Moritz Welt ist superstarker Frankenkletterer, sein Vater Manuel sammelt schon seit den 90ern Routen im Franken. Ein Gespräch über fränkische Besonderheiten, leere Felsen und die fränkische Kletterszene.
Interview mit Manuel und Moritz Welt
Manuel, wie ist eure Familie im Frankenjura gelandet?
Manuel: 1994 habe mich fürs Studium in Erlangen entschieden und bin hier geblieben.
Und bist seitdem Teil der fränkischen Kletterszene...
Manuel: Das kann man eigentlich nicht so sagen. Ich klettere halt hier. Eigentlich interessieren sich die Leute nur für mich, weil Moritz so gut klettert.
Moritz: Das weiß man streng genommen nicht, ob das so ist.
Seid ihr immer viel geklettert?
Manuel: Wir waren viel am Fels. Moritz war einfach dabei, wir waren immer zu dritt als Familie unterwegs und dann war das ein Selbstläufer. Mit drei oder vier wollte er mitmachen und selbst klettern.
Moritz: Dadurch, dass meine Eltern jedes Wochenende draußen am Fels waren, hat mir das relativ schnell voll Spaß gemacht und ich wollte dann auch von mir aus gern klettern gehen. Und bald auch schwerere Sachen probieren.
Manuel: Anfangs musste ich Moritz noch bremsen, vor allem als er vorsteigen wollte. Zumindest bis der erste Sitzgurt richtig gepasst hat. Er wollte eigentlich schon früher mehr. Moritz hat mit vier Jahren einen Vierer geklettert, mit fünf einen Fünfer, mit sechs einen Sechser, und so weiter. Einer der ersten Neuner von Moritz war dann das Katapult an den Gössweinsteiner Wänden, wo ich dann als Vater sichernd drunterstand und geschwitzt habe, weil ich mich da fast selber nicht reintraue und dachte: Scheiße, das ist jetzt aber ein echt weiter Hakenabstand!
Wie seht ihr die Hakenabstände im Frankenjura?
Manuel: In den meisten Routen ist es ja nicht gefährlich, meist sitzen die Haken schon dort, wo man sie auch braucht. Ich hätte Moritz sicher nicht in wirklich gefährliche Routen einsteigen lassen. Er ist damit aufgewachsen, dass man auch mal einen Keil legt und einen Runout damit entschärfen kann. Und er hat das auch schnell gekonnt. Wie alt warst du, als du Mr. Magnesia und die ganzen Sachen im Altmühltal gemacht hast?
Moritz: Vielleicht 13 oder so?
Manuel: Ich habe versucht, ihm das Klettern ganzheitlich beizubringen, wie ich es auch kenne. So dass er Routen auch früh selbst einschätzen konnte.

Moritz, das heißt die fränkische Absicherung ist für dich normal?
Moritz: In den ersten ein zwei Jahren Vorsteigen, so mit neun ungefähr, hatte ich schon extrem Schiss und habe mich an kaum was herangetraut. Das ging aber irgendwann, ich weiß auch gar nicht genau, was da passiert ist. Und dann hatte ich kaum mehr Angst und konnte alles klettern, was ich als halbwegs safe eingeschätzt habe.
Moritz, du profitierst von der Entscheidung deines Vaters, bist du happy im Frankenjura?
Moritz: Voll. Ich bin mittlerweile zu Hause ausgezogen, aber im Franken geblieben.
Manuel: Das Franken ist einfach die beste Homebase. Du kannst wandern, klettern, Boulder suchen, Höhlen erforschen. Es ist wunderschön, und die Lebensqualität ist einfach richtig gut.
Moritz: Die Abwechslung macht es halt. Man kann morgens spontan überlegen, will ich Löcher, Leisten, boulderig oder etwas Langes, will ich überhängend, senkrecht, es gibt eigentlich für jede Stimmung den richtigen Fels. Wenn man sich mal auskennt, hat man einfach die perfekte Auswahl.
Habt ihr Lieblingsfelsen, an die ihr regelmäßig geht?
Moritz: Meist habe ich bestimmte Ziele, Ideen und Projekte, die ich angehen will. Die stehen dann auf dem Zettel, daraus wähle dann den Fels aus, auf den ich Lust habe.
Manuel: Bei mir diktiert meine Sammlerleidenschaft die Felswahl. Da ich schon lange im Frankenjura klettere, gehe ich inzwischen auch an kleine oder obskure Felsen, weil ich da noch was abhaken kann.
Dieses Routensammeln, wie funktioniert das bei dir?
Manuel: Ich führe eine Excel-Liste, da steht alles drin, auch wann ich mit wem wo war, das ist prima. Leider habe ich erst vor ein paar Jahren damit angefangen und früher nur im Topoführer meine gekletterten Routen markiert. Das war dann beim Übertragen teils schwer im Nachhinein zu sehen, wann ich was geklettert hatte. Ganz früher habe ich richtig Tourenbuch geführt, da hab ich sogar noch aufgeschrieben, wo man nacher zum Essen eingekehrt ist. Ich habe jetzt einige Tausend Routen beisammen, das ist auf eine Art befriedigend und macht Freude, diese Liste wachsen zu sehen.
Wann ging es bei euch mit dem Erschließen los?
Manuel: Mit der Sanierung der Bleisteinwand 2019 gemeinsam mit Moritz und Johannes Seitz. Zuletzt haben wir den Klärwächter bei Plech eingerichtet. Infos dazu gibt es auf www.frankenjura.com.
Moritz: Ich habe vielleicht vor vier oder fünf Jahren in der Bärenschlucht zum ersten Mal was erstbegangen. Klar habe ich noch das ein oder andere bestehende schwere Ding, was ich noch machen will. Aber es reizt mich schon sehr, eigene Linien zu klettern, die dann andere probieren können. Die Sammlerleidenschaft habe ich auch übernommen, ich führe online Buch darüber. Auch wenn ich in neue Gebiete komme, dann will ich auch erst einmal ein gewisses Spektrum an Routen klettern, bevor ich mich in was Schweres reinknien will.
Wie hat sich das Klettern im Frankenjura gewandelt mit dem Kletterboom? Wie war es damals?
Manuel: Früher, also in den Neunzigern, war es wesentlich voller als heute. Es gab viel weniger Felsen, und an bestimmten Modefelsen hat es sich dann immer geknubbelt. Eibenwände, Dreistaffelfels, Hohe Reute, also Felsen wo zwischen leicht und Sieben viel zu finden ist. Und natürlich die Schwerkletterhotspots, Bärenschlucht und so, die waren meistens voll. Aber da es heute so viele Felsen gibt, ist es mittlerweile ziemlich einfach, allein am Fels zu sein. Wir sind manchmal extra an bestimmte Felsen gegangen, um endlich mal wieder Leute zu treffen, nachdem man wochenlang allein im Wald war.
Moritz: Dazu muss man sagen, dass die Felsen, an die ihr geht, schon eher speziell sind (lacht). Klar, die Zahl der Leute, die rausgehen, ist größer als früher, aber die sammeln sich gefühlt auch heute an einigen wenigen Spots, und wenn man an kleinere Felsen geht, dann ist das kein Problem.

Wie findet man denn die Perlen im Wald, an denen man allein ist?
Moritz: Es gibt so viele Felsen! Mein Vorschlag wäre, mal von dem Fels im Führer, wo man eigentlich hin will, zwei Seiten weiter zu blättern und dort hinzugehen, natürlich wenn es von der Schwierigkeit ungefähr passt.
Manuel: Wenn man offen ist und etwas Experimentierfreude mitbringt oder mal bereit ist, was auszuprobieren, dann wird man oft positiv überrascht. Und wird glücklicher beim Klettern.
Was macht das Klettern im Franken aus?
Moritz: Die schweren Touren sind extrem kurz und boulderlastig, ddazu sehr fingerlastig und mit wenig Ausdauerkomponente. Die Intensität ist meist hoch.Manuel: Generell warten in schweren Routen eher Schlüsselstellen als Ausdaueranforderungen.
Wie hat sich die Szene von damals bis heute gewandelt?
Manuel: Ich habe das jetzt viele Jahre beobachtet, auch viele junge Kletterer kennengelernt, als Moritz noch keinen Führerschein hatte. Und ich muss für die junge Generation mal eine Lanze brechen. Da wird ja oft geschimpft auf den Nachwuchs aus der Halle, aber ich finde, die jetztige Kletterergeneration ist um Welten entspannter als die ältere. Da gibt es viel weniger Ego und mehr Unterstützung untereinander, die nehmen sich selbst nicht so arg wichtig. Das finde ich ganz toll.
Moritz: Die Frankenszene gilt ja gemeinhin als eher unentspannt. Aber ich finde auch, bis auf ein paar wenige Ausnahmen sind die Kletterer hier echt entspannt.
Manuel: Diese alten Fehden und Anfeindungen gibt es bei den Jungen nicht mehr.
Moritz: Es gibt einen anderen Zusammenhalt, und Konflikte werden nicht mehr hochgekocht bis ultimo, sondern es scheint allen klar zu sein, dass Klettern letztlich nur ein Hobby ist und es lächerlich wäre, sich darüber die Köpfe einzuschlagen.
Manuel: Das stimmt, und die Jungen haben viel mehr Humor, es ist lustiger mit denen. Die sind nicht mehr so verbissen wie die meisten Kletterer damals. Ich sehe mir das ja jetzt seit 28 Jahren an und finde es total erfrischend, wie die Jugend so drauf ist.
Wie erklärt ihr euch den Wandel?
Moritz: Vielleicht haben sich die Pioniere damals mehr über das Klettern definiert und dann bekam es halt diese krasse Wichtigkeit.
Manuel: Das kann sein, heute ist die Spitze so breit, so viele Leute klettern 8c oder 9a. Und das ist den meisten wahrscheinlich klar und sie sehen die Dinge deshalb entsprechend lockerer. Die Jungen freuen sich auch mehr für die Erfolge der anderen.
Info: Moritz Welt
Der gebürtige Franke, Jahrgang 2001, gehört zur starken Nachwuchsgeneration und macht mit schweren Erstbegehungen von sich reden. Seine erste 10- kletterte er an seinem dreizehnten Geburtstag. 8c kletterte er mit 14, die erste 9a mit 16. seine schwerste Route bislang war Thors Hammer (9a+) im norwegischen Flatanger. Der Mathematikstudent erklärt, er sei "eigentlich nicht so der Typ fürs Projektieren", für Thors Hammer hätte er erstmals mehr Aufwand betrieben, mit rund 10 Sessions über einen Monat verteilt. Bis er seinen ersten glatten Elfer geklettert hat, habe er auch in keinster Weise trainiert. Mittlerweile würde er aber neben etwas Kraft- und Griffbretttraining viel Zeit an der Definierwand mit Training verbringen, denn "steigern will ich mich trotzdem noch" und das Gefühl von persönlicher Verbesserung motiviert ihn. Für die nächste Saison hat Moritz sich vorgenommen, noch "gezielter zu projektieren".
Sponsoren: Evolv, Café Kraft, Wild Country
Highlights am Fels von Moritz Welt
- Der heilige Gral (9a), Frankenjura, Deutschland
- Thor‘s Hammer (9a/+), Flatanger, Norwegen
- Lulu (9a), Céüse, Frankreich
- Star Shopping (9a), Erstbegehung im Frankenjura
- Nordic Flower (8c), Flash, Flatanger