Die Greina-Hochebene

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Ruhe der Berge: Wandern in Graubünden
Die Greina-Hochebene

Zuletzt aktualisiert am 28.02.2000
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Foto: Ben Wiesenfarth

Am Ende der Welt wartet weder eine Abbruchkante noch ein schwarzes Loch. Am Ende der Welt wartet das »Café am Ende der Welt«. Wer vom Dörflein Vrin weiter in den Talschluss der Val Lumnezia emporwandert, kommt an den saftigen Bergwiesen einer Ziegenalp – und an dem Café – vorbei. Hier oben lassen sich Murmeltiere von der Hochsommersonne den Pelz wärmen. Und üben ihr akustisches Frühwarnsystem. Ein Pfiff bedeutet: Gefahr vom Boden aus. Zwei Pfiffe: Gefahr aus der Luft.Aber die Steinadler ziehen weit oben am 3149 Meter hohen Piz Terri ihre Kreise. Es verspricht also ein ruhiger Murmeltiervormittag zu werden. Und mitten drin im Bergidyll auf 1700 Meter Höhe: das Café am Ende der Welt. Dieses Café ist alles, außer gewöhnlich: Es ist in einer Jurte eingerichtet und bietet Platz für ein gutes Dutzend Wanderer.

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Maren Krings

Von der Veranda kann man die Ziegen beobachten, die saftige Bergkräuter grasen. Aus der Milch dieser »Rasenmäher« wird später feinster Bergkäse hergestellt. Und der schmeckt nirgendwo besser als direkt auf der Alp! Pirmina Caminada kredenzt im »Café am Ende der Welt« Gästen, die im hintersten Teil der Val Lumnezia unterwegs sind, nicht nur extrasämigen Ziegen-Frischkäse mit wilden Kräutern. Gegen den Durst hat die Älplerin mit dem festen Zopf auch was: Sirup aus wilden Blüten. »Bun appetit!« Nebenbei ist sie Graubündens erste Wildhüterin. Sie stammt aus dem 250-Seelen-Dorf Vrin in der Val Lumnezia. Dem Tor zur Greina. Die Greina-Hochebene, rätoromanisch »Plaun la Greina« genannt, ist sechs Kilometer lang und einen Kilometer breit. Sie liegt auf 2200 Meter Seehöhe, zwischen den Tälern Val Lumnezia, Val Sumvitg und Bleniotal. Hier oben gibt es keine Straßen, keine Bergbahnen, nur Wanderwege.

Und die Stille der Berge. Eine Hochebene irgendwo im Nirgendwo, inmitten einer kargen Gebirgslandschaft, durchzogen von mäandernden Wasserläufen – was soll daran schon besonders sein? Am besten lässt man hierzu einen Einheimischen zu Wort kommen: »Ein geologisches Museum, ein botanischer Garten, eine Berginsel, ein Wunderkorridor und ein Überraschungsschaufenster«. So facettenreich beschrieb der Tessiner Historiker Plinio Grossi (1924–2012) dieses gut versteckte Kleinod. Erst nach mehrstündigen Wanderungen – am besten von Vrin (1448 m) aus und an besagtem »Café am Ende der Welt« vorbei – öffnet sich Wanderern oben am Pass Diesrut (2428 m) das Tor zur Plaun la Greina.

Man betritt eine andere Welt. Eine Welt ohne einen einzigen Baum und ohne Anhaltspunkte für räumliche Distanzen.Tolkien wäre begeistert! Die Biotopenvielfalt der Greina ist derart einzigartig, dass dieses weltabgeschiedene Tal zu den Naturdenkmälern der Schweiz mit nationaler Bedeutung gehört. Aus allen Löchern hört man es pfeifen. In all der Kargheit fühlen sich nämlich Murmeltier-Familien »pudelwohl«. Und mit etwas Glück entdeckt man in den Bergflanken ringsum das Wappentier Graubündens: den Steinbock.

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Ben Wiesenfarth

Für eine Tagestour aus der Val Lumnezia ist die Hochebene jedoch fast schon zu abgelegen.Wer Muße hat, lässt sich drei Tage Zeit und durchquert die Greina komplett von Ost nach West. Man wandert am ersten Tag an der Terrihütte vorbei zur Capanna Scaletta.Tags darauf geht’s weiter zur Capanna Bovarina und am letzten Tag quert man zur Passhöhe am Lukmanierpass. Hier oben nimmt man dann den Postbus und lässt sich ganz entspannt hinab nach Disentis und in die Surselva chauffieren. In den Neunzigern wäre die Greina-Ebene fast zerstört worden. Naturschützer verhinderten jedoch den Bau eines Speichersees zur Stromerzeugung. Heute spendet die Hochebene ihre eigene Art von Energie: Stille zum Hinhören und Innehalten. Abseits jeglicher Zivilisation. Kein Wunder, dass die Greina für viele Einheimische ein magischer Ort hoch über der Surselva ist.

Der Name »Surselva« kommt auch aus dem Rätoromanischen und heißt übersetzt »oberhalb des Waldes«. So nennt sich das rätoromanische Sprach- und Kulturgebiet, das von Reichenau, wo sich der Vorder- und der Hinterrhein vereinen, nach Westen bis nach Disentis reicht. Dank der Nähe zum mediterranen Süden ist die Ost-West- ausgerichtete Surselva mit ausgesprochen mildem Sommerklima gesegnet. Neben der Greina-Hochebene hat die Surselva aber noch viel mehr zu bieten: etwa das versteckte Hochtal »Val Frisal«, die Wasserfälle am »Lag da Pigniu« oder die fantastischen Mountainbiketrails rund um die »Alpenarena« Flims Laax. Wer von der Greina-Hochebene herabkommt und in der Val Lumnezia wieder talauswärts fährt, kommt nach Ilanz. Hinter der ersten Stadt am Rhein gräbt sich der Fluss in der »Rheinschlucht« – dem »Little Grand Canyon der Schweiz« – 500 Meter tief in den Kalk.

Der »Flimser Bergsturz« vor 10.000 Jahren trägt erdgeschichtlich gesehen nicht nur die Verantwortung für den spektakulären Canyon der »Ruinaulta« (wie die Rheinschlucht auf Rätoromanisch heißt), sondern auch für den südseitigen Sonnenbalkon der »Alpenarena« Flims, Laax und Falera. Die drei Dörfer teilen sich ein Mountainbike- und Wander-Paradies par excellence. Wer hier im touristisch mit am besten erschlossenen Teil von Graubünden den Wanderstock schwingt, kann kaum glauben, dass keine 30 Kilometer entfernt das Ende der Welt wartet ...

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Ben Wiesenfarth

Highlights in der Survela: Drei Tage durch die Greina

Etappe eins von Vrin zur Capanna Scaletta (17 km/ 1300 Hm) ist der härteste Brocken. Etappe zwei führt über die Hochebene (14 km/ 700 Hm) zur Bovarinahütte, die Schlussetappe (8 km/600 Hm) weiter zum Lukmanier.

Distanz: 39 km

Höhenmeter: 2600

Gehzeit: 3 Tage (15 Stunden)

Highlights in der Survela: Übernachten auf der Alp

Michael Flepp ist »Strahler« (Mineraliensucher) und Hirte auf der Alp Serenastga in der Val Lumnezia. Auf zwei- und dreitägigen Kursen übernachtet man in offenen Holzhütten auf seiner Alp. Preis Zweitagestour: 300 SFr. Preis Dreitagestour: 450 SFr. Info: www.cristal-clar.ch

Highlights in der Survela: Durch die Rheinschlucht

Die Schluchtwanderung auf der Rhein-Südseite führt von Ilanz an der Brücke von Valendas (Bahnhof) vorbei zum Bahnhof Versam. Abstecher zur Rheinschleife möglich. Distanz: 11 km

Tiefenmeter: 60

Gehzeit: 3,5 Stunden

Bündner Kunst erleben - das Kulturhaus »Casa d’Angel« in Lumbrein

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Maren Krings

Anne-Louise Joël ist Leiterin der Casa d’Angel in der Val Lumnezia. Das 400-jährige Bündnerhaus wurde 1987 von Peter Zumthor renoviert. Jeden Sommer nden neue Ausstellungen statt. Von 16. Juni 2018 bis 16. März 2019 »Kmidadas Wandel« Öffnungszeiten: Hochsaison (Mitte Juli–Mitte August) und Oktober: Montag–Samstag, 14:30–17:30 Uhr; Nebensaison: Dienstag & Samstag, 14:30–17:30 Uhr Info: www.culturalumnezia.ch

Zu Besuch bei Metzger Hermann Huldi

In der »Mazlaria Vrin« Früher war hier eine Postfiliale, heute kann man in der »Stizun Mazlaria« in Vrin feinste regionale Fleischprodukte kaufen. Hermann Huldi und Melanie Nothacker betreiben gemeinsam die Mazlaria und den Laden »Stizun Mazlaria Vrin« in der ehemaligen Post. Die Mazlaria gehört einer Genossenschaft und wurde vom Architekten Gion A. Caminada erbaut.

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Maren Krings

Welche Spezialitäten produzieren Sie in Ihrer »Mazlaria«?
Die Bauern aus der Genossenschaft liefern die Tiere, ich füge Bio-Kräuter und -Gewürze dazu. Neben Frischfleisch stellen wir auch eine Vielzahl von Würsten her. In unserer Naturtrocknerei im ersten Stock entstehen verschiedene Trockenfleisch- und Wurstprodukte. Und wenn ein einheimischer Jäger Wild schießt, verarbeiten wir auch das, zum Beispiel zu Hirschpfeffer.

Wer kauft Ihre Produkte? Wir beliefern einige Restaurants und Läden im Tal und in der Surselva. Für Einheimische und Touristen aus dem Tal ist unser Laden oben im Dorf die Anlaufstelle. Immer mehr schätzen unsere einheimischen Produkte. Das freut mich!

Wie kamen Sie dazu, die Mazlaria zu leiten?
Sie gehört einer Genossenschaft . Nachdem ein junger Metzger sie erfolglos geführt hat, fragte mich einer aus der Genossenschaft , ob ich die Metzgerei übernehmen will. Und so mache ich das seit Januar 2015.

Info: www.mazlaria.ch

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