Tipps bei Sturzangst
11 Tipps gegen Angst beim Bouldern und Klettern

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Die Kletterprofis und Coaches Hazel Findlay und Dave MacLeod geben Tipps zum Umgang mit Angst.

Klettern im Vorstieg
Foto: Ralph Stöhr

Besonders wenn man länger nicht bouldern oder klettern war, braucht man eine Weile, um wieder in den Modus zu kommen und sich wieder angstfrei bewegen zu können. Je mehr Routine man hat, desto weniger Angst ist im Spiel. Doch es gibt Herangehensweisen, die besonders hilfreich sind, den Stress loszuwerden, wie die Tipps der britischen Coaches Hazel Findlay ("Strong Mind Climbing") und Dave MacLeod ("9 von 10 Kletterern machen die gleichen Fehler") zeigen.

Unsere Highlights

Hazel Findlay: "Aufmerksamkeit lenken"

Hazel Findlay
Strong Mind Climbing
Die britische Tradkletterin Hazel Findlay befasst sich seit vielen Jahren mit Achtsamkeitstraining und hat mit Strong Mind Climbing ein onlinebasiertes Coachingangebot für den Kopfmuskel ins Leben gerufen.

Finde die richtige Dosis an psychischer Herausforderung: Über die physische Herausforderung einer Route denken wir üblicherweise oft nach, aber wir hinterfragen selten, ob eine Route psychologisch gesehen für uns angemessen ist. Um Ängste beim Klettern loszuwerden, ist es notwendig, das richtige Herausforderungslevel zu treffen. Das kann beim Klettern schwierig sein, weil es oft schwer einzuschätzen ist. Aber vielleicht gibt es die Möglichkeit, eine Herausforderung in Portionen aufzuteilen, sodass man nicht das Ganze auf einmal angehen muss.

Achte bewusst auf die Reaktionen deines Körpers: Um die richtige psychologische Dosis abzuschätzen, müssen wir unsere Stressreaktionen besser kennenlernen. Sonst kann es schnell passieren, dass wir etwas durchziehen, das zu stressig ist und uns überfordert. Das verstärkt Angst und negative Verknüpfungen. Deshalb ist es sinnvoll, unsere Stressreaktion zu beachten, etwa die Atmung oder die Anspannung im Körper. Meditieren hilft dabei, diese Fähigkeit aufbauen.

Im Hier und Jetzt bleiben: Angst entsteht oft, weil unsere Aufmerksamkeit in die Zukunft springt und mit dem Schlimmsten rechnet. Wenn wir im Jetzt bleiben, erkennen wir, dass im aktuellen Moment alles in Ordnung ist. Werkzeuge wie das Beobachten der Atmung oder das Visualisieren von Bildern oder Tönen können dabei helfen, den Fokus im Moment zu verankern.

Darüber sprechen: Oft fühlt man sich mit der Angst allein, weil es keine Gesprächskultur bei dem Thema gibt. Dadurch kann Scham und das Gefühl von Machtlosigkeit entstehen. Gespräche und Diskussion über die Angst wirken dem entgegen.

Dave MacLeod: "Angst ist der wichtigste leistungsbegrenzende Faktor"

Teufelskreis Angst + Klettertechnik nach Dave MacLeod
Riva Verlag
Angst hat Einfluss auf die Klettertechnik, leider nicht zum Guten.

Der Coach, Profikletterer und Youtuber ("Climber MacLeod") erklärt das Ausmaß des Problems: Für mehr als die Hälfte aller Kletterer, die ich je betreut habe, war Sturzangst der wichtigste leistungsbegrenzende Faktor. Unser Gehirn ist nicht dazu in der Lage, die wahren Risiken des Stürzens beim Klettern zu beurteilen. Die Fahrt zum Fels oder zur Halle ist gefährlicher als ein Vorstiegssturz in den meisten Routen.

Der einzige Weg ist stürzen, und zwar tausendfach. Wichtig für ein positives Sturzerlebnis: weiches Sichern, wie stark der Klettern nach hinten abspringt und ob man gegen den Fels prallt. Auch die Art und Weise, wie der Vorsteiger den Felskontakt absorbiert, ist ein wichtiger Faktor für ein positives Sturzerlebnis.

Trauma vermeiden: Fehlt eine der oben beschriebenen Techniken, wird ein Sturz fast unweigerlich zu einem erschreckenden und womöglich auch schmerzhaften Erlebnis, das kaum jemand freiwillig öfter auf sich nimmt.

Diszipliniert bleiben: Wenn du faul wirst und wieder in alte Gewohnheiten verfällst und dadurch ein unangenehmes Sturzerlebnis hast, fügt das deinem Vertrauen mehr Schaden zu, als ein einziger positiv verlaufender Sturz wiedergutmachen kann. Disziplin ist also wichtig. Du musst stürzen, stürzen, stürzen.

Die schwierigsten Fälle: Für manche Kletterer äußert sich die Sturzangst nur in bestimmten Situationen als leistungsbegrenzend, zum Beispiel, wenn sie nahe am eigenen Limit oder in gewissen Routentypen klettern, etwa Überhängen. Diese Kletterer sind mitunter die schwierigsten Fälle, weil sie selbst kaum merken, dass sie ein echtes Problem mit der Sturzangst haben.

Viel Stress entsteht auch, wenn wir uns selbst und andere nicht enttäuschen wollen. Deshalb plädiert Dave MacLeod dafür, sich auch mit Versagensangst auseinanderzusetzen.

Ehrlich zu sich selbst sein: Die meisten Kletterer sind sich ihrer Angst vor dem Misserfolg gar nicht bewusst. Wenn du weit davon entfernt bist, locker und unverkrampft mit Misserfolgen umzugehen, solltest du die Warnzeichen erkennen und das Problem in Angriff nehmen.

Scheitern gehört dazu: Locker und unverkrampft mit Misserfolg umzugehen, bedeutet, ihn als absolut integralen und zentralen Bestandteil des Sports zu verstehen, ohne den keine neuen Leistungsniveaus erreicht werden können.

Soziale Unsicherheit meistern: Die meisten Kletterer nehmen zwar wahr, in welchem Grad die anderen Anwesenden klettern, aber welcher Grad das ist, kümmert sie nur wenig. Wichtig ist für sie nur, wie sie selbst im Vergleich zu den anderen dastehen. Wenn du gut kletterst, sind sie beeindruckt und vielleicht etwas neidisch. Wenn du schlecht kletterst, nehmen sie das womöglich gar nicht wahr.

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07 / 2023

Erscheinungsdatum 06.06.2023