Klettern und Geschlechter
Können, wollen, dürfen im Klettern

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Stereotypen im Sportklettern: Die Soziologin Dr. Babette Kirchner hat untersucht, wann beim Klettern das Geschlecht relevant wird.

KL Lackierte Nägel beim Bouldern
Foto: Dr. Babette Kirchner

Was hat es mit den Dimensionen des Könnens, Wollens und Dürfens auf sich?
Ich habe erforscht, wodurch Menschen im Sportklettern Bewegungskompetenz erwerben beziehungsweise worüber sie ihnen zugeschrieben wird. Die Bewe­gungs­kompetenz setzt sich zusammen aus Fähigkeiten und Wissensbeständen (also Können), Motivation, Ambition und Engagement (Wollen) sowie Anerkennung und Berechtigungen (Dürfen).

Kannst du kurz erklären, was du genau untersucht hast?
In einem Zeitraum von mehr als fünf Jahren habe ich Interviews geführt, in Kletterhallen beobachtet, Bilder von Kletterprofis analysiert und bin selbst geklettert. Dabei hat mich interessiert, wann es relevant wird, ob ein Mann oder eine Frau klettert, wann Geschlecht irrelevant wird und welchen Menschen wofür Anerkennung entgegen gebracht wird.

Unsere Highlights

Was ist das Hauptergebnis deiner Untersuchung?
Menschen werden beim Sportklettern in einem von drei Kompetenzniveaus verortet. Das jeweilige Kompetenzniveau setzt sich aus beobachtetem Können und zugeschriebenem Wollen zusammen. Weder gelten alle Menschen als gleichermaßen fähig, noch als gleichberechtigt. Je nach Beurteilungskriterien gelten manchmal Männer als motivierter, Frauen hingegen als fähiger.

Was können, wollen und dürfen die Geschlechter im Sportklettern?
Zum Beispiel wird im niedrigen Kompetenzniveau zunächst allen Menschen ein Mangel an der „richtigen“ Motivation unterstellt. So heißt es mitunter, dass Männer eher überambitioniert seien und Frauen imponieren wollen. Frauen hingegen seien weniger am Klettern interessiert als an den anwesenden Männern. Erst durch Leistung und regelmäßiges Klettern können diese Geschlechterstereotype entkräftet werden.

Bist du auch auf interessante Neben-Befunde gestoßen?
Wenn es in Seilschaften um (potentielle) Paarbeziehungen geht, verschiebt sich der Fokus auch mal schnell weg von der Bewegungskompetenz. Zuweilen wird berichtet, dass es Männer als ihre Aufgabe in der Partnerschaft verstehen, den Vorstieg zu übernehmen und dies sogar dann tun, wenn die Partnerin eigentlich besser klettert.

Wo siehst du den größten Gewinn deiner wissenschaftlichen Arbeit?
Ein wichtiger Befund ist, dass Geschlechterdifferenzierungen beim Sportklettern stets einen auf- oder abwertenden Effekt haben. Spannenderweise geht es aber immer weniger darum, ob ein Mann oder eine Frau besser klettert oder motivierter ist, sondern welche Bewegungsmuster erfolgreicher sind. Damit haben Menschen im Sportklettern einen Weg gefunden, den in der Gesellschaft oftmals hartnäckig ausgetragenen „Kampf der Geschlechter“ schlicht beiseite zu legen.

Welche Fragen wirft deine Arbeit auf?
Spannend wäre ein Vergleich, wie in anderen Kletterdisziplinen das Können, Wollen und Dürfen nach Geschlecht differenziert wird, wann also Geschlecht relevant gemacht wird.

KL Babette Kirchner
Sven Mikley
Babette Kirchner beim Bouldern im Harz.

Babette Kirchner (35) ist seit 2010 begeistert am Sportklettern und Bouldern, in die Berge geht sie gern zum Wandern, Skifahren und Snowboarden. Seit mehr als fünf Jahren forscht die promovierte Soziologin auch im Bereich Klettern und Bergsport. Ihre Dissertation zum Thema ist bei Springer als Buch erschienen (siehe unten).

Buch

KL Bewegungskompetenz Buch von Dr. Babette Kirchner
Springer Verlag
Bewegungskompetenz Buch von Dr. Babette Kirchner

Bewegungskompetenz
Sportklettern – Zwischen (geschlechtlichem) Können, Wollen und Dürfen
von Dr. Babette Kirchner
Springer VS, 2018, Reihe Erlebniswelten

Die aktuelle Ausgabe
07 / 2023

Erscheinungsdatum 06.06.2023