Bouldern macht glücklich! Eigentlich nichts Neues, denn sportlicher Aktivität wird dies allgemein nachgesagt. Aber im Vergleich zu anderen Sportarten lässt gerade Bouldern und Klettern die Psyche wieder neue Höhen erklimmen. Wir Kletterer wissen das, doch jetzt gelang es auch einem Team von Wissenschaftlern aus Erlangen, den psychologischen Nutzen des Boulderns zu beweisen.
Die (zusätzliche) Behandlung von Menschen, die an Depressionen leiden, mit Bouldern als therapeutischem Hilfsmittel sei hilfreich – so lautet zumindest das Ergebnis einer Studie der Fakultäten für Medizin und Psychologie, an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Doch nicht nur ob, sondern warum therapeutisches Klettern für depressiv Erkrankte hilfreich ist, galt es herauszufinden. Über einen Zeitraum von acht Wochen verglich die Studie die Symptome von Depression bei Teilnehmern in zwei Gruppen. Während eine Gruppe sich einmal pro Woche beim Bouldern verausgaben konnte, durfte die andere sich währenddessen sportlich nicht betätigen.

Alle Teilnehmer wurden regelmäßig auf die Symptome ihrer Krankheit untersucht. Mithilfe von Fragebögen und Tests ließ sich die Ausprägung der Symptome zwischen den Gruppenmitgliedern vergleichen. Und siehe da: Bei der Boulder-Gruppe wurden schon ab dem ersten Tag, mit Einsetzen der Übungen, deutlich niedrigere Merkmale von Depression beobachtet. Auch als die Gruppen wechselten, wurden ähnliche Ergebnisse gefunden.
Die Forscher stellten außerdem fest, dass Teilnehmer mit schwerwiegenderen Depressionserscheinungen auch den meisten Nutzen aus den Boulder-Einheiten zogen.
Aber was bietet Bouldern, was Laufen oder das Fitnessstudio nicht bietet?
Die Studie stellt fest:
„Bouldern stärkt das Selbstwertgefühl“
Erfolgserlebnisse machen glücklich. Wer einige Boulderprobleme klettert, hat damit auch einige Erfolge eingeheimst – keine Selbstverständlichkeit für Depressive. Bouldern, so folgern die Wissenschaftler, ermögliche also relativ einfach, das Selbstwertgefühl zu stärken.
„Bouldern ist kompliziert“
So stelle das Bouldern besondere Ansprüche an Koordination und Wahrnehmung. Statt monotone Bewegungsabläufe zu fordern, stellt jeder Boulder immer neue Bewegungsprobleme, die es zu lösen gilt – hier ist vor allem Kreativität und Konzentration gefragt. Zum anderen zeigt sich sichtbarer Erfolg oder Misserfolg relativ schnell, so dass man ein unmittelbares Feedback bekommt.
„Bouldern weckt Gefühle“
Beim Klettern werden Emotionen wach. Egal ob Freude, Wut, Frustration, Stolz oder Angst: Für psychisch Kranke ist es oft schwierig, sich mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen. Bouldern hilft, einen Einstieg zu finden und Emotionen anzuerkennen.
„Bouldern ist sozial“
In der Gruppe macht es nicht nur mehr Spaß, an Problemen zu tüfteln; gemeinsam Bouldern hat auch in therapeutischer Hinsicht einen Mehrwert. Sich gegenseitig Mut zusprechen oder auch Feedback und Zuspruch geben: Dies sind alles Teile einer positiven Gruppendynamik, die der Psyche gut tut.
Ein Sport, der so vielseitig ist wie Bouldern oder Klettern, bietet auch vielseitige psychosomatische Vorteile. Und das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum wir diesen Sport so lieben – weil er uns auf so unterschiedliche Weise fordert und fördert. Uns würde ja interessieren, ob für Menschen, die das Bouldern bereits in ihr Leben integriert haben, der positive Effekt des „therapeutischen Boulderns“ geringer ausfällt – oder werden Kletterer einfach nicht depressiv?
Die Forscher der Friedrich-Alexander-Universität resümieren, dass das Potential des Klettersports in der Therapie besser ausgeschöpft werden sollte.
Quelle: Indoor rock climbing (bouldering) as a new treatment for depression: study design of a waitlist-controlled randomized group pilot study and the first results; Katharina Luttenberger, Eva-Maria Stelzer, Stefan Först, Matthias Schopper, Johannes Kornhuber & Stephanie Book; erschienen in BMC Psychiatry 2015, 15:201