Durch dick und dünn

Neun Leichtwanderstiefel im Test
Durch dick und dünn

Zuletzt aktualisiert am 01.03.2008

Als vor über 100 Jahren die ersten Bergstiefel geschustert wurden, brauchte es dazu nicht nur viel Know-how und Erfahrung. Ebenso wichtig waren Hunderte von Holz- und Stahlnägeln, meterweise kräftiger Zwirn und ein dicker Batzen robustes Leder. Damit wurde der Schuh widerstandsfähig genug, um Nässe und rüdem Felskontakt zu trotzen – und das jeden Tag, denn damals waren Bergstiefel noch Arbeitsstiefel. Solch ein Exemplar wog locker zwei Kilo. Heute sieht das anders aus: Moderne Leichtwanderstiefel bringen keine 700 Gramm auf die Waage.

Abspecken heißt die Devise, nicht nur bei den Weight Watchers. Denn was weniger wiegt, kann sich schneller und mit weniger Kraftaufwand bewegen, kurzum: macht mehr Spaß. Das gilt erst recht für Wanderschuhe: Sie müssen bei jedem Schritt angehoben, beschleunigt und wieder abgebremst werden - rund 23 000 Mal auf 15 Kilometern. Britische Forscher fanden heraus, dass 100 Gramm weniger an den Füßen 500 Gramm weniger auf dem Rücken entsprechen. Mit leichtem Schuhwerk ist man also schneller unterwegs, kann weitere Etappen zurücklegen und entspannter ans Ziel kommen. Kein Wunder also, dass Leichtwanderschuhe die absoluten Topseller unter den Outdoor-Schuhen sind.

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Die neun Wanderstiefel im Test

Leichtwanderstiefel: das Testfeld

Sie alle besitzen einen knöchelhohen Schaft, kosten zwischen 90 und 160 Euro und wiegen zwischen 480 und 690 Gramm. Ihr Versprechen: Maximaler Gehkomfort und 100-prozentiger Nässeschutz. Ihr Metier: Tages- und Wochenendtouren in den Mittelgebirgen.
Zwei Monate lang liefen die outdoor-Tester mit zusammen 90 Testschuhen über harten Asphalt, knirschende Forstpisten, schmale Pfade und matschige Wurzelwege. Bei unterschiedlichstem Wetter mussten die Testschuhe ihre Qualitäten demonstrieren, und das im Schurwald, auf der Schwäbischen Alb sowie an der Ligurischen Mittelmeerküste.

OD 0308 Wanderschuhe Bild02

Dabei steht schnell fest: Niedriges Gewicht allein ist kein Garant für hohen Gehkomfort. Viel wichtiger sind Dämpfungs- und Abrolleigenschaften. Ein gutes Modell verhindert das schlagartige Aufsetzen der Ferse auf hartem Boden genauso wie ein Abklappen und Aufpatschen des Vorderfußes. Es setzt rund und weich von der Ferse bis zur Zehenspitze auf, rollt also geschmeidig ab. Insgesamt am besten schaffen das die Modelle von Columbia, Hanwag, Jack Wolfskin und Scarpa. Allerdings entfalten sie ihren ganzen Komfort nur dann, wenn der Schuh optimal passt.

Breite Füße werden beispielsweise im Scarpa oder Salomon kaum Platz finden, schma­le im Columbia, Hanwag und Meindl vielleicht zu viel. Eine gründliche Anprobe ist also unerlässlich. Denn sitzt der Schuh perfekt, holt man nicht nur das Maximum an Tragekomfort aus ihm heraus, sondern auch an Trittsicherheit. Und das selbst auf holperigen, steilen Wegen – vorausgesetzt, der Schuh besitzt einen stabilen, vorm Umknicken schützenden Schaft und eine Sohle mit aggressivem Profil, das sich festkrallt auf Matsch, Geröll und nassem Fels. Die Sohle sollte außerdem verwindungssteif sein, sich also nicht zur Seite hin verbiegen und damit jede kleine Bodenwelle an den Fuß weiterleiten.

Vorbildlich in dieser Disziplin sind die Modelle von Jack Wolfskin, Scarpa und Raichle. Sie schützen nicht nur zuverlässig vorm Umknicken und Ausrutschen, sondern auch vor Nässe – genau wie die meisten anderen Testschuhe. Nur bei den Stiefeln von Hi-Tec dringt Wasser ins Innere: In zwei Paaren stand nach wenigen hundert Metern in Pfützen und nassem Gras das Wasser. Der Schuh ist auch der einzige, der in puncto Klimakomfort nicht überzeugt – schon nach wenigen Stunden steht man im Hi-Tec im eigenen Saft.

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Die besten Modelle im Überblick

Fünf Modelle – Columbia, Lowa, Meindl, Raichle und Salomon – schneiden gut ab, drei sogar sehr gut: Hanwag Banks, Jack Wolfskin All Terrain Pro und Scarpa Daylite. Der Hanwag punktet mit dem besten Klimakomfort im Vergleich, trägt sich sehr bequem, lässt sich effektiv an viele Fußformen anpassen und rollt geschmeidig ab. Er ist ein optimaler Schuh für Forst- und Wanderwege, der allenfalls eine etwas griffigere Sohle verdient. Wer eher einen Schuh fürs Grobe sucht, für Wurzelwege, Geröll und Matsch, sollte den Jack Wolfskin in Betracht ziehen.

Und der Scarpa? Er bietet weder die superfeste Sohle des Wolfskins noch das Top-Klima des Hanwags. Dafür zeigt er sich als sehr guter Allrounder, der in jeder Disziplin besteht: Ob stundenlange Märsche auf hartem Asphalt, wurzelübersäte Wanderwege oder geröllige Alpenpfade – der Scarpa macht einfach jede Tour zum Genuss.

OD Scarpa Daylite XCR

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So sieht der perfekte Wanderstiefel aus

1 Zehenkappe:
Eine verstärkte, um den Schuh herumgezogene Kappe aus Gummi schützt vor Abrieb. Sind Sie öfter in felsigem Terrain oder im weglosen Gelände unterwegs, sollten Sie bei der Auswahl darauf viel Wert legen.

2 Sohle:
Sie sollte flexibel sein und sauber abrollen. Wer oft auf harten Asphalt- und Forstpisten wandert, sollte außerdem auf eine starke Dämpfung achten. Für wildes, verblocktes Gelände empfiehlt sich hingegen eine härtere, verwindungssteife Sohle, durch die man nicht jeden Stein spürt. Wer häufig auf nassen, matschigen Wegen wandert, sollte viel Wert auf ein grobes Profil legen.

3 Schnürung:
Die Schnürung übernimmt die Feineinstellung der Passform. Prüfen Sie, wie leicht die Senkel laufen. Gut: eine weit nach vorne reichende Schnürung. Sie kann den Schuh am besten an die Fuß­form anpassen.

OD 0308 Wanderschuhe Bild03

4 Ober­material:
Die Außenhaut des Schuhs schützt vor Abrieb und – gut imprägniert – auch vor Nässe (die wasserdichte Membran sitzt dahinter). Modelle aus Leder sind häufig robuster und langlebiger als Schuhe mit einem hohen Anteil von Kunstfasern (z. B. Cordura). Ein wichtiger Aspekt, wenn Sie Ihre Schuhe öfter in rauem Gelände einsetzen.

5 Schaft:
Der Schaft stützt den Knöchel und schützt vor Schmutz und Wasser. Outdoorer, die auf Tour öfter Bäche durchwaten oder nasse Wiesen queren, sollten auf einen hohen Schaft achten, wer zum Umknicken neigt, zudem auf einen mit viel Seitenhalt.

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Tipps zum Schuhkauf

Richtiges Timing:
Nehmen Sie sich für die Anprobe eines Wanderstiefels zwei bis drei Stunden Zeit. Am besten gehen Sie am Nachmittag ins Fachgeschäft, dann sind Ihre Füße etwas voluminöser als am Morgen.

Ausmessen:
Einige Fachgeschäfte besitzen ein Gerät, mit dem sie die Größe Ihrer Füße messen können. Sie wachsen übrigens im Laufe der Zeit ein wenig. Vorsicht: Schuhgrößen fallen je nach Marke unterschiedlich groß aus.

Passende Socken:
Nehmen Sie zur Anprobe das Paar Socken mit, das Sie auch später auf Tour tragen wollen. Modelle aus Baumwolle sind tabu. Haben Sie die Socken vergessen, bitten Sie im Geschäft um ein Paar Anprobesocken.

Schnürarbeit:
Neue Schuhe sind oft noch recht hart und passen sich nicht so gut an den Fuß an. Schnüren Sie die Schuhe deshalb gut fest. Allerdings nur mit so viel Kraft, dass die Senkel gerade so eben noch nicht auf den Rist drücken.

Warm laufen:
Laufen Sie mit den verschiedenen Schuhen ausgiebig im Laden herum. Erst nach ein paar Minuten werden sie so geschmeidig, dass Sie die Passform korrekt beurteilen können. Am besten gehen Sie nicht nur einfach auf und ab, sondern machen Kniebeugen und Ausfallschritte, steigen Treppen und bremsen abrupt ab. Einige Händler haben einen Schuh-Testparcours aufgebaut, auf dem das Gehen auf verschiedenen Untergründen sowie bergauf und bergab ausprobiert werden kann. Nehmen Sie sich für jeden Schuh gut zehn Minuten Zeit.

Passform:
Achten Sie auf einen bombenfesten Fersensitz. Die Zehen hingegen brauchen etwas Luft, mit ihnen sollten Sie noch klimpern können. Auf keinen Fall dürfen die Zehen vorne anstoßen. In den übrigen Bereichen sollte der Schuh überall sauber anliegen. Im Zweifel kaufen Sie die Schuhe Ihrer Wahl aber lieber eine Nuance zu weit als zu schmal (zirka eine halbe Größe) und ziehen dann später bei Bedarf einfach dickere Socken an.

Die besten Wanderschuhe aller Klassen

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