Klettergeschichte im Frankenjura: Legendäre Routen

50 Jahre Rotpunkt Kalender
12 Frankenklassiker im Kalender: die Bilder

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Zuletzt aktualisiert am 19.11.2024

50 Jahre Rotpunktklettern

Der heutige Standard im Sportklettern wurde von Kurt Albert im Frankenjura etabliert, den Namen dazu lieferte eine Kaffeekanne. Ein Fotoprojekt feiert das 50-jährige Rotpunkt-Jubiläum mit Bildern aus den besten Frankenklassikern. Wir zeigen eine Auswahl und befragen den Zeitzeugen Milan Sykora.

Wie das Sportklettern entstand

Natürlich lag es nicht an der Kaffeekanne, doch sie lieferte mit dem roten Punkt das Symbol für die Revolution, die das Klettern verändern sollte und den Grundstein legte fürs Sportklettern, wie wir es heute kennen. Ein Zusammenspiel aus Zeitenwende, solideren Bohrhaken, besserem Equipment und einer neuen sportlichen Ethik veränderte das Klettern: Von einer eher alpin ausgerichteten, elitär-ernsten Unternehmung wandelte sich das Tun an den Felsen zu einer neuen Spielart. Eine neue Klettergeneration wuchs heran: Alternative Freigeister, für die Klimmzugtraining und Selbstverwirklichung keinen Widerspruch bedeuteten. "Freeclimbing is just an expression of trying to set yourself free" erläutert Thomas 'Balli' Ballenberger die neue Philosophie.

Der Name Rotpunkt stammt angeblich von der Kaffeekanne aus der legendären Güllich/Albert-WG in Oberschöllenbach – vielleicht setzte er sich deshalb so gut durch, denn was wäre das Sportklettern ohne eine Prise dolce vita, das Kaffeetrinken? Was das Sportklettern im Frankenjura ausmacht, das hat die Fotografin Daga Dygas mit ihrem Fotoprojekt anlässlich von 50 Jahren Rotpunktklettern in Bildern eingefangen – wir freuen uns, sie in der Fotogalerie zeigen zu dürfen.

Interview mit Erstbegeher Milan Sykora

Milan Sykora (63) gehört zu den prägendsten Erstbegehern im deutschen Sportklettern. Auch er feiert 2025 ein Jubiläum. Wir sagen Glückwunsch!

Milan Sykora
Archiv Milan Sykora
2025 wird das Rotpunktklettern 50 Jahre alt...

... ja, lustigerweise ist es auch mein fünfzigstes Kletterjahr.

Wie blickst du zurück auf die Entstehung des Rotpunktkletterns?

Ach, ich bin wahnsinnig froh, dass ich diese Ära mitgemacht habe. Es war kein Konsum wie heute. Andererseits bin ich heute froh, dass es so viel zu klettern gibt. Ich war gut mit Kurt und Wolfgang befreundet, und es war eine tolle Zeit. Ich bin dankbar, dass ich so viele schöne Wege erstbegehen konnte.

Rotpunkt, natürlich?

Ja klar. Mir war sowieso immer klar, dass Freiklettern viel spannender ist als mit der Trittleiter zu klettern. Das gab es auch im Sandstein, wo ich das Klettern als Kind angefangen habe, gar nicht. Ich bin in Tschechien geboren und war dort schon früh mit meinen Eltern im Sandstein unterwegs, sie waren beide sehr gute Kletterer. Damals wurde an den wenigen vorhandenen Sicherungspunkten geruht, also man kletterte AF, aber dazwischen wurde bereits ganz selbstverständlich frei geklettert.

Auch im Ith, wo du in Deutschland anfangs viel geklettert hast?

Ja genau. Da haben wir schon Anfang der Siebziger Jahre recht schwere Touren geklettert, auch wenn natürlich immer nur 6+ dran stand (lacht). Da war das Klettern noch etwas abenteuerlicher, man konnte halt auch am Boden landen. Haken hat man damals von Hand gebohrt, klar war das dann spärlicher. Wenn die Leute heute sagen, die Fränkische sei schlecht gesichert, dann wird einem erst wieder bewusst, was das für eine andere Zeit war.

Inwiefern?

Das Klettern kam ja vom Bergsteigen, und hat es sich dann langsam zu etwas eigenem entwickelt. Mir wurde irgendwann nach einem Beinahe-Unglück in Chamonix klar, dass mich der sportliche Aspekt am Klettern doch mehr interessiert als der Fokus aufs Alpine. Es gab da ein Foto von Ray Jardine in der Seperate Reality, das hat mich damals total fasziniert, wie er da im Dach hing – da wurde mir klar, genau das will ich machen. Später war ich dann viel in der Pfalz, teilweise wochenlang hab ich im Kuhstall vom Bärenbrunner Hof geschlafen, um dort zu klettern. Da habe ich dann Reinhard Karl getroffen und Wolfgang Güllich.

Und dann ging es nach Franken?

Ja, ich bin auch in die legendäre WG in Oberschöllenbach eingezogen. Das Potenzial der Fränkischen war ja Wahnsinn damals. Und mit den besseren Sicherungen konnte man dann auch besser stürzen.

...was das Rotpunkten dann normaler machte?

Naja, nach den ganzen Auseinandersetzungen. Da gab es schon Widerstand, es wurden Touren wieder ausgenagelt, der Pfälzer Hakenkrieg... Damals wurde kritisiert, dass wir Magnesia benutzen, dass wir von oben eingebohrt haben. Das hat schon ein paar Jahre gedauert, bis sich da die Wogen wieder gelegt haben.
In der Fränkischen gab es halt mit Kurt eine charismatische Person, die das ganze vorangebracht hat. Der war ja schon jung sehr stark auch im Gebirge und war daher ultra anerkannt. Deshalb konnte er das hier auch machen und die Idee des Rotpunkts weiterführen. Der kam ja eigentlich auch vom Trittleiterklettern, bis er dann im Elbsandstein war und in den USA. Die Amis waren ja durch den Fritz Wiesner, den Elbsandsteinkletterer, viel früher schon beim Freiklettern angekommen. Der Fritz ist glaube ich in den Dreißiger Jahren rüber und hat dann in den Gunks angefangen, frei zu klettern.

Die Idee musste also einmal über den Teich und zurück, um in der Fränkischen zu landen. Und dann?

Es war viel sportlicher. Man hat angefangen, ganz anders zu trainieren. Die Stimmung war anders.

Was war dein stolzester Rotpunktmoment?

Ach, da gibt es viele. Wobei, ich bin sehr stolz auf die Härte 10, nicht mal meine schwerste Tour, aber vom Stil – so steil und athletisch – war sie halt gar nicht meins und sie ist mir extrem schwer gefallen.

Und heute?

Ich bin tierisch gierig, bin gerade so motiviert wie vor 50 Jahren. Ich habe immer noch einen ganz schönen Drang zum Schwer klettern. Heute bin ich allerdings viel im Sandstein unterwegs, da ist die Kletterei weniger athletisch, aber anspruchsvoll und intensiv.

Interview mit der Fotografin

Die Fotografin und Kletterin Daga Dygas hat mit 50RP ein Herzensprojekt gestartet. Wir haben mit ihr darüber gesprochen.

Klettern im Frankenjura - 50 Jahre Rotpunkt Kalender
Daga Dygas
Wie bist du auf das Projekt 50RP gekommen?

Die Geschichte, Szene und vielen Felsen des Frankenjura haben mich inspiriert, und nicht zuletzt die Biografie von Kurt Albert. Erst wollte ich die Klassiker Frankens fotografieren, dann bemerkte mein Partner Marek, dass das fünfzigste Jubiläum des Rotpunktkletterns nahte. Das wollte ich mit einem Fotoprojekt feiern. Der Kalender 2025 ist sozusagen der Startschuss fürs Jubiläumsjahr, ein Bildband zu 50 Routen zum fünfzigsten Jubiläum des Rotpunktkletterns folgt als nächstes.

Wie bist du vorgegangen?

Erst habe ich viel recherchiert, Gespräche mit Menschen geführt und ein Konzept erarbeitet. Dann kam die Routenrecherche! Das hieß rund 230 Routen persönlich zu besuchen und 50 davon auszuwählen.

Nach welchen Kriterien hast du die Routen und Menschen ausgewählt?

Das war schwierig, und ich bin sicher, dass jeder es anders machen würde. Es gibt klare Pflichtlinien wie Action Directe, Magnet oder Sautanz, die Ultraklassikerstatus haben und offensichtlich wichtige Meilensteine waren. Dann gibt es ältere Routen, die heutzutage etwas vergessen sind, teils eher schwer für den Grad; dann welche, die den natürlichen Strukturen folgen oder alpinere Linien wie Die Gelbe; und natürlich den Adolf-Rott Gedenkweg am Streitberger Schild, wo Kurt Albert damals erstmals seinen roten Punkt malte. Dazu kommen noch Linien, die manche Konzepte oder Einstellungen, die hier innerhalb der 50 Jahre präsent waren, abbilden. Zum Beispiel Team Motivation an der Luisenwand oder Elektrischer Sturm in der Hölle an der Klagemauer, die Phasen der fränkischen Entwicklung markieren: die Begeisterung mit dem Soloklettern und die Zeit, wo die Klagemauer ein absoluter Traininghotspot war. Schließlich noch Touren, die einfach beliebt oder besonders schön sind. Die Menschen sollten eine starke persönliche Beziehung mit Franken haben. Viele sind Locals, die meisten haben hier ihre wichtigsten Routen geklettert. Meine Priorität ist, womöglich die Erstbegeher der Projektrouten zu erreichen. Es ist eine schöne Mischung aus Pionieren und Profis und einfach frankenbegeisterten Kletterinnen und Kletterern geworden.

Welchen Stellenwert haben diese Routen deiner Meinung nach heute?

Die meisten Linien sind verdient zu beliebtesten Testpieces geworden und sind auch heute für die Kletterwelt bedeutend. Ich freue mich, dass ich teils die Geschichten zu den Routen erzählen kann.

Was ist aus deiner Perspektive das Besondere am Franken?

Die schöne Landschaft, der besondere Kletterstil mit seinem athletischen Anspruch und den teils sehr speziellen Fingerlöchen. Franken ist eins der wichtigsten Klettergebiete Europas mit seiner Ethik, der Geschichte, der Vielfalt, der unglaublichen Anzahl an Linien. Das 50RP Projekt ist für mich eine Möglichkeit, die Fränkische auf besondere Art zu erleben und... naja, die Geschichte zu berühren. Ich habe auch das Gefühl, dass die abgelichteten Kletterinnen und Kletterer sich freuen, dabei zu sein und so die Geschichte (manchmal der eigenen Kreationen) zu erzählen – und dafür bin ich endlos dankbar. Es ist kein kommerzielles, sondern ein Herzensprojekt, und ich freue mich, dass wir bald das 50RP Buch veröffentlichen können.

Weitere Info zum Projekt unter imschatten.photo/50rp.

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