Gute Technik ist ein Mix aus Bewegungspräzision und der Fähigkeit, einen Großteil des Körpergewichts mithilfe von Füßen und Beinen an der Wand zu halten. Die Füße machen kein Geräusch beim Antreten, sie rutschen nicht ab und tasten auch nicht nach Tritten, sondern landen genau darauf. Die Bewegungen sehen flüssig und leicht aus.
Maßgeblich für die Wahl der besten Bouldertechnik in einer bestimmten Situation ist die Frage, wie man den Körperschwerpunkt möglichst effizient auf den nächsten Tritt bugsiert bekommt. Dabei gibt es oft noch nicht einmal die eine "richtige" Variante, sondern verschiedene Lösungen: Unterschiedliche Körpertypen, Stärken und Schwächen, Vorlieben oder Gewohnheiten beeinflussen unseren Bewegungsstil. Gerade zu Beginn unserer Lernkurve haben wir mit den Füßen meist unsere liebe Mühe: Während unser Hirn eine riesige sensorische und motorische Schaltzentrale für die Hände umfasst (wir fühlen und steuern hochpräzise, was Hände und Finger angeht), steht für die Füße nur ein Bruchteil der Steuerungspower zur Verfügung. Grundsätzlich fällt es uns schwerer, sie im Raum zu verorten, sie anzusteuern, und mit ihnen präzise – also millimetergenau – zu arbeiten. Dies ist einer der Gründe dafür, warum sich saubere Fußtechnik erst mit viel Übung entwickelt und automatisiert. Nach und nach verfügen wir dann über Bewegungsmuster, die wir bei Bedarf abrufen können: anfangs geschieht dies zögerlich und bewusst, nach einiger Zeit automatisiert sich der Prozess und der Körper vollzieht ohne großes Nachdenken die richtigen Bewegungen.
Schneller und besser lernen wir neue Bouldertechniken, wenn wir uns herausfordern (in der Komfortzone lernen wir nicht so gut), frisch und gutgelaunt sind (da sind wir aufnahmefähig) und bewusst unsere Bewegung planen, probieren und danach das Feedback (hat es geklappt oder nicht, und warum nicht?) in die nächsten Versuche mit einfließen lassen.
6 essenzielle Kletter-Moves

Toehooken
Dritter Arm, aber Rückhand sozusagen: Beim Toehooken ziehen wir mit der Fußoberseite oder den Zehen, und meistens geht es darum, eine aufgehende Tür geschlossen zu halten. Oder im Dach den Körper mitzutragen oder in Hardcore-Bouldern Zug auf Slopern aufzubauen.
Knackpunkt: Außer in den Zehen selbst erfordert Toehooken relativ wenig Beinkraft (Prinzip Klettern am langen Arm), doch es braucht Rumpfpower, um die Spannung zu halten. Und es gilt einmal mehr, dass das Auflösen der Position meist der anstrengendste Teil der Aktion ist. Toehooks tummeln sich gern im Dach oder an Wettkampfbouldern, an Volumen oder um Dachkanten herum.

Mantle
Abgeleitet hat sich der Begriff vom Kaminsims (Englisch: mantlepiece). Entsprechend wird beim Bouldern an Absätzen mit einer glatten, grifflosen Wand darüber gemantelt, oder, häufiger, an runden Ausstiegen. Der notwendige Stützvorgang erinnert an einen Muscle-up (Zugstütz); im besten Fall hilft ein Heelhook (s. S. 32) mit, den Körperschwerpunkt nach oben und vorn zu bringen.
Knackpunkt: Starke Handgelenke, gefestigter Glaube und vor allem Stützpower entscheiden, ob man elegant hochstützt oder am Ausstieg hilflos herumrobbt. Manchmal ist es erforderlich, mit Geschick im richtigen Moment die Hand zu drehen.

Eindrehen/Dropknee
Sich zwischen den Haltepunkten optimal zu verspannen, gehört zum A und O, vor allem wenn es überhängt. So verwandelt sich beim »Ägypter« das eingedrehte Bein zum Schraubstock und verhindert so, dass wir aus der Wand kippen.
Knackpunkt: Das Knie unter Vollspannung nach innen und gar unten (Dropknee) zu drehen, bringt hohe Kräfte auf die Gelenkstrukturen. Hüftbeweglichkeit hilft, die Knie sollten vollständig einsatzbereit sein und von einer kräftigen Muskulatur stabilisiert werden. Wer das Knie schonen will: steht nur mit einem Bein, während das zweite Bein hinterscherend die Balance auspendelt.
Anzutreffen: Im überhängenden Gelände, gelegentlich in Verschneidungen und hauptsächlich dort, wo gute seitliche Tritte vorhanden sind.

Dyno
Dass Sprünge und weitere schwerelose Zaubertricks zum Bouldern gehören, weiß man von Wettkämpfen. Doch auch im Hausgebrauch beim Indoor-Bouldern oder am Fels nutzen wir alle Dynamik: Ob beim gelegentlichen Hepper, gezielten Deadpoint oder einfach, wenn wir ausholen, um einen weiten Abstand zu überwinden.
Knackpunkt ... ist weniger, ob die Füße die Wand verlassen oder nicht – sondern ob wir es schaffen, die nötige Strecke zurückzulegen und exakt vor oder im toten Punkt den Zielgriff zu fixieren. Idealerweise beschleunigt man aus Rumpf und Beinen, doch um am Ende hängen zu bleiben, brauchen wir auch Finger- und Schulterstrom.
Anzutreffen: In den beschriebenen Abstufungen – überall. Außer dort, wo noch Oldschool-Statiker mit Blockierstrom unterwegs sind.

Heelhooken
Beim Heelhook hakeln wir so mit der Ferse, dass wir entweder ordentlich Gewicht auf sie transferieren, an ihr ziehen und erweiterte Wegstrecke zurücklegen oder aufgehende Türen geschlossen halten können.
Knackpunkt: Je nach Erfahrung braucht es eine mehr oder minder geeignete Auflagefläche an der richtigen Stelle für die Ferse. Dazu ist es der Gesundheit förderlich, wenn die Hüftbeweglichkeit den geplanten Bewegungsspielraum mitträgt. Im Verlauf der Bewegung verändert sich meist die Auflagefläche der Ferse (nach außen unten) und auch der Winkel der Hüftöffnung. Besser nicht über die eigene Flexibilität hinausgehen! Generell ist bei Trittmangel ein beherzter Heelhook oft die beste Option.

Knieklemmer
Mit der Verbreitung von dick gummierten Kneepads und dank Adam Ondras Erfindungsreichtum haben sich Knieklemmer von der obskur-alpinen Spezialtechnik zum Go-to des Breitensports entwickelt. Wenn sie gut sitzen, nehmen sie eine Menge Gewicht ab.
Knackpunkt: Die gefaltete Beinlänge entscheidet hier über den Erfolg – in zweiter Linie erneut die gute alte Hüftbeweglichkeit. Ach ja, und etwas Corepower braucht man dummerweise auch, wenn man an dem zwischen Tritt und Auflagefläche klemmenden Knie wirklich agieren will. Anzutreffen: An den unwahrscheinlichsten Stellen, in Dächern, an Dachkanten, zwischen Volumen, in Kaminen – oft verstecken sich die Biester allerdings.