Beim Klettern und beim Sichern schauen wir nach oben – auf Dauer eine Strapaze für die Nackenmuskulatur und die gesamte Halswirbelsäule. Tatsächlich können degenerative, arthrotische Veränderungen der Halswirbelsäule auftreten.
Beim Sportklettern und beim Training in der Kletterhalle ist es notwendig, zum aufmerksamen Sichern fast unablässig nach oben zu schauen. Das führt zu einer hohen Belastung der Halswirbelsäule, vor allem wenn der Rücken sich (wie bei Kletterern häufig zu beobachten) bereits nach vorne wölbt, weil die Brustmuskulatur verkürzt ist. Die Folge: Die Halswirbelsäule muss sehr stark abgeknickt werden.
Was in der Wirbelsäule passiert – Risiken für Kletterer
Die permanente Überstreckung der Halswirbelsäule (HWS) führt häufig zu knöchernen Randanbauten an den Wirbelkörpern, sogenannten Osteophyten. Diese können zum einen zu einer Verengung des Wirbelkanals führen, was Nervenirritationen wie Taubheits- oder Kribbelgefühle sowie in die Arme ausstrahlende Schmerzen verursacht. Darüber hinaus kommt es durch die maximale Überstreckung der Halswirbelsäule (HWS Hyperextension), manchmal noch verbunden mit Rotationsbewegungen (um den Kletterer besser beobachten zu können), zu einer Verkürzung der HWS-Streckmuskulatur (Extensoren) und einer Überdehnung der vorderen Rumpf- und Halsmuskulatur (Flexoren). Dies kann sich in schmerzhaften Spannungszuständen der HWS-Extensoren, im schlimmsten Fall gefolgt von Spannungskopfschmerz, Sehstörungen, Tinnitus und Bandscheibenschäden, bemerkbar machen.

Auf Ausgleich achten
Die typische und allseits bekannte Sicherungshaltung setzt sich darüber hinaus nach unten fort, es kommt zu einem Rundrücken mit nach vorne gezogenen Schultergelenken (Protraktion), den entsprechenden Verkürzungen des großen Brustmuskels (M. Pectoralis) und der Hyperlordosierung in der Lendenwirbelsäule (Hohlkreuz). Wer sich die oben beschriebene Haltung nicht genau vorstellen kann, möge sich in der Kletterhalle einmal etwas genauer umsehen. Kurz gesagt sichert diese ungesunde Körperhaltung beim Sichern nicht nur den Kletterpartner am scharfen Ende des Seils, sondern auch die (Viel-) Beschäftigung von Ärzten und Therapeuten.
Besonders ganz junge Kletterer, die viele Stunden beim Sportklettern und damit beim Sichern verbringen und noch viele Jahre ihrer Kletterkarriere vor sich haben, sind der Gefahr von strukturellen Veränderungen ausgesetzt. Die statische Entwicklung ist bei ihnen noch nicht abgeschlossen, daher wirken die beschriebenen Effekte besonders stark und prägend. Hinzu kommt, dass neben dem Klettern oft keine Ausgleichssportart betrieben wird. Dies hilft nämlich, die beschriebenen Risiken zu minimieren.
Nackenprobleme – Was man dagegen tun kann
Was ist zu tun? Vorbeugen ist natürlich am besten, aber auch, wer schon leidet, kann von unseren Tipps profitieren (siehe obige Fotostrecke). Da wäre zuerst einmal konsequentes Auf- und Abwärmen von Muskulatur und Gelenken vor und nach dem Klettern. Regelmäßige Ausgleichsbewegungen in die Gegenrichtung, besonders zwischen den Sicherungstätigkeiten dienen der Entlastung. Auch der Wert von Trainingspausen wird häufig genug unterschätzt. Darüber hinaus ist vor allem das Training anderer Muskelgruppen, besonders der Rumpfstabilisatoren, zu empfehlen.
Langfristige Investition
Derartiges Ausgleichstraining kann auch sehr gut dazu benutzt werden, um auch die – wie Jerry Moffat sie einmal genannt hat – „Drecks-Ruhetage“ zu nutzen. Zwar nicht direkt zur Verbesserung eures Kletterkönnens, langfristig betrachtet kommt es aber auch diesem zugute. Denn arthrotische Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule sind eurer Kletterleistung sicher nicht zuträglich – und irgendwann werden Schwachpunkte zu limitierenden Faktoren.
Wer klettern will, muss auch sichern
Eine andere Möglichkeit, exzessiv auscheckenden Kletterpartnern weiterhin ein geduldiger Sicherungssklave zu sein, sind Sicherungsbrillen. Mit Spiegelprismen wird der Blick um 90 Grad umgelenkt, und so sieht man mit dieser Brille den Kletternden, ohne den Kopf weit in den Nacken legen zu müssen.
Doch jedes noch so perfekte technische Hilfsmittel kann die natürliche Funktion von Muskulatur und einer physiologischen Biomechanik nur unterstützen, nicht ersetzen. Man kommt daher um entlastende und stabilisierende Übungen nicht herum. Die in unserer Fotostrecke gezeigten Übungen können helfen. Sie dienen der Mobilisation und Stabilisation der Halswirbelsäule und der Tonusnormalisierung der Muskulatur.









