Corona & Hallen: Interview mit Boulderwelt-Chef Markus Grünebach

Kletterhallen & Corona-Regeln
Interview mit Boulderwelt-Chef Markus Grünebach

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Zuletzt aktualisiert am 03.07.2020

Über die Schwierigkeiten und derzeitigen Gegebenheiten von Kletterhallen haben wir mit dem Geschäftsführer Kletterwelt GmbH gesprochen, die die Boulderhallen-Kette Boulderwelt verwaltet. Markus Grünebach über die Lage von Kletterhallen zu Corona-Zeiten.

Markus Grünebach in der Boulderwelt
Boulderwelt

Markus, wie viele Seiten umfasst euer Corona-Hygienekonzept?

Unser aktuelles, umfassendes Hygienekonzept beinhaltet pro Halle knapp 80 Seiten mit den drei Hauptpunkten: arbeitgeberzentrierte Regeln und Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter, Personenstromsteuerung und Kapazitätsmanagement, sowie Hygieneprotokoll und Schutzmaßnahmen. Das individuelle Hygienekonzept ist dynamisch und muss regelmäßig angepasst werden, wenn sich neue Lockerungen oder Änderungen der jeweiligen Länderregierung ergeben.

Die Anforderungen an uns ergeben sich aus den jeweiligen Allgemeinverfügungen, Anlagen und Rahmenkonzepte der jeweiligen Länderministerien. Diese unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland und von Zeitpunkt zu Zeitpunkt stark. Die Verfügungen verweisen auf die Verbände (in unserem Fall auf den Deutschen Olympischen Sport Bund, DOSB), der wiederum auf das Rahmenkonzept des jeweiligen Spitzensportverbands (in unserem Fall den Alpenverein, DAV) verweist. Das Rahmenkonzept des DAV wurde in der Kletter- und Boulderhallenszene über Arbeitsgruppen und einen nie dagewesenen Austausch zwischen den Hallenbetreibern konzipiert, an dem wir auch mitbeteiligt waren.

Daran sieht man, dass es keine allgemeinen Konzepte für die Unternehmen gibt, sondern jedes Unternehmen sich ein eigenes Hygieneschutzkonzept anhand dieser Vorgaben und Richtlinien passend erstellen muss. Im Fall einer Kletter- oder Boulderhalle mit Bistro greifen auch nicht nur die Vorgaben für Sport, sondern auch noch die jeweiligen Vorgaben für die Gastronomie. In fast allen Bundesländern wurde vom Betreiber erwartet, ein individuelles, auf den Standort zugeschnittenes Konzept zu entwerfen und bei Aufforderung durch die Prüfer vorzulegen. Neben dem Erstellen des Konzeptes und dessen Durchführung war es besonders herausfordernd, mit den teilweise sehr kurzfristigen Vorlaufzeiten zu arbeiten, zum Beispiel hat Hessen am Donnerstag verkündet, dass Boulder- und Kletterhallen am Samstag unter Einschränkung und Einhaltung des Hygieneschutzkonzepts wiedereröffnen dürfen. Die Allgemeinverfügung, die aber für dieses Konzept als Grundlage diente, wurde jedoch erst Freitagnacht veröffentlicht.

Neben den ganzen Maßnahmen, die sich hieraus ergeben, muss man vor allem auch den Schutz der Mitarbeiter separat betrachten, der sich aus den Arbeitschutzrichtlinien zu Covid-19 und dem Rahmenprogramm der jeweiligen Berufsgenossenschaft ergibt; zum Beispiel sind neue Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen.

Hand-Desinfektion in der Boulderwelt
Boulderwelt

Wie schwierig sind die Anforderungen umzusetzen, wo liegen für euch die Knackpunkte?

Die Hauptschwierigkeit war die schnelle Erstellung des individuellen Konzeptes auf Basis der teilweise sehr kurzfristig kommunizierten Veröffentlichungen der Landesregierungen, die zum Teil auch sehr auslegungsbedürfig sind und sich mit dem Verlauf der Pandemie auch ständig ändern. Die Umsetzung der Maßnahmen, die sich aus unserem Konzept ergeben (z.B. Laufwege markieren, Abstand wahren, Umkleiden zu sperren etc.), sind an sich gut machbar, schwierig bleibt aber vor allem der Spagat zwischen einem wirtschaftlichem Betrieb und der Verantwortung der Eindämmung der Pandemie.

Um den Abstand der Personen in der Halle zu gewährleisten, müssen die Hallen die Anzahl der gleichzeitigen Besucher massiv begrenzen. Um dies sicherzustellen werden unterschiedliche IT Lösungen genutzt, z.B. Time Slot Online-Buchungen mit fixen Zeitfenstern, oder so wie bei uns eine Echtzeit-Kommunikation des Füllgrades während Corona per Ampel auf der Webseite. Leider verursachen diese Lösungen auch noch zusätzliche Kosten, die bei eh schon geringerem Umsatz durch die Begrenzung der Besucherzahl zu Buche fallen.

Es wird immer wieder über Ansteckungsgefahr durch Aerosole berichtet. Lüftet ihr jetzt intensiver?

Bereits vor Corona haben wir uns sehr intensiv mit dem Luftwechsel in der Halle beschäftigt. Je nach Halle gab es auch davor verschiedene Konzepte wie regelmäßiges Stoßlüften oder Luftaustausch durch eine Lüftungsanlage. Mit Corona wurden diese Konzepte nochmal angepasst und stark verschärft, sowie Räume mit wenig Luftvolumen temporär für unsere Gäste gesperrt.

Bouldern in der Boulderwelt
Boulderwelt

Schmierinfektionen sind bislang nicht bekannt. Trotzdem: Werden Griffe bei Euch jetzt häufiger oder anders gereinigt?

Die Eindämmung einer potenziellen, wenn auch wissenschaftlich nicht nachgewiesenen Schmierinfektion geschieht nicht ausschließlich über die Reinigung der Griffe, sondern viel mehr über die Schleuse der Kletterer an die Wand. Jeder Kunde, der unsere Halle betritt, desinfiziert sich die Hände, wäscht sich diese dann nochmal und ist aufgefordert, wenn möglich, Liquid Chalk zu verwenden. Das Liquid Chalk hat auf aufgrund seines hohen Alkoholgehaltes über 70 Prozent eine unterstützende Wirkung. Des Weiteren stehen dem Kunden auch in der Halle zusätzliche Desinfektionsspender zur Verfügung. Natürlich reinigen wir die Griffe im Rahmen des Umschraubzyklus regelmäßig. Andere Kontaktflächen wie Matten, Handläufe oder Theken werden täglich, teils mehrfach gereinigt und desinfiziert.

Was sind die größten Einschränkungen für eure Kunden?

Die potenziell größte Einschränkung für die Gäste ist das Personenkapazitätsmanagement. Durch die begrenzte Anzahl der gleichzeitigen Besucher in der Halle kann es zu Stoßzeiten zu einem Einlassstopp kommen, oder bei einem Timeslotsystem dazu führen, dass man nicht so flexibel wie gewohnt bouldern gehen kann. Daneben gibt es noch weitere Einschränkungen wie zum Beispiel eine begrenzte Verweildauer oder die Sperrung der Umkleiden und Duschen. Dazu gab es auch starke Einschränkungen im Bistro und im Kursbereich. Zudem müssen wir bei dem ersten Besuch nach der Corona-Wiedereröffnung die Kundendaten abgleichen, was zu erhöhten Wartezeiten am Check-In führen kann.

Zum Glück mussten wir mit unseren großzügigen Hallen einen wirklichen Einlassstopp bisher nur in seltenen Fällen machen und wenn dann auch nur für sehr kurze Zeit. Wir sind unseren Gästen sehr dankbar, die stark auf unsere Live-Ampel achten und ihre Besuche gut über den ganzen Tag verteilen.

Bouldern in der Boulderwelt
Boulderwelt

Wie nehmen diese die Regeln an? Wie ist die Stimmung in der Halle?

Wir haben eine super Community! Wir erfahren zum Glück eine sehr positive Rückmeldung der Boulderer auf die ganzen Maßnahmen und die Meisten verhalten sich wirklich sehr vorbildlich, unterstützen uns und die Eindämmung der Pandemie sehr vorbildlich und man kann eine sehr entspannte Stimmung feststellen.

Überwacht ihr die Einhaltung der Regeln und müsst ihr manchmal einschreiten?

Selbstverständlich überprüfen wir die Regelungen und klar gibt es ab und zu eine Erinnerung an einzelne Boulderer. Jedoch kann man sagen, dass 99 Prozent der Community sich sehr verständnisvoll zeigt, uns grandios unterstützt und insgesamt alle froh sind, dass wir überlebt haben und jetzt wieder aufhaben, auch wenn mit Einschränkungen.

Überwachen die Behörden eure Art der Umsetzung und Einhaltung der Hygieneanforderungen?

In unseren Hallen selbst gab es noch keine offizielle Kontrolle. Ob die Ämter aber undercover vor Ort waren wissen wir nicht. Wir wissen von zwei anderen Betreibern in Deutschland, die einen offiziellen Besuch der Gesundheitsbehörden hatten und ihre Konzepte darlegen mussten.

Generell überwachen wir uns aber selbst wohl am besten und versuchen so vorbildlich, wie es nur geht, alle Maßnahmen umzusetzen und zu kontrollieren. Das Schlimmste für alle wäre eine zweite Welle und daher ist es auch in unserem größten Interesse dies zu verhindern und alle bestmöglichst zu schützen.

Bouldern in der Boulderwelt
Boulderwelt

Allein schon Magnesia und Schuh-Abrieb sorgen für Staub, wie sorgt Ihr für mehr Hygiene und weniger Infektionsgrundlage?

Magnesia oder Schuh-Abrieb hat ja primär nichts mit einer erhöhten Infektionsgefahr wegen dem Corona-Virus zu tun. Unabhängig davon ist die Reinigung in den Kletter- und Boulderhallen durch den entstehenden Abrieb und den Chalkstaub meistens schon auf einem sehr hohen Niveau. Wir haben die Reinigung während der Öffnungszeiten jedoch trotzdem noch weiter ausgeweitet und fokussieren uns vor allem auf Kontaktflächen wie Türgriffe, die genutzt werden müssen.

Was ist die größte Herausforderung für Kletterhallen derzeit?

Mit den reduzierten Umsätzen dennoch den gewohnten Standard für die Kunden zu bieten und auf lange Sicht ein halbwegs kostendeckendes Krisengeschäftsmodell hinzubekommen, was uns alle die Zeit bis zum Impfstoff hoffentlich überleben lässt. Die Kostenblöcke der Hallen sind aufgrund der großen Flächen und dem Service, den wir bieten, sehr hoch. Hierfür drücken wir der gesamten Hallenszene und der ganzen Community ganz fest die Daumen!

Danke Markus!