zu einer Reise auf die Parallel-Erde unterwegs sind.

Mulhouse, Besançon, Lyon: Die Strecke kennen wir von vielen Südfrankreichfahrten. Immer wieder sind wir dabei an den Klettergebieten des französischen Jura, den Tälern von Doubs und Loue vorbeigerauscht. Doch dieses Mal nicht, wir sind in Entdeckerlaune. Unser erster Zwischenstopp auf dem Weg nach Burgund heißt Baume-les-Dames. Die kleine Stadt am Fluß Doubs liegt rund 15 Kilometer östlich von Besançon und soll einen ganzen Schwung lohnender Felsen aufweisen.
Der Zeltplatz ist sonnig und heiß, der Sommer 2019 macht keine Ausnahme bei der Erderwärmung. Dennoch stehen wir gleich am ersten Abend unter den Felsen von Sous-Buen, direkt am Ortsrand von Baume-les-Dames gelegen und nur durch eine Wiese vom Doubs getrennt. Es ist warm, aber die nach Osten gerichtete Wand ist im Sommer zumindest ab 16 Uhr im Schatten. Und die Tage sind lang.
Der erste Felskontakt im neuen Gebiet macht Laune. Fester, löchriger Kalk leitet durch eine schöne Wand, ein steiler Pfeiler daneben bietet ebenfalls reine Genusskletterei im Grad 5c+. Ein Stück weiter kommt das erste Mal richtiges Hochgefühl auf: Le Pilier des pirates (6a+) führt senkrecht und griffig in den Abendhimmel. Es fühlt sich an wie eine Mischung aus Konstein und Donautal. Wenig später entdecken wir weitere Parallelen: Bonjour aux amis belges (6c) könnte genau so auch am schwäbischen Römerstein zu finden sein. Die ersten drei Meter ein bisschen splittrig, dann fester Kalk mit scharfen, kleinen Löchern und technisch anspruchsvollen Zügen – klasse.

Was wir ebenfalls feststellen: Wie zuhause ist auch hier nicht alles perfekt. Der große Sektor Quint, wunderbar überm Doubs gelegen, sieht zwar prima aus und bietet 180 Routen, vorwiegend zwischen 6b und 8c+/9a. Ist allerdings keinesfalls sommertauglich, sondern eher was für Herbst und Frühjahr. Der daneben gelegene Sektor Baumerousse ist eher plattig senkrecht. Liebhaber winziger Leisten und schlechter Tritte kommen hier auf ihre Kosten – auch im Sommer, denn der Wald am Wandfuß spendet willkommenen Schatten.
Drei französische Kletterer namens Hans
Der nächste Tag führt uns weg von Baume-les-Dames und endlich nach Burgund. Ein Zwischenstopp in Beaune, einem beliebten Touristenort in der Côte d‘Or genannten Weinregion südlich von Dijon, ist der Auftakt zu einer Reihe von Stadtbesichtigungen, die auf der Fahrt durch Burgund das Kletterprogramm wunderbar ergänzen. In Frankreich steht wirklich noch ganz schön viel altes und sehenswertes Zeug herum. Hier kommen nicht nur Kleine-Griffe-Halter, sondern auch Kulturbeflissene auf ihre Kosten.

Unser erstes Kletterziel in Burgund heißt Cormot. Die Felswände liegen in der Nähe des Städtchens Nolay und teilen sich in drei ganz unterschiedliche Sektoren auf: Da gibt es die klassische Felswand von Cormot, ein mehrere hundert Meter breiter und knapp 40 Meter hoher Felsriegel, der – um beim Thema "Parallele Welten" zu bleiben – daherkommt wie eine riesige Ausgabe der Hessigheimer Felsengärten. Die kennt nun außerhalb der Kletterszene des Großraums Stuttgart genauso wenig jemand wie Cormot, deshalb kurz die Beschreibung: gebankter Kalk (das heißt starke horizontale Schichtung) mit senkrechten Klüften (das heißt Risse und Verschneidungen), meistens sehr fest, manchmal etwas blockig. Senkrecht bis leicht überhängend, auf jeden Fall steil genug, um dicke Arme zu bekommen.
Auch in Burgund scheint im Sommer die Sonne, die südwestliche Ausrichtung der Hauptwand in Cormot erlaubt das Klettern deshalb nur kurz am Vormittag. Wir starten mit La Bulle, 35 erstklassigen Metern im Grad 5c, und hängen dann Kim (6a), eine der Vorzeige-Routen in Cormot, an: Über eine kleingriffige Wand geht es senkrecht nach oben, kleine Rissspuren würzen die Kletterei. Der Fels ist grandios, und vom Umlenker reicht es mit einem 70-Meter-Seil gerade so wieder herunter – perfekt. Dann ist auch schon die Sonne da und wir sind wieder weg. Es bleibt noch Zeit, die kleine Felsgruppe des Gateau mit ihren zahlreichen Einsteigerrouten zu besichtigen, ehe wir auf einem schattigen Plätzchen des Campingplatzes in Nolay beginnen, die heißeste Zeit des Tages wegzudösen.
Um dann am Spätnachmittag zum zweiten großen Sektor von Cormot aufzubrechen: Baderne (oder Le Bout du Monde, das Ende der Welt) heißen die steilen, weißen Wände, die sich hinter der Ortschaft Vauchignon im Talschluss erheben. Zwar gibt es auch an der Hauptwand von Cormot einige härtere Wege bis 7c+, doch die Grade 5c bis 6c überwiegen dort bei weitem. Ganz anders in Le Bout du Monde: Hier beginnt die Skala knochentrocken bei 7a, und das sind die Aufwärmrouten. Also nicht für uns, für uns ist das fast das obere Ende der Skala, noch dazu an einem Nachmittag, an dem die Lufttemperatur rund 30 Grad beträgt.

Eine Weile warten wir am Wandfuß, dass sich der Fels noch etwas abkühlt, und versuchen, jeden Lufthauch, der das Tal heraufweht, zu erhaschen. Dann machen wir uns endlich an die immer noch schweißtreibende Arbeit, Ponita (7a) eine Rotpunktbegehung abzuringen. Und treffen auf völlig anderen Fels als in Cormot: erst eine kleingriffige Boulderstelle, dann eine steile, griffige Schuppe, dann ein wackeliger Aufrichter und noch ein paar anstrengende Meter zum Umlenker. Keine Spur von paralleler Schichtung, dafür nach oben immer steiler werdende, abwechslungsreiche Kletterei. Kein Wunder, dass in diesem Sektor in den letzten Jahren die Musik spielt. Inzwischen reichen die Schwierigkeiten bis zum Grad 9a.
Cormot ist auch der Ort, wo wir einem von drei bekannten französischen Kletterern begegnen, die uns auf diesem Trip begleiten. Also nicht in persona. Sondern in Form von Routen und Wegen. Alle drei heißen übrigens Jean, also Hans. Rund um Nolay führt der knapp 50 Kilometer lange "Circuit Jean-Marc Boivin", benannt nach dem bekannten französischen Alpinisten. Der wurde 1951 im nahen Dijon geboren und kletterte auch regelmäßig in Cormot und Le Bout du Monde. Bekannt wurde er durch eine schnelle Solobegehung der Eiger-Nordwand sowie viele Erstbegehungen und Enchainements im Montblanc-Gebiet. 1990 starb er bei einem Base-Jump-Unfall an den Angel Falls in Venezuela. Der nach ihm benannte Wanderweg führt übrigens direkt auf den Felsen von Cormot entlang und bietet fantastische Ausblicke über die Region.
Barfuß, solo und mit verbundenen Augen
Der Sommer 2019 fällt wie schon erwähnt heiß aus. Als die Vorhersage Temperaturen von über 40 Grad im Zentrum von Frankreich ankündigt, beschließen wir, die Flucht zu ergreifen und fahren in die Bretagne ans Meer. Tatsächlich zeigt die Temperaturanzeige im gekühlten Wageninneren irgendwo bei Bourges – das liegt knapp nördlich des geographischen Zentrums von Frankreich – 42,5 ° Celsius Außentemperatur an. Wenn du da an einer Mautstelle der Autobahn den Arm mit der Kreditkarte kurz aus dem Autofenster streckst, kommt er als gegrilltes Hähnchen wieder zurück.

Die Bretagne mit ihren Menhiren, mittelalterlichen Städten und zerklüfteten Küsten ist sehr schön und gleich mal zehn Grad kühler als das Landesinnere. Das wissen aber nicht nur wir, sondern auch ganz viele andere Menschen, insofern sind wir hier nirgendwo allein. Auch nicht am Pointe de Pen-Hir, einem felsigen Vorsprung ganz am Westende Frankreichs. Um es kurz zu machen: Wer hier ist, sollte sich das Klettern an den Felsen direkt überm Meer nicht entgehen lassen. Der Kalk sieht merkwürdig zerfasert aus, ist aber fest und bietet vor allem in den unteren Graden viele Möglichkeiten. Extra deshalb anreisen muss man als Kletterer aber nicht.
Knapp eine Woche später haben sich die Temperaturen im Landesinnern wieder beruhigt und wir können endlich zum eigentlichen Kletterziel unseres Sommerurlaubs vordringen: Rund zwei Stunden südlich von Paris liegen mit Saussois, Surgy und Rochers du Parc die Hausfelsen der Pariser Kletterszene. Jean Claude Droyer, der zweite "Hans" in unserer kleinen Franzosenrunde, schrieb schon 1981 in der Erstausgabe des legendären deutschen Klettermagazins "Boulder" sinngemäß: Die Klettergebiete der Provence seien bereits wohlbekannt, "während nur wenige die Kletterzentren der Bourgogne kennen, geschweige denn besucht haben". Daran hat sich bis heute wenig geändert. Auf jeden Fall kannte Jean Claude Droyer seine Hausfelsen sehr gut. Der 1947 geborene Alpinist gehörte zu den frühen Sportkletterern Frankreichs. 1976 verpasste der Mann mit den wilden Haaren und dem Schnurbart Frankreich mit der Arête Jaune in Saussois seine erste 6b-Route, im Jahr darauf kletterte er in Saffres – wir kommen noch dazu – die erste 6c des Landes und in Saussois mit L‘Echelle à Poisson die erste 7a.

Ebenfalls in Saussois schrieb auch der dritte Hans Klettergeschichte. Jean Pierre Bouvier, ob seiner Körpergröße von 1,62 Meter mit dem Spitznamen "La mouche" (die Mücke) versehen, gelang im April 1981 die Erstbegehung der Route Chimpanzodrome. Die war damals mit 7c/8a bewertet (heute 7c+) und damit nicht nur die zweite Route Frankreichs in diesem Grad, sondern auch weltweit eine härtesten. Die dritte Begehung gelang übrigens Jibé Tribout. 1984 kletterte Marc Le Menestrel die Route free solo, Jacky Godoffe – lange internationaler Boulderschrauber – machte sie barfuß, Marc LeMenestrel schließlich mit verbundenen Augen. Was jetzt noch aussteht, ist der erste Begehung barfuß, solo und mit verbundenen Augen. Freiwillige vor!
Auch Jean Pierre Bouvier kletterte Chimpanzodrome 2001, genau 20 Jahre nach seiner Erstbegehung, free solo und zeigte damit, dass die Mücke immer noch stechen kann. Was sie übrigens – inzwischen 63 Jahre alt – bis heute tut. Kurzum: Saussois ist ein bedeutender Ort für die französische Klettergeschichte und Chimpanzodrome eine bedeutende Route – nach der sogar eine Kölner Kletterhalle benannt wurde.
Der Lieblingsspot des Urlaubs
Die bis zu 60 Meter hohen Felsen von Saussois liegen malerisch über der Yonne, auf der die Kanalboote friedlich von Anlegeplatz zu Anlegeplatz tuckern. Allerdings stehen sie völlig frei und sind damit im Sommer nicht gerade ideal. Ab spätestens 12 Uhr wird es heiß und sonnig. Irgendwie kratzen wir an einem Morgen drei Routen zusammen. Löchriger Kalk, der stark nach Konstein riecht, gute Absicherung und die herrliche Lage machen das Gebiet eigentlich zu einem Muss. Allerdings sind die leichteren Wege schon recht abgeklettert, was in Verbindung mit sommerlicher Hitze den Genuss deutlich einschränkt.

In den zwei Kilometer nördlich gelegenen Rochers du Parc finden wir dann endlich unser kleines Sommerparadies. Direkt neben der Yonne gelegen – nur ein ruhiges Sträßchen und ein paar Meter schattenspendender Wald trennen uns beim Klettern vom Wasser – ist hier Klettergenuss pur angesagt. Unser veralteter Führer warnt immer wieder vor langen Hakenabständen, aber offensichtlich wurden die Wände seit 2004 gründlich saniert. Uns erschienen die Routen jedenfalls perfekt gesichert.
Die Kletterei ist senkrecht bis leicht überhängend, und hier kommen jetzt Donautal, Konstein und der Frankenjura kongenial zusammen: wunderbar löchriger Fels, mal plattig, mal griffig steil. Gelegentlich ein Riss, ein Überhang, ein Pfeiler – es ist alles da, und alles in perfekten Sportkletterportionen von 20 bis 30 Metern. Der ebene Wandfuß, die vielen Routen, das Picknick an der Yonne nach dem Klettern – Rochers du Parc ist zweifellos unser Lieblinsspot des Urlaubs.
Auch der nahe Campingplatz in Merry-sur-Yonne lädt zum längeren Verweilen ein. Gut zehn Jahre war der Platz direkt gegenüber den Wänden von Saussois geschlossen, worunter die Attraktivität des Klettergebiets litt. Überhaupt kämpft Frankreichs Mitte abseits der Städte und touristischen Zentren stark mit der Landflucht. Die kleinen Orte veröden, Kneipen und Läden schließen.

Zum Glück bieten das nahe Auxerre, das mittelalterliche Vézelay oder die Kleinstadt Avallon genug Abwechslung für Ruhetage. Sofern man nicht, wie so viele, entlang der Yonne gemütlich radeln geht. Und ebenfalls zum Glück gibt es Typen wie Zacharias Grimaldi. Ich bin nicht sicher, ob es ein Künstlername ist. Jedenfalls ist Zacharias nach eigenem Bekunden "Brite aus Monaco mit italienischem Einfluss" und dazu seit einigen Jahren Betreiber des Campingsplatzes in Merry-sur-Yonne. Das wissen offensichtlich auch viele Briten, Belgier und Niederländer, die hier auf der Durchfahrt zu südlicheren Gefilden Station machen. Es gibt ein Restaurant und eine Bar – beides die einzigen am Ort –, es gibt frisches Brot am Morgen, und zu den Wänden von Saussois ist es zu Fuß nur 20 Minuten. Seit der Camping wieder offen ist, kommen auch wieder mehr Kletterer in die Region.
Für uns beginnt nach unserer Woche an der Yonne ganz langsam die Heimreise. Unterwegs nehmen wir noch die Felsen von Saffres – ähnlich gebankt wie Cormot (oder die Hessigheimer Felsengärten) – unter die Fingerspitzen und klettern ein bisschen in Fixin – ähnlich durchwachsener Fels wie mancherorts auf der Schwäbischen Alb: Die Parallelen ziehen sich durch.
Am Ende kehren wir zurück mit der Erkenntnis, dass die heimischen Wände zwar sehr schön, aber keinesfalls einzigartig sind. Und dass es tatsächlich parallele Welten gibt. Um sie zu erreichen, muss man kein Astronaut sein und auch durch kein Wurmloch kriechen. Eine Reise zu den Felsen in Frankreichs Mitte genügt vollkommen.