Mit Corona wurde auch für Thomas und Alexander Huber vieles anders. Aber nicht alles – an der Schönheit der Berchtesgadener Alpen vor ihrer Haustür hat sich nichts geändert. Wir haben Ende Oktober mit den Huberbuam über Lockdown, Heimat und Projekte sowie ihre beiden neuen Routen an Untersberg & Co. gesprochen.

Derzeit ist das Berchtesgadener Land im Lockdown. Online-Unterricht mit den Kindern statt Karakorum – wie fühlt es sich an, so ungewohnt eingeschränkt zu sein?
Thomas: Für mich nicht so schlimm. Klar, wir können nicht reisen, und alle meine Vorträge sind abgesagt. Aber meinen Alltag kann ich eigentlich wie gewohnt verfolgen. Unsere Kinder sind schon erwachsen, die Jüngste macht ihren Online-Unterricht selbständig – das ist etwas Anderes als bei Alexander. Wenn du kleinere Kinder hast, ist das eine unglaubliche Belastung.
Alexander: Rein klettermäßig war es ein sehr befriedigendes, ein sehr schönes Jahr. Wir haben ja die Alpen, und die wollte ich gegen kein anderes Gebirge eintauschen. Aber mit zwei Sachen bin ich nicht einverstanden. Ich habe auch einen Beherbergungsbetrieb mit Ferienwohnungen in der Landwirtschaft. Und da haben wir jetzt schon zweimal die Leute rauskatapultieren müssen, von einem Tag zum anderen. Dabei gab es in der Gastronomie oder Beherbergung keinen aktuellen "Sündenfall". Das Gleiche bei den Schulen. Seit die Schule in Marktschellenberg im Frühjahr wieder aufgemacht hat, gab es dort keinen Corona-Fall, nicht bei den Lehrern, nicht bei den Schülern. Trotzdem müssen die Kinder jetzt zuhause bleiben. Das soll mir bitte ein Ministerpräsident oder ein Landrat erklären! Wie soll die Schließung einer Schule, wo es gar keinen Fall gibt, zu einer Senkung des Infektionsgeschehens beitragen? Da werden Rechte beschnitten, ohne dass ein Ziel erreicht wird. Ich habe dieses Jahr 53 Vorträge für Thomas und mich absagen müssen, das müssen wir akzeptieren. Es ist sonnenklar, dass Großveranstaltungen derzeit nicht angebracht sind, aber die anderen beiden Sachen sind für mich nicht verhältnismäßig.
Wie ist die Stimmung in der Berchtesgadener Kletterszene?
Thomas: Die normalen Kletterer sagen eher: Jetzt gehört das Berchtesgadener Land mal wieder uns, endlich ist mal nicht so viel los. Natürlich wird viel diskutiert, und jeder glaubt, die Wahrheit zu kennen. Das nervt manchmal wirklich! Da gehst du dann lieber mit einem Spezl klettern! Das erdet einen dann wieder ein bisschen. Wir sind hier ja privilegiert. Wenn du in München lebst, und deine Kletterhalle ist geschlossen, dann sieht das anders aus.
Alexander: Ich kann für die Bergbauern mit Ferienwohnungen sprechen, das ist meist ihr Haupteinkommen – die sind sehr stark betroffen. Und wer seine Existenz in Gefahr sieht, ist eher nicht einverstanden mit solchen Maßnahmen. Wenn du auf einem Amt arbeitest, ändert sich soviel nicht, wenn du vom Tourismus lebst, quasi alles.

Haltet ihr Kontakt zu euren internationalen Kletterkumpels oder ist gerade jeder eher mit sich selbst beschäftigt?
Alexander: Über zukünftige Projekte zu sprechen, macht momentan keinen Sinn. Ich denke, dass 2021 und wahrscheinlich auch 2022 nicht an Expeditionen zu denken sein wird.
Thomas: Wir sind schon im Austausch mit unseren Freunden. Die Pakistanis sagen "all good", Ivo Ninov geht in Bulgarien ganz normal klettern und Base jumpen. Am härtesten trifft es die Leute in El Chalten. Die leben schon den ganzen Winter in einem territorialen Lockdown. Die dürfen nicht nach Calafate raus, die sind richtig eingeschränkt. Und dass der Tourismus dort so schnell wieder anläuft, ist nicht wahrscheinlich.
Einen guten Teil eures Einkommens als Kletterprofis verdient ihr normalerweise mit Vorträgen …
Thomas: Wir sind Künstler, die Bühne ist unsere wichtigste Lebensgrundlage – und die ist zu fast 100 Prozent weggefallen. Ich habe kürzlich einen Online-Vortrag gehalten, der war auch erfolgreich. Aber das kann man nicht mit einer Bühne vergleichen. Da geht’s uns wie Musikern und anderen Künstlern. Menschen glückliche Stunden zu bereiten, fällt leider nicht unter "systemrelevant". Corona hat uns erwischt wie eine Kaltfront, und wir stehen ganz schön nass da und fallen durch das Raster.

Vielen Sponsoren geht es auch nicht gut. Steht euer gesamtes "Berufsmodell" auf dem Spiel?
Alexander: Wenn das so weitergeht, auf jeden Fall! Nochmal ein solches Jahr, dann wird es für viele Sportler, vor allem junge, sehr eng. Und vor allem für die, die auf der Bühne ihr Geld verdienen.
Thomas: Man muss aber auch sagen, dass unsere Partner nicht abgesprungen sind. Wir haben unsere Verträge verlängert, und unsere Sponsoren haben nach wie vor Vertrauen zu uns. Garantien gibt es aber nicht. Und allein von den Sponsoren können wir nicht leben, deshalb hoffen wir, bald wieder auf der Bühne stehen zu können.
Seht ihr Möglichkeiten, euer Profitum an eine möglicherweise "neue Normalität" anzupassen?
Alexander: Ganz ehrlich: Ich mache seit 25 Jahren Vorträge, ich liebe die Bühne. Und wenn ich drei oder vier Jahre warten muss, ich werde warten. Bis dahin habe ich genug Arbeit zuhause, und dann heißt es eben auf kleinem Fuß leben und irgendwie durchkommen. Und wenn’s dann wieder geht, versuchen, die Bühne zurückzuerobern. Auch wenn es wieder erlaubt ist, wird es lange dauern, bis wieder das Vertrauen da ist, in einer Menschenmenge ein gemeinsames Erlebnis zu haben. Andere Leute werden derzeit nicht als Mitmenschen, sondern nur als potenzielle Infektionsträger gesehen.

Jetzt zu Positiverem: Habt ihr eure Hausberge, die Berchtesgadener Alpen, durch diese Situation noch mehr zu schätzen gelernt?
Thomas: Wir schätzen sehr wohl, dass wir in Berchtesgaden leben dürfen. Auch im Lockdown konnten wir in die Berge gehen, wo alte Linien wieder zu einer neuen Herausforderung wurden. Auch haben Alexander und ich wieder verstärkt als Seilschaft zusammengefunden. Wir haben diesen Sommer Dinge gemacht, die wir sonst nicht gemacht hätten – ich wollte nach Peru, Alexander nach Madagaskar.
Alexander: Es ist uns nicht erst heuer bewusst geworden, dass wir es hier ideal haben. Aber diesmal war es eben besonders wichtig. In zehn Minuten zu Fuß kann ich klettern gehen, 80 Routen, davon 30 Zehner, das reicht mir vollauf.
Ihr habt zwei neue Routen im glatten 10. Grad eröffnet, Siete Venas und Sonnenkönig. Waren das ältere Projekte oder sind die komplett in diesem Jahr entstanden?
Alexander: Siete Venas ist ein altes Projekt, das haben wir vor langer Zeit begonnen. Irgendwann hat Thomas mit Michael Grassl weitergemacht. Wir wollten das schon lange rotpunkt klettern, aber es hat sich nie ergeben. Zum Glück, so hatten wir das perfekte Nordwand-Ziel für diesen Sommer. Der südseitige Sonnenkönig ist dagegen komplett 2020 entstanden und war ideal im Frühjahr, als es noch nicht so warm war.

Thomas: Siete Venas befindet sich an der Nordwand des Südlichen Alpeltalkopfs am Ski-Normalweg zum Hohen Göll – eine tolle Linie an einem markanten Turm. Und Sonnenkönig am Untersberg ist ein Bild von einer Linie: ein grauer Wasserstreifen. Diese Linie hatten wir beide lange unabhängig voneinander im Kopf. Ursprünglich wollten wir einen anderen Einstieg wählen, haben aber gemerkt, dass sich daraus eine weitere Route machen lässt. Deshalb haben wir eine ältere Route von Michael Grassl genommen, weil es so eine direkte Linie ist – für mich die schönste am Untersberg. Die Kletterei war ein Traum, allerdings war es nicht der trockenste Sommer. Mal war’s nass, dann zu heiß, und erst im September hatten wir endlich ordentliche Verhältnisse und konnten die Route Rotpunkt klettern.
Alexander: Es war wirklich genial! Wenn wir in Sonnenkönig wegen der Hitze nicht klettern konnten, gab’s Siete Venas mit ihrer verrückten Kletterstelle. Die ist identisch zum Einstieg von Action directe, nur seitenverkehrt und dass du mit rechts kein mistiges Loch hast, sondern einen relativ guten Griff, von dem du an einen Henkel springst. Aber genau die gleiche Bewegung – quasi Action directe für alte Herren, dafür 100 Meter über dem Boden.
Thomas: Zusammengefasst: Wir hatten diesen Sommer solch eine schöne Zeit zusammen in den Bergen: viel geredet, viel diskutiert, viel geklettert.
Alexander: Genauso war‘s!
Sind die Routen wie bei euch üblich eher spärlich abgesichert?
Alexander: Siete Venas ist eigentlich eine recht gut abgesicherte Sportkletterei. Vielleicht musst du mal ein bisschen weiter wegklettern, aber es ist einfach nicht das Gelände für allzu weite Hakenabstände. Sonnenkönig ist schon eher typisch für uns, da musst du auch selbst absichern, was die Route etwas spannender macht. Bei beiden Routen steht aber mehr die Schwierigkeit als der psychische Anspruch im Vordergrund.

Gibt es noch viel unberührten Fels in den Berchtesgadener Alpen?
Alexander: Man muss nicht um den heißen Brei herumreden: So langsam wird’s wenig. Und das, was noch übrig ist, sind eher verschärfte Geschichten. Ich denke, plaisirmäßig ist alles erschlossen, und was im normalen Sportkletterbereich lohnend ist, ist auch schon gemacht. Aber es gibt noch was!
Von der Heimat in die Welt: Thomas, du hast ein Projekt am Latok I im Karakorum. Alexander, du warst auch mal mit dabei …
Alexander: Ich war beim ersten Mal 2015 dabei, aber ich habe das Projekt für mich als zu riskant eingestuft. Ich habe mich prinzipiell nicht wohl dabei gefühlt. Und ich weiß ja, wie es ist: Irgendwann stehst du dort am Berg und willst die anderen nicht im Stich lassen. Und ich will auch nicht in diese Zwangssituation kommen, dass ich sage: Jetzt hast du so viel Zeit in dieses Projekt gesteckt – und dann zuviel Risiko eingehe.
Und du, Thomas, ist für dich das Projekt noch aktuell?
Thomas: Es war richtig, dass wir die Expedition 2015 nach diesem Lawinenerlebnis abgebrochen haben – ich konnte Alexander, Dani und Mario schon verstehen. Trotzdem hat dieser Latok einen bleibenden Eindruck in mir hinterlassen. Ich glaube an den magischen Moment beim Bergsteigen. 2001 am Ogre, da hat alles funktioniert: Du stehst vor einer unmöglichen Wand, und dann geht alles fast einfach. Zuvor war ich auch schon mit Alexander unterm Ogre gestanden. Dort sind so viele Seilschaften gescheitert, und auch wir sagten: Diese Gipfelwand sieht zu gefährlich aus. 2001 bin ich dann einfach gegangen, und dann standen wir oben. Irgendwie hoffe ich, dass das am Latok I auch mal passiert: dass du in der Wand drin bist, und dass alles zu einer Selbstverständlichkeit wird – und dann funktioniert es! Die Investition ist natürlich immens, weil ich immer wieder ein ganzes Jahr opfere, um hinzukommen und dann festzustellen: Es geht nicht. Irgendwie warte ich auf eine Antwort, die aus mir selbst kommt – dass ich einen Schlussstrich ziehen und sagen kann: Thomas, es geht nicht! Aber soweit bin ich leider noch nicht! Ich glaube, ich werde nochmal hinfahren.

Was genau ist passiert bei diesem Lawinenerlebnis?
Alexander: Ein großer Serac ist abgebrochen, und die Druckwelle hätte uns in unseren Zelten fast in den Abgrund geweht.
Thomas: Wir hatten unser Lager relativ nah an einem Abgrund aufgebaut, fühlten uns aber 100-prozentig sicher. Dann ist diese Druckwelle von der Lawine auf der anderen Talseite 100 Meter den Berg hoch geschossen. Wir haben uns gegen die Zeltwände gestemmt, Rucksäcke und Material gingen verloren. Wir hatten mächtig Glück! Die Entscheidung, die Expedition abzubrechen, war wahrscheinlich das einzig Richtige, aber trotzdem bin ich noch nicht gescheiter geworden (lacht).
Wo genau ist die Linie eigentlich?
Thomas: Meine Linie ist links vom Nordgrat am Latok I. Das Lawinenereignis war aber gar nicht dort, das war am Latok III – dem eigentlich sichereren Berg. Es muss einfach alles zusammenpassen: Team, Bedingungen, alles.
Alexander: Ich glaube schon auch an das, was Thomas "magische Momente" nennt. 2018 war ein ganz schwieriges Jahr im Karakoram, da gab’s nur die Erstbegehung der Slowenen am Latok I über ihre Nordgrat-Variante und den Südpfeiler am Choktoi Ri von Fabi Buhl und mir. Dort zu zweit unterwegs zu sein, mit viel schlechtem Wetter, und dann geht das am Ende auf, das ist der Wahnsinn. Und natürlich hofft man immer, dass es wieder so gut aufgeht!
Ihr habt viele große Wände an großen Bergen gesehen und geklettert. Gibt es Wände oder Ziele, bei denen ihr sagt: Das ist etwas für die nächste Generation!
Alexander: Ich habe für mich selbst gemerkt, dass der 12. Grad etwas für die nächste Generation ist. Und ich finde es toll, wie sich das Klettern entwickelt. Im alpinen Gelände ist der 11. Grad ja auch schon Realität. Bei uns geht es nicht mehr um die absoluten Schwierigkeiten, trotzdem sind unsere Routen anspruchsvoll. Am El Capitan sind unsere Freikletterrouten immer noch die populärsten – ob Freerider, Salathé, Golden Gate, El Corazon, El Niño oder Zodiac. Und da sage ich: Das haben wir schon gut auf die Reihe gebracht! Wir hatten aber auch das Glück, in eine goldene Zeit hineingerutscht zu sein. Güllich und Albert haben in Deutschland gezeigt, was geht. Wolfgang hat das Sportklettern extrem vorangetrieben, Kurt hat mit seinen Ideen und seiner Übertragung des Sportkletterns in alpine Wände den Weg vorgegeben. Und diesen Weg unserer großen Idole sind wir weitergegangen.
Thomas: Im Alpinismus hat schon Jeff Lowe die Wände benannt, die noch heute die vielleicht größten Ziele sind: Direkte Westwand am Makalu oder die Masherbrum-Ostwand. Als ich letztere vom Ogre gesehen hatte, wollte ich nur noch zu dieser Wand, weil die so derartig schön ist. Aber: David Lama und Hansjörg Auer waren zweimal dort, die Russen waren dort – und alle haben die Wand als quasi nicht kletterbar eingestuft. Da geht’s nicht um die Schwierigkeit, da geht’s ums Risikomanagement.

Alexander: Die Kletterer sehen am Masherbrum immer nur diese Gipfelwand aus Granit, den ganzen Müll darunter, wo man durch muss, sehen sie nicht. Aber darum geht’s! Deswegen ist es zwar eine wunderschöne Linie, aber sinnlos, weil sie dich mit großer Wahrscheinlichkeit dein Leben kostet.
Thomas: Jetzt reichen wir diese Linien an die nächste Generation weiter. Vielleicht kommt irgendwann der Moment, wo alles passt, und dann klettert’s einer. Auch das Klima kann eine Rolle spielen. Vielleicht werden manche Linien unkletterbar, andere dafür sicherer.
Wohin geht eure Reise?
Alexander: Bergsteigen, solange es Spaß macht. Und mir macht es nach wie vor viel Spaß! Und sobald es wieder geht, bin ich wieder auf der Bühne! Das hat mir immer Spaß gemacht, und ich weiß: Es wird mir wieder Spaß machen. Ich freue mich schon darauf!
Thomas: Mir fehlt die Bühne auch: Mit unseren Vorträgen können wir manchmal ja auch Menschen helfen, mehr auf sich selbst zu schauen oder wieder Mut zu finden. Und dass wir wieder reisen können und unsere Freunde wieder treffen.
Wie lautet euer Motto für 2021?
Thomas: Dass es besser wird!
Alexander: Und dass die Leute wieder lernen, entspannter aufeinander zuzugehen!
Danke, Thomas und Alexander!
Älterer Beitrag: Interview mit Thomas Huber (2010)
Thomas Huber, einer der "Huberbuam", über seine Motivation, Gefahr, und das Bergsteigen am Limit als Familienvater. Das Interview führte Folkert Lenz.

Thomas, als "Huberbuam" gehören du und dein Bruder Alexander zu den wenigen, die vom Bergsteigen leben können. Aber wie bist du dazu gekommen?
Das lag schon ganz klar am Vater, der selbst begeisterter Bergsteiger und extremer Alpinist war. Und wie es immer so ist: Für einen Sohn ist das größte Idol doch immer der Vater. Ihm haben wir halt nachgeeifert. Aber der Vater hat letztlich nur ein Steinchen losgetreten und es ist dann eine riesige Lawine daraus geworden.
In den Fotostrecken: Die Abenteuer der Huberbuam
Was zeichnet einen guten Kletterer aus?
Es kommt immer darauf an, wo man sich bewegt. Wir sind ja immer auf der Suche nach der absoluten Grenze. Und Grenzgang beim Bergsteigen heißt, dass man oft unterwegs ist zwischen Leben und Tod. Man ist sich als guter Bergsteiger darum immer bewusst, dass man sich in einer lebensbedrohlichen Situation befindet. In der Akzeptanz und in der Bewusstheit dieser Gefahr ist man dann gleichzeitig wieder sicher unterwegs, weil man dann wahnsinnig konzentriert ist.
Auf der anderen Seite: Wenn man an der Spitze mitmischen will, dann ist es nötig, dass man immer wieder neue Wege geht und kreativ ist. Wenn man dann die richtige Sache anpackt, dann hat man vielleicht was ganz, ganz Tolles geleistet.
Speedklettern, Solotouren, Expeditionsbergsteigen an den höchsten oder abgelegensten Gipfeln auf diesem Globus – all das gehört zu deinen Aktivitäten. Was treibt dich an, diese ganzen körperlichen und mentalen Strapazen auf dich zu nehmen?
Es wäre für mich absolut langweilig, wenn ich nur auf Expeditionen gehen würde oder nur zum Klettern. Ich bin jetzt 43 Jahre alt, aber ich fühle mich in allen Bereichen des Bergsports zuhause – sei es an Zwei-Meter-Blöcken beim Bouldern oder an 2000 Meter hohen Wänden im Karakorum. Die Motivation kommt letztlich aber durch die Leidenschaft. Die ist der Motor allen Handelns – auch, wenn man Spitzenleistungen bringen will.
Hinzu kommt meine kindliche Freude. Die habe ich trotz meines Alters noch in mir. Außerdem die Neugier und der Wunsch, etwas entdecken zu können. Und manchmal will ich sogar versuchen, etwas möglich zu machen, von dem andere glauben, es sei unmöglich.
Thomas, du nimmst häufig das Wort "Gefahr" in den Mund. Gleichzeitig hast du eine Familie mit drei Kindern. Gehst du heute nicht mehr so an deine Grenzen wie als junger, alleinstehender Mann?
Nein, denn ich hänge am Leben. Das war früher so und ist es auch heute noch. Leben ist für mich ein wertvolles Gut. Ich schätze es und respektiere es. Mein Leben hat natürlich jetzt ein bisschen mehr Gewicht bekommen durch die Verantwortung gegenüber meinen Kindern. Aber es hat nicht so viel Gewicht, dass ich sage, jetzt riskiere ich nicht mehr so viel. Das hört sich immer blöd an, aber wenn ich etwas Gefährliches mache, dann bin ich hoch konzentriert und dann weiß ich genau, was ich tue.
In der Außenwirkung scheinen du und dein Bruder als "Huberbaum" unzertrennlich zu sein. Denkst du manchmal darüber nach, als Thomas Huber einen eigenen Weg zu gehen?
Wir gehen doch immer eigene Wege. Alexander geht seinen eigenen Weg, ich gehe meinen eigenen. Wir sind trotzdem eine Seilschaft, in den großen Bergen der Welt sind wir meist gemeinsam unterwegs.
Aber wer uns näher kennt, der weiß, dass wir sehr unterschiedliche Charaktere haben. Jeder geht zwar seinen eigenen Weg und doch sind wir ein Team. Das macht uns eigentlich so stark. Als wir noch klein waren, da hat es schon die "Huberbuam" gegeben – lange, bevor wir sie zur Marke gemacht haben.
Welche Projekte stehen als nächste auf dem Plan?
Nach Weihnachten soll es ganz in den Süden gehen, nach Patagonien. Am Cerro Torre wollen wir mal schauen, was wir da machen können. Und dann im Sommer 2011 fahre ich auf Expedition nach Pakistan. Mehr will ich jetzt noch nicht verraten.
(Interview/Bearbeitung: Folkert Lenz, Bremen)
Thomas Huber wurde 1966 in Palling, Oberbayern, geboren. 1987 machte er Abitur, 1992 seinen Abschluss als Berg- und Skiführer. Seit 1996 ist er Berufsbergsteiger. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
Mehr unter www.huberbuam.de.