Unweit von Mittenwald begann vor rund 30 Jahren, Ende der 80er, die Erschließung eines der besten Sportklettergebiete Tirols. Vor allem starke Kletterer finden an der Chinesischen Mauer auf der Südseite des Wettersteingebirges bis in den späten Herbst hinein perfekte Bedingungen. Hier gibt's alle wichtigen Informationen rund um das Klettergebiet Chinesische Mauer, inklusive kleiner Historie und Routenempfehlungen.

Info: Klettern an der Chinesischen Mauer in Tirol
Lage: Der Parkplatz zur Chinesischen Mauer liegt rund 10 km südwestlich von Mittenwald und etwa 10 km nördlich von Seefeld in Tirol im Hochtal Leutasch, die Felsen auf einer Höhe von rund 1250 Metern.
Anfahrt: Aus nördlicher Richtung über Garmisch-Partenkirchen oder Kochel nach Mittenwald. Am südlichen Ortsausgang dem Wegweiser „Leutasch“ folgen. Von hier sind es 10 km bis nach Puitbach (lediglich 4 Häuser, diese liegen westlich der Straße, ein großer gut sichtbarer Bauernhof). Östlich der Straße (Bushaltestelle) befindet sich der Parkplatz.
Von Süden kommend erreicht man den Parkplatz über Innsbruck, den Zirler Berg und Seefeld.
Zustieg:
Vom Parkplatz ist die markante „Mauer“ bereits gut zu erkennen. Am oben genannten Bauernhof vorbei und der Forststraße bis zum Weidegatter/Waldrand folgen. Vom Weidegatter geradeaus bzw. leicht linkshaltend und kurz bergauf dem Hohlweg folgen, bis dieser wieder leicht bergab in eine kleine Senke führt. Von hier links dem Pfad bergauf zum rechten/unteren Teil der Mauer folgen. Zustiegszeit bis dort (Sektor Dodlwand) gut 20 Minuten. Bis zum obersten Sektor „Dächer“ dem Wandverlauf für weitere 15 bis 20 Minuten folgen.
Felsart: Wettersteinkalk in allen Ausprägungen: Vom dunkelgrauen Plattenkalk bis zu weißgelben Lochsequenzen, manchmal auch alles zusammen in einer Route.
Art der Kletterei: Das Portfolio reicht von sehr kurzen und steilen Routen um die 10 Meter mit großen offenen Dellen (alles recht pumpig) über lange, leicht überhängende Ausdauerrouten (gut 30 Meter) an Leisten, Slopern und Löchern bis zu noch längeren (40 Meter) plattigen Steh- und Fingerkraftklettereien. Die Kletterei ist sehr abwechslungsreich.
Material: Meist reicht ein 70-Meter-Seil. In einigen neueren Routen ist ein 80er-Strick notwendig.
Routenanzahl: gut 130
Schwierigkeitsgradverteilung:
4c bis 6b > 14 Routen
6b+ bis 6c+ > 22 Routen
7a bis 7b+ > 43 Routen
7c bis 8a > 31 Routen
8a+ bis 8b > 15 Routen
8b+ bis 8c+ > 7 Routen

Übernachtung
Viele Pensionen und Gasthöfe von Mittenwald bis Leutasch, Campingplatz in Sichtweite zur Chinesischen Mauer: www.tirol.camp
Beste Jahreszeit: Frühling und Herbst. Im Sommer kann ab dem späten Nachmittags gut geklettert werden. Im Winter findet man an an sonnigen Tagen ebenfalls gute Bedingungen vor. Im Sektor Steinschlag ist im Frühjahr (Schneeschmelze) mit Lawinen und Steinschlag zu rechnen. Nach ergiebigen Regenfällen sind der Sektor Astoria und die Hauptwand länger nass. Der Sektor Streifen ist so gut wie immer trocken.
Zur Beachtung: Im Winter ist darauf zu achten, dass man vor der Dämmerung (spätestens um 15:00-15:30!) absteigt, um das Wild an den Futterstellen nicht zu stören. Dies ergibt sich aber meist von selbst, da die Sonne dann aus der Wand geht und es recht kalt wird.
Internet
Klettergruppe des Leutascher Plateaus: www.mauerfix.tirol
Alle Klettergebiete Tirols: www.climbers-paradise.com
Bergrettung: www.leitstelle.tirol
Notfall-Rufnummern:
Bergrettung Tirol: Telefon: 140
Rettungs-Notruf: 144
Krankentransport: 14844
Weitere Klettergärten in der Nähe:
Hongkong
Weit oben an der Chinesischen Mauer befindet sich eine kleine, aber sehr feine Felsperle. Historisch betrachtet zählt der Sektor Hongkong nicht zur Chinesischen Mauer. Die knapp 30 Routen wurden ab 2005 von Matthias und Alexandra Robl eingerichtet und bieten schönste Klettereien an extrem rauhen Wasserlöchern. Zudem ist die Aussicht von dort oben phänomenal.
Beste Zeit: Herbst. Zustiegszeit: 45 Minuten.
Mauerbogen
Feiner Klettergarten mit gut 30 Routen im Niveau 3 bis 7a nahe der Ortschaft Leutasch.
Kletterhallen in der Nähe
KI in Innsbruck: www.kletterzentrum-innsbruck.at, Telfs: www.bergstation.tirol, Boulderstüberl Garmisch-Partenkirchen: www.boulderhalle-garmisch.de

Kletterführer:
Wetterstein Süd – Panico Alpinverlag; 2016, 39,80 €; Tirol von Michael Meisl, 2016, 42,80 €
Story: Klettern an der Chinesischen Mauer
Was bitte hat die Chinesische Mauer mitten in Tirol zu suchen? Während in China aber der Name aus geographischer Sicht sinnvoll war, fragt sich der geneigte Leser, wie es denn in Tirol zur namentlichen Ähnlichkeit mit der großen Schwester in Asien kam? Denn irgendeinem Klettererhirn muss die Bezeichnung Chinesische Mauer ja wohl entsprungen sein.
Wer hat’s erfunden? Die Münchener! Nicht gerade er-, aber zumindest gefunden. Schon dem Kochel-Altmeister Sepp Gschwendtner blieb diese Wand Mitte der 80er-Jahre nicht verborgen. Doch Sepp stufte die Wand damals als unbrauchbar ein. In der Klettergruppe „Rosarote Panther“, der Sepp angehörte, verbreitete sich die Kunde dieser Wand schnell weiter. Drei Mitglieder dieser elitären Vereinigung, Bruno Bianchi, Gunther Sobe und Bernhard Reinmmiedl, waren am 1. November 1988 die ersten, die dort oben ambitioniert antraten. Also vor über 30 Jahren.

Die Entdeckung der Chinesischen Mauer
Ab da wurden die ersten Bohrhaken im Fels versenkt, und als erste Linie entstand ein zehn Meter kurzes athletisches Kunstwerk. Bewertet wurde das steile Teil damals nach der UIAA-Skala mit dem Schwierigkeitsgrad 8. Zu der Zeit eine echte Ansage, und auch heute noch will dieser Grad an der Mauer erst mal geklettert werden. Skeptisch waren sie damals, die Burschen, ob die flachen Löcher überhaupt zu halten seien. Weite Züge kamen erschwerend hinzu. Dafür brauchte es natürlich den passenden Namen, für die Wand an sich und für die erste Route. Und da Bruno Bianchi 1989 einen längeren Asientrip hinter sich hatte und von der weithin sichtbaren Dominanz der echten Chinesischen Mauer ziemlich beeindruckt war, entdeckte er sofort eine Parallele: Denn auch die Tiroler Chinesische Mauer sticht vom Talboden aus direkt ins Auge – zumindest den Kletterern.
Da das Team recht skeptisch war, das eben eingebohrte Projekt überhaupt klettern zu können, wurde die Namensgebung der Route an den Terminus der Chinesischen Mauer angepasst: Tschai-hil wurde aus der Taufe gehoben, was übersetzt soviel bedeutet wie „die Ungläubigen“. Die ungläubigen Münchner machten ihre Sache jedoch sehr gut, und so entstanden in den Jahren 1989 und 1990 weitere 19, mittlerweile zu Klassikern avancierte Routen.
Die Chinesische Mauer thront erhaben und markant über dem Leutaschtal. Das malerische Hochtal liegt nahe der deutsch-österreichischen Grenze auf rund 1100 Metern Meereshöhe, umrahmt von markanten Gipfeln wie der Gehrenspitze und der Arnspitze. Die „Mauer“, wie sie unter Locals kurz genannt wird, zieht nicht hinweg über das Gebirge wie die ferne asiatische Namensschweter, sie liegt mitten drin. Der Ausblick in die Stubaier Alpen vollendet das alpine Ambiente.

Mittlerweile sind viele Routen hinzu gekommen. Nach den Münchner Anfängen wurde so richtig gewütet. Im positiven Sinne natürlich. Im Winter 1989/90 vernahm der Tiroler Bernhard Hangl beim Langlaufen im Leutaschtal von der Mauer oben verdächtige Bohrgeräusche. Kurz entschlossen schaute Bernhard nach, was sich dort tat und fragte die Münchner Clique, ob es o.k. wäre, wenn auch er sich dort ans Werk machte. Das Münchner Team hatte natürlich nichts dagegen, und so fiel der Startschuss für eine ganze Armada von schweren Routen.
Bernhard fabrizierte 1990 gleich sein Meisterstück, die Astoria und bewertete sie mit 7c. Wer glaubt, den Grad locker drauf zu haben: bitte antreten! Hatte ich schon erwähnt, dass die Bewertungen an der Mauer recht ehrlich sind? Nicht? Dann will ich das gerne nachholen: Hier bekommen die Fingerbeuger noch was für den Grad.
Das ist dann auch der Grund, warum einige Kletterer unter dubiosen Vorwänden die Mauer meiden. Der auf Konsum und Punkte getrimmte 8a.nu-Ticklist-Junkie kann sich hier schnell mal „a saftige Watschn“ einfangen. Es soll vorgekommen sein, dass ein potentieller 8a-Aspirant hier ein 7a-Aufwärmprojekt hatte. Wer so einen Einschlag in sein Nervenkostüm überlebt, der sollte trotz dieser Watschn relativ traumafrei weiter klettern können.

Die besten harten Routen an der Chinesischen Mauer
Ab 1992 verewigte sich dann auch Heinz Zak als Erstbegeher mit knackigen Routen wie zum Beispiel Pistolero (7c+/8a) oder Caramba (8a). Die ehrliche Bewertung haben ab 1993 auch Reini Scherer und Bernhard Prommer erhalten oder besser gesagt geprägt. Eine absolutes „Muss“ aus diesem Jahr ist die Bärentatze (8a), eine der besten Routen in diesem Grad an der Mauer. Gleich daneben verläuft Il Visconte dimezzato (7c+), ebenfalls wahnsinnig geil. Auf Scherer und Prommer gehen hier die meisten und schwierigsten Routen aus dieser Zeit bis zum Grad 8b+ zurück.
Der Kampfgeist wird an der Mauer groß geschrieben, und das positive Miteinander ist hier gut ausgeprägt und ist beflügelnd. Apropos Flügel: Dass Fliegen selbst wurde in den letzten Jahren durch die Tiroler Klettervereinigung „Mauerfix“ auf ein verlässlicheres Niveau gebracht: Alle Routen sind inzwischen saniert.
Und noch immer werden neue Linien eröffnet. Besonders gute Augen und eine gutes Gespür für neue Routen hatte in den letzten Jahren vor allem Arthur Wutscher aus Telfs. Seine neuesten Kreationen sind zwei 40-Meter-Monster im Sektor “So schaugt’s aus”: Tango till they’re sore, eine Herausforderung für die Füße, die bei 8a eincheckt. Und gleich daneben Multiple Joys (7c+). Zitat Arthur: „Chinamauerbewertung!“ Bitte schön, Traditionen wollen und sollen ja erhalten bleiben.

Es gibt Klettergebiete da sind die Routen stimmig, dafür ist die Umgebung zum Schreien, vor lauter Autolärm zum Beispiel. Oder da gibt es tolle Lochklettereien an kleinen, in deutschen Mittelgebirgswäldern gut versteckten, bemosten Klapfen. Oder woanders schlechten Fels und tolle Aussicht mit wildem Ambiente. Wieder woanders ist das gegenseitige Konkurrenzstreben höher als die Wand an sich.
Und an der Mauer? Da passt einfach alles. Außer dem Vogelgezwitscher, den freudigen Jubelschreien oder den Fluchtiraden, je nach Erfolgsstatus, ist hier nix zu hören. Die Rundumsicht ist schlicht ein Tiroler Bergtraum und die Felsqualität vom feinsten. Von kurzen, athletischen Kraftmonstern bis hin zu langen, technischen Schleichereien ist das ganze Portfolio der Kletterkunst vertreten. Doch vor lauter Lobhudelei sei angemerkt: Die meisten Routen spielen sich in den Graden ab 7a aufwärts ab. Was nicht heißt, das in den darunter liegenden Graden nichts existiert. Es sind nur zahlenmäßig weniger. Die Qualität der Kletterrouten an der Chinesischen Mauer hingegen lässt an nichts zu wünschen übrig.