Gut gelegt ist halb gewonnen

Workshop: Absichern mit Klemmgeräten
Gut gelegt ist halb gewonnen

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Zuletzt aktualisiert am 19.03.2008
KL Klemmkeile
Foto: Ralph Stöhr

Meinen ersten Eindruck von der Leistungsfähigkeit eines Klemmkeils bekam ich, als mein Freund Qualmi im Donautal am Stand vorbeischoss. Etwa zwölf Meter weiter oben hatte sein Flug mit einem ausbrechenden Normalhaken begonnen, dem zwei weitere widerstandslos folgten.

Als es mich schließlich am Stand nach oben riss, wusste ich, dass wenigstens der Keil gehalten hatte, den Qualmi kurz über dem Stand gelegt hatte. Jetzt baumelte er zwar zehn Meter unter mir, aber immerhin war es kein Faktor-2-Sturz geworden. Das kleine Aluklötzchen mit der Schlinge drin hatte Schlimmeres verhindert.

Sauber gelegt und in gutem Fels sind Klemmkeile und Friends eine verlässliche Sicherung und halten mehr als manch alter Normalhaken. Doch bis sie sauber liegen und das noch an den richtigen Stellen, bedarf es einiger Organisation und Übung.

Welche Keile und wieviele benötige ich?

Das saubere Legen von Keilen und Friends bedarf einiger Organisation und Übung. Das fängt schon am Boden an: Welche Keile müssen mit und wie transportiere ich sie am besten?

Wer in alpinen Sportkletterrouten oder im Klettergarten ein Set für alle Fälle dabei hat, wird mit Rocks der Größe 2 bis 9 (bzw. Stoppers der Größen 5 bis 12) und einige mittleren Friends (z.B. Größe 1, 2 und 3) oder Camalots (Größen 0, 5, 1 und 2) hinkommen. In diesem Fall reicht es, alle Rocks und alle Friends jeweils an einem Karabiner mitzuführen. Dann wird es zwar etwas fummeliger, wenn man etwas legen will, aber wenn das sowieso die Ausnahme ist, kann man damit leben.

In großen alpinen Routen sollte schon ein kompletter Satz Keile am Gurt hängen, und statt drei wird man eher fünf bis sechs Klemmgeräte mitführen und die abgedeckte Rissbreite noch etwas nach oben und unten ausdehnen. In diesem Fall wird man sowohl Keile als auch Friends schon mindestens auf jeweils zwei Karabiner verteilen.

Wer in Gebieten und Routen unterwegs ist, in denen alles mit Keilen selbst abgesichert werden muss, wie es in Großbritannien oder in den USA oft der Fall ist, sollte versuchen, sich aus dem jeweiligen Gebietsführer über das benötigte Material zu informieren. Oder mit den Locals sprechen. In den meisten Fällen wird ein einzelner Satz Keile nicht mehr ausreichen, zumindest die mittleren Größen braucht man fast immer doppelt. Bei Rissklettereien kann es auch vorkommen, dass der Riss fast durchweg die gleiche Breite hat und man viele Keile oder Klemmgeräte der gleichen Größe braucht. Solche Risse beschränken sich aber im Großen und Ganzen auf wenige Sandsteinwände in Utah.

Organisation am Gurt

Je mehr Keile man dabei hat, auf desto mehr Karabiner muss man sie verteilen. In Routen, wo man ständig Keile legen muss, wird man nicht mehr als drei oder vier in einem Karabiner haben wollen, sonst wird das Handling sehr lästig.

Bei Friends oder Camalots sind schon eher zwei das Maximum pro Karabiner, sie verhängen sich zu gerne aneinander. Bei richtig schweren Routen hängt pro Karabiner nur noch ein Keil, zumindest von den Größen, die man voraussichtlich brauchen wird. Natürlich wandern die Keile dann auch an die vorderen Materialschlaufen des Gurts, wo sie schneller zugänglich sind. Die Expressen von hinten wegzufischen, ist im Eifer des Gefechts einfacher, als hinten am Gurt eine bestimmte Keilgröße zu finden.

In die Wand damit

Wie der Keil vom Gurt in den Riss kommt, ist Geschmacks- und Übungssache. Wer mit sicherem Auge von der Rissbreite auf die benötige Keilgröße schließen kann, kann den passenden Keil einzeln aus dem Karabiner am Gurt nehmen und versenken. Wenn er aber nicht passt, muss er wieder in den Karabiner und ein anderer Keil herausgefischt werden. Das kostet Zeit, Kraft und Nerven. Viele nehmen daher lieber das ganze Keilbündel vom Gurt und haben dann schneller alternative Größen zur Hand. Gerne wird der passende Keil mit dem Mund gefischt, wenn nur eine Hand frei ist – manche Kletterer könnten bei „Wetten, dass …“ die Keilgröße wahrscheinlich am Geschmack erkennen. Der Nachteil dieser Methode ist, dass bei Unachtsamkeit das ganze Keilbündel auf einmal in der Tiefe verschwinden kann.

Klemmkeile liegen am sichersten, wenn sie möglichst flächig am Fels aufliegen und schon im unteren Drittel klemmen. Liegt der Keil stabil im Riss, zieht man ihn mit einem kräftigen Ruck an der eingehängten Expressschlinge fest, damit er sich beim Weitersteigen nicht von alleine löst. Bei Klemmgeräten sollten alle Segmente sauber klemmen, das Gerät sollte möglichst nicht ganz gespannt und nicht völlig offen sein. Die beste Haltewirkung erzielen Klemmgeräte in mittlerer Stellung. Der Fels sollte an der Klemmstelle natürlich solide sein. Oft bilden sich Risse hinter hohlen Schuppen, hier sind Keilstellen sehr unsicher.

Gute Placements nutzen

Zu bedenken ist, dass Keile meist nur in eine Zugrichtung halten. Wenn die Route vom Keil zur Seite oder schräg wegläuft und der Seilverlauf am Keil geknickt ist, kann der Keil vom Zug des Seil aus dem Riss gezogen werden. Das gilt beim Weiterklettern, besonders aber, wenn weiter oben noch eine Zwischensicherung gelegt wurde und sich das Seil dann im Sturzfall spannt. Deshalb muss man beim Legen schon die weitere Routenführung im Auge haben und gegebenenfalls den Keil mit einer langen Schlinge einhängen, um seitlichen Zug zu veringern.

Überhaupt muss man beim Klettern mit Keilen sehr strategisch denken. Den ersten guten Keil sollte man immer drin haben, bevor es schwer und anstrengend wird. Denn das Legen von Keilen in unsicherer Position ist erstaunlich anstrengend für Arme und Beine. Dann gilt es, gute Placements auch zu nutzen. Insbesondere, wenn sich der Riss weiter oben schließt oder zu breit wird für das Material, das man dabei hat, darf man am letzten geeigneten Fleck auch mal zwei oder drei Keile dicht beieinander legen, wer weiß, wann wieder eine Keilstelle kommt. Außer natürlich, das letzte Placement ist so bombensicher, dass ein Keil reicht, dann spart man besser. Denn jeden Keil, den man legt, hat man weiter oben nicht mehr zur Verfügung. Bei langen Rissseillängen kommt es regelmäßig vor, dass gegen Ende die Größen, die man noch brauchen könnte, schon alle verbraucht sind. Schlecht, wenn man dann womöglich mit ein paar Restkeilen auch noch einen Stand basteln muss. Da hilft nur Vorausdenken, ein gutes Augenmaß und Erfahrung.

Wie schwer ist das Klettern mit Keilen?

Ist das Klettern nur mit Keilen denn nun schwerer als reines Bohrhaken klinken? Und macht es überhaupt Spaß? Auf beide Fragen lautet die Antwort ja. Es ist schwerer, denn es ist physisch anstrengender, weil man beim Keile legen oft lange in einer unbequemen Position verharren muss. Und es ist psychisch anstrengender, weil zum Klettern noch die Sorge um die Absicherung kommt. Und es macht Spaß, weil es einem ungeheure Befriedigung verschafft, wenn man eine "unberührte" Wand nicht nur aus eigener Kraft durchstiegen, sondern auch mit eigenen Mitteln abgesichert hat.

Einsteigen ins Keilgeschäft

Es mag merkwürdig klingen, aber es gibt in den Rissgebieten dieser Welt viele Kletterer, die sich in einem Riss wie links im Bild viel wohler fühlen als in einer gebohrten Sportkletterroute. Denn in einer solchen müssen sie die sicherungsfreien Leerstellen zwischen den Bohrhaken zwingend vorsteigen. In einem guten Riss dagegen lässt sich praktisch jeden Meter ein Keil legen. Wer genug davon dabei hat, legt stets etwas über sich einen Keil und klettert die Route praktisch toprope. Wer ins Keilgeschäft einsteigen will, sollte sich möglichst ähnlich gute Verhältnisse suchen.

Gute, feste Risse bieten vor allem Granit und Sandstein. Da dass Absichern mit Keilen einen Teil der Aufmerksamkeit und Kraft beansprucht, bleibt man bei den ersten Routen am besten sehr deutlich unter dem eigenen Limit. Noch dazu ist die Risskletterei ein Kletterstil, der im Zuge das Sportkletterns und der Hallen etwas außer Mode gekommen ist und von den wenigsten regelmäßig geübt wird. Es ist immer wieder überraschend, wie technisch anspruchsvoll Risse sein können.

KL Klettern mit Klemmkeilen
Archiv Ralph Stöhr